Der Leistungsanspruch für Menschen mit Demenz steigt an: Über ein Fazit zur Pflegerefom diskutierten Betroffene, Experten und Politiker. Diese Reform war überfällig, lautete das einhellinge Fazit.

Stuttgart - Diese Reform war überfällig, hieß das einhellige Urteil auf dem Podium beim Stadtgespräch Gesundheit, zu dem die AOK Stuttgart-Böblingen ins Glashaus im Theaterhaus geladen hatte. Thema war das Pflegestärkungsgesetz II (PSG II), das am 1. Januar dieses Jahres in Kraft trat und das nach nur marginalen Änderungen in 22 Jahren erstmals die Leistungen der Pflegeversicherung grundlegend und umfassend verbessert. Auf die Frage nach der Notwendigkeit dieser Gesetzesänderung, die Carolin Klinger und Martin Haar von der Gemeinschaftsredaktion der Stuttgarter Nachrichten/Stuttgarter Zeitung als Moderatoren des Abends stellten, nannte Bundestagsabgeordnete (CDU) Karin Maag Zahlen, die Antwort genug sind: „Drei Millionen Bundesbürger sind derzeit pflegebedürftig. Und ihre Zahl wird bis 2030 auf 3,5 Millionen steigen.“

 

Neue Pflegegrade erlauben differenziertere Beurteilung

Als „fundamental“ bezeichnete Christian Kratzke, Geschäftsführer der AOK Stuttgart-Böblingen, die Änderungen durch die Reform. Wo früher die Leistungen der Versicherung von der Einordnung in drei Pflegestufen abhingen, erlauben jetzt fünf Pflegegrade eine differenzierte Beurteilung: „Davon“, so Kratzke, „profitieren vor allem Menschen mit Demenz. Alle Menschen erhalten den gleichen Zugang zu den Leistungen.“

Die örtliche AOK verzeichnet laut Kratzke seit dem 1. Janur eine Steigerung der Pflegeanträge um 15 Prozent: „Wir betreuen 17 300 Pflegebedürftige, mehr als 70 Prozent davon leben zuhause.“ Ob die Verbesserungen bei den Menschen ankommen, war nicht nur für die Moderatoren die entscheidende Frage. Die Sachleistungen seien deutlich gestiegen, betonte Maag und nannte als Beispiel, dass jetzt auch ein Treppenlift bezahlt würde, „damit die Menschen so lange wie möglich zu Hause bleiben können“. Ein gutes Zeugnis stellte Maren Claus, Mutter und Betreuerin eines behinderten Sohnes, den neuen Bedingungen aus: „Die Bewertungsmodule für das Betreuungspaket und die Leistungen, die ich mir wünsche und auch verlange, sind viel differenzierter.“ Sie fühle sich gut unterstützt, vor allem durch eine intensive Beratung. „Wir haben bisher 20 000 Beratungen geleistet, 50 unserer Mitarbeiter sind darauf spezialisiert“, so Kratzke.

Mehr Personal in den Pflegeeinrichtungen

Und wie sieht es in den Pflege-Einrichtungen aus, herrschen hier jetzt paradiesische Zustände? „Wir haben tatsächlich vier bis fünf Prozent mehr Personal“, kann Sabine Bergmann-Dietz berichten, Geschäftsführerin des Eigenbetriebs Leben und Wohnen in Stuttgart mit mehr als 800 Heimplätzen. Der Zeitdruck, den das Pflegepersonal immer beklagt, sei damit aber noch keineswegs behoben. „Intention und Zielsetzung der Pflegereform sind absolut richtig, aber an der Zielsetzung hapert es noch“, stellte auch der Stuttgarter Sozialbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) fest.

„Wir sind noch lange nicht am Ende“, wandte Brigitte Lösch, Landtagsabgeordnete der Grünen, ein: „Wir müssen eine nachhaltige Finanzierung sichern, denn jeder dritte Pflegebedürftige ist Sozialhilfempfänger.“ Außerdem brauche man mehr Menschen in den Sozialberufen. Dazu konnte Karin Maag eine gute Neuigkeit beisteuern: Es gebe mittlerweile einen Run auf den Beruf der Altenpflege. Mit 10 000 neuen Auszubildenden.