Mit einer Überweisung an die Kreditanstalt für Wiederaufbau hat die Stadt eine historische Marke gesetzt. Ein Vierteljahrhundert hat es gedauert, bis die Stadt ihren Milliarden-Schuldenberg abgebaut hat.

Stuttgart - Die Landeshauptstadt hat am Freitag mit der Rückzahlung von insgesamt sechs Darlehen im Umfang von 18,6 Millionen Euro ihre letzten Bankschulden getilgt. Stuttgart ist damit erstmals seit 1948 wieder schuldenfrei. Unter den deutschen Großstädten mit mehr als einer halben Million Einwohnern gelang das bisher nur Dresden. Die sächsische Metropole hatte dafür aber 2006 ihren Wohnungsbestand von 48 000 Einheiten veräußert. Stuttgart besitzt über die stadteigene Wohnungs- und Städtebaugesellschaft SWSG weiterhin 18 000 Wohneinheiten. Dresden gründete im September 2017 wieder eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft. Sie soll in den nächsten drei Jahren 800 belegungsgebundene Wohnungen bauen.

 

Den historischen Entschuldungsschritt vollzog Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) am Freitag ganz unspektakulär. Die höchste Verbindlichkeit, 13,8 Millionen Euro, wurde bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit der Unterschrift auf einem Überweisungsträger abgelöst. Dort steht „APL Tilgung“, also außerplanmäßige Rückzahlung. Bei der KfW hatte die Stadt vor wenigen Jahren zinslose Darlehen für den Bau von Flüchtlingsunterkünften gezeichnet.

Verzinsung negativ

Weil die Verzinsung eigener Geldanlagen der Stadt in Höhe von 760 Millionen Euro 2017 negativ war, entschlossen sich die Verwaltungsspitze und Gemeinderat, Restschulden zu tilgen. Im Saldo ergebe sich daraus trotz des Aufhebungsentgelts für die vorzeitige Ablösung bei allen sechs Darlehen eine Zinsersparnis von 11 000 Euro, teilten OB Fritz Kuhn (Grüne) und Föll am Freitag mit.

„Es ist schon ein besonderer Moment, wenn die Stadt zum ersten Mal seit Einführung der D-Mark vor 70 Jahren schuldenfrei ist“, sagte Föll (53), der die Stadt im Februar 2019 nach 15 Jahren verlässt und oberster Amtschef im Kultusministerium wird. Ihm soll als Finanzbürgermeister der Rechtsanwalt und CDU-Stadtrat Thomas Fuhrmann (47) nachfolgen.

Steuerquellen sprudeln

Die Schuldenfreiheit sei „Ergebnis einer langfristig angelegten, nachhaltigen Finanzpolitik und die Grundlage für die finanzielle Handlungsfähigkeit“, sagte OB Fritz Kuhn (Grüne). Die wachsende Steuerkraft der letzten Jahre mit hohen Haushaltsüberschüssen tat auch ihren Teil. Allein 2017 bleiben im Stadthaushalt 382 Millionen Euro übrig. Und durch die seit dem Höchststand 1993 mit 1,15 Milliarden Euro zurückgehende Verschuldung gewann die Stadt Luft, weil sich der Zinsaufwand verringerte. Zur Jahrtausendwende mussten noch 37,4 Millionen Euro Zinsen bezahlt werden, 2018 waren es noch 200 000 Euro. Auch in diesem Jahr rechnet die Stadt mit einem Überschuss. Er soll laut Rechnung von Juli rund 90 Millionen Euro betragen. Eine neuere Zahl gebe es nicht, so die Verwaltung. Außerdem erwartet die Stadt zum Jahresende rund 167 Millionen Euro aus einer aufgelösten Absicherung der Landesbank (LBBW). Das Geld ist vom Gemeinderat bereits zur Sanierung der Staatsoper verplant. 25 Millionen wurden dafür bisher zurückgelegt.

Hohe Investitonen stehen an

Die Opernsanierung zeigt, welchem Mittelbedarf sich die Stadt in den nächsten Jahren gegenübersieht. Für die Staatsoper werden 400 Millionen Euro genannt, die Hälfte davon muss die Stadt tragen. Auch die Neubauten am Klinikum erfordern mehrere hundert Millionen Euro, der Gemeinderat hat Ende 2017 insgesamt 200 Millionen für die Krankenhäuser zurückgestellt. Bereits Anfang 2017 waren den Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) 72,5 Millionen Euro als Investitionszuschuss zugewiesen worden. Die größte finanzielle Unsicherheit stellt das Bahnprojekt Stuttgart 21 dar. Die Bahn hat die Stadt auf die Zahlung von 591 Millionen Euro verklagt.

Unabhängig vom schuldenfreien Kernhaushalt sind die städtischen Eigenbetriebe mit 367,8 Millionen Euro verschuldet. Davon betreffen allein rund 308 Millionen Euro Stadtentwässerung und Abfallwirtschaft. Diese Betriebe werden aber, anders als das Klinikum, über Gebühren finanziert.