André Dietenberger hat die Stuttgarter Greeter vor drei Jahren ins Leben gerufen. Anlass war ein längerer Wochenendtrip nach Moskau. „Ich war auf der Suche nach einer guten Stadtführung und bin auf die Greeter-Bewegung gestoßen“, erzählt der 38-jährige IT-Berater. Sein Fazit: „Besser kann man eine Stadt nicht kennenlernen.“ Also ließ er sich beim globalen Greeter Netzwerk registrieren, baute eine eigene Website und startete bei null. Mittlerweile besteht der Kern der Stuttgarter Greeter aus sechs Personen, die im Jahr zusammen etwa 50 bis 60 Anfragen erhalten. Auf der Homepage stellen sich die Stuttgarter Greeter mit ihren Schwerpunkten in aller Kürze vor. Interessierte könnten über ein Formular Kontakt aufnehmen. Anschließend überprüft Dietenberger, ob die Anforderungen stimmen, denn es gibt Greeter-Grundregeln, die weltweit gelten. Eine davon schreibt zum Beispiel vor, dass die Gruppe nie aus mehr als sechs Personen bestehen darf. „Sonst geht das Persönliche verloren“, erklärt Dietenberger. Außerdem muss die Führung unbedingt kostenlos sein. „Wir dürfen auch keine Almosen annehmen“, so der 38-Jährige, das gehöre zum Prinzip der Bewegung. Anfangs hätten viele Einheimische für Greets angefragt – doch mittlerweile kämen Anfragen aus der ganzen Welt. „Wenn man einmal infiziert ist, kommt man nicht mehr davon los“, erklärt Dietenberger aus eigener Erfahrung.

 

Schnäppchenjagd oder Stadtgeschichte

Bei der Führung durch Stuttgart gerät Volker Karcher unterdessen ins Schwärmen über die grüne und lebendige Stadt. Dabei ist er alles andere als ein Schönredner. Es ist nicht sein Auftrag für Stuttgart zu werben, denn er ist Bürger wie jeder andere – und so kann er gut über das ein oder andere schimpfen. Über die Stadtautobahnen zum Beispiel, wie er die B 27 und die B 14 rund um die Innenstadt bezeichnet. Seiner Meinung nach „eine schlimme Zäsur“, weil sie die historische Sophienstraße zweiteilt und die Kulturmeile mit Staatsgalerie und der Landesbibliothek vom Rest der Stadt abschneidet. Dann wechseln seine tiefen Lachfalten kurz die Richtung und er schaut verärgert drein. Er ist eben großer Stuttgart-Fan und gleichzeitig Stuttgart-Kritiker. Das macht ihn authentisch und die Stadtführung zu etwas Besonderem.

Die Stadtführungen der Greeters können politisch sein oder kulturell oder nichts von beidem – eben so, wie es der Besucher gerne möchte. Wer auf Schnäppchenjagd ist, wird von Karcher durch die Stuttgarter Boutiquen gelenkt. Wer es auf die Fassaden abgesehen hat, bekommt sämtliche Baustile erklärt und einen Ausflug durch Stuttgarts Geschichte gleich mitgeliefert. Für den gelernten Banker kein Problem: Der 66-Jährige ist voller Zahlen und Geschichten. „Um Stuttgart heutzutage zu verstehen, muss man eigentlich nur die vier Könige Württembergs kennen“, erklärt er und ist voll in seinem Element: „Friedrich I., Wilhelm I., König Karl und Wilhelm II.“ Dann ergeben die Namen der Straßen und Plätze plötzlich Sinn. Und weil Karcher noch sämtliche Frauen, Geliebte und Töchter dieser Monarchen mit Namen kennt, erschließen sich mit ihm auch die Olgastraße, die Paulinenbrücke und sonstige andere Namen.

Das ist es, was Jutta Kraak an dem Greeter schätzt: „Er weiß unheimlich viel und kennt sich sehr gut aus.“ Die 59-jährige Kulturwissenschaftlerin aus Lichtenstein bei Reutlingen hat in einem Zeitungsartikel von der Bewegung erfahren. Da sie und ihr Mann regelmäßig Gäste aus fernen Ländern zu Besuch haben, haben sie bereits einige individuelle Stadtführungen hinter sich. Über die Zeit hat sich eine Art Freundschaft zu Volker Karcher entwickelt. „Es ist viel persönlicher als eine Stadtführung, weil die Gruppe viel kleiner ist“, schwärmt sie von den Stuttgarter Greeters. Da könne auf persönliche Wünsche eingegangen werden und es entstünden ganz normale Gespräche. Gegen klassische Führungen hat sie nichts einzuwenden, „aber der persönliche Kontakt mit einem, der seine eigene Stadt vorstellt, das ist nochmal eine ganz andere Ebene“, so Kraak.