Fünf Stadtjäger sind derzeit in Stuttgart unterwegs. Gefragt sind sie vor allem als Berater und Vermittler, Schusswaffen bleiben im Schrank. Aktuell sind vor allem frei laufende Hunde in den Brutgebieten von Wildtieren ein großes Problem.

Lokales: Armin Friedl (dl)

Der Stadtjäger ist natürlich nicht mit der Flinte unterwegs. Wenn überhaupt, ist Schießen in befriedeten Bezirken nur unter sehr strengen Auflagen und Sicherheitsvorschriften möglich. Aber der Stadtjäger kennt sein Revier sehr genau, er ist da ja viel unterwegs. Es geht ihm da vor allem darum, den Dialog mit der Bevölkerung zu pflegen, um ein bessere Verständnis zwischen Mensch und Tier zu schaffen. Eben um zu beobachten, wie sich das Zusammenleben von Mensch und Tier da so entwickelt. Fünf Stadtjäger gibt es derzeit in Stuttgart, seit gut einem Jahr sind die ehrenamtlich Tätigen auch amtlich anerkannt.

 

Kein Katzenfutter auf der Terrasse

Wolfgang Melchior ist einer von ihnen, zuständig für Obertürkheim und für Uhlbach. „Wir haben vor allem eine aufklärende, eine beratende Funktion“, so Melchior, „wir sensibilisieren, um Konflikte zu vermeiden“. Da lassen sich viele Beispiele aufzählen: „Wir beraten, was alles auf einen Kompost gehört und wie der am besten für Tiere unzugänglich geschützt wird. Um etwa Ratten, Mäuse, Waschbären oder Füchse fernzuhalten. Wir weisen darauf hin, dass es keine gute Idee ist, Katzenfutter auf der Terrasse stehen zu lassen, wir geben Tipps, wie man Bäume und Sträucher gut schneidet, damit sie keine Aufstiegshilfen etwa für Marder oder Waschbären in die Häuser sind“ – Melchior kann da noch viel Beispiele aufzählen. Aber natürlich geht es auch mal darum, wie man unfreiwillige tierische Bewohner los werden kann. Die werden dann allerdings nicht vom Stadtjäger erschossen, sondern in erster Linie vergrämt, also vertrieben. Als letzte Möglichkeit gibt es dann die Lebendfallen.

Der Weg bis zu dieser Maßnahme kann aber schon auch ein längerer sein. „Natürlich müssen wir dann erst mal den Besitzer der Immobilie oder des Grundstücks ermitteln. Und der muss dann mit den Maßnahmen einverstanden sein, nachdem wir den Grund einer Beschwerde erläutert haben, nachdem wir die Situation gründlich analysiert haben, um dann Maßnahmen vorschlagen zu können“, sagt Melchior.

Beratung und Aufklärung sind die wichtigsten Aufgaben

Im engen städtischen Miteinander auch von Mensch und Tier gilt es eben viele Details zu beachten, des einen Freud ist des anderen Leid, das liegt oft sehr dicht beieinander. „Der Dialog ist eben sehr wichtig mit der Bevölkerung. Beratung und Aufklärung stehen ebenfalls ganz oben in einem offenen und freundlich geführtem Austausch mit der Bevölkerung“, sagt Melchior. Dazu gehören auch immer wiederkehrende Erläuterungen, weshalb etwa das Füttern von Tauben oder Enten in den Stadtparks verboten ist. Und ist ein Konflikt einmal ausgebrochen, ist es auch hilfreich, wenn andere Einrichtungen da schon informiert sind, etwa die Polizei. Der Stadtjäger ist dann eben jener, der in letzter Konsequenz tatkräftig Abhilfe schafft. Von daher weiß Melchior aus eigener Erfahrung: „Das sind Themen, da geht es oft sehr emotional zu. Man muss da immer ruhig bleiben.“ Wenn man mit Melchior spricht über diese Arbeit, ist es schon glaubhaft, dass vor allem in der Ruhe die Kraft liegt, diese Aufgabe zu erfüllen. Autorität und Fachkenntnis kommen am Ende aber auch hinzu.

Die Zusammenhänge erläutern

So ist der Stadtjäger Ansprechpartner für viele Seiten: Für die Polizei, für Experten der Stadtverwaltung, für jeden Bürger. Entsprechend vielseitig ist auch die berufliche Herkunft der Stadtjäger. Das können Leute sein, die wie Melchior aus dem klassischen Jagdwesen sind. Das können auch jene sein, die als Schädlingsbekämpfer arbeiten oder die als Kammerjäger tätig sind. In einem städtischen Lebensraum ist für sie genug zu tun.

Denn nichts ist so selbstverständlich wie es anfangs zu sein scheint. Etwa das Fütterungsverbot von Enten und Tauben. „Natürlich ist so ein generelles Fütterungsverbot zunächst einmal sinnvoll“, so Melchior, „aber das kontrollierte Füttern dieser Tiere an ganz bestimmten Stellen ist durchaus auch erfolgversprechend, wenn es darum geht, die Zahl dieser Tiere in Fußgängerzonen oder an bestimmten Parkseen zu reduzieren. Aber dann muss man auch gleichzeitig zwingend dazu die Nist- und Brutmöglichkeiten reduzieren. Und es muss geklärt sein, wer die Tiere mit was füttert, wer die Nistplätze kontrolliert und vor allem wer das Ganze finanziert.“

Frei laufende Hunde und ihr Jagdinstinkt

Was Melchior jetzt vor allem in seinem Revier zu schaffen macht, sind frei laufende Hunde in den Weinbergen von Obertürkheim und Uhlbach. „Man merkt schon, dass sich etliche Menschen in den Corona-Zeiten einen Hund angeschafft haben, die vorher noch keinen Hund hatten“, so Melchiors Beobachtungen, „und jetzt lassen die ihre Hunde frei von der Leine laufen und wundern sich, dass sie, wenn sie Wild gewittert haben, dem Wild hinterher hetzen“. Diesen Satz „Bis jetzt hat der mir immer aufs Wort gehorcht“ kenne er schon zur Genüge. Aber auch die kleinste Hunderasse hat eben einen angeborenen Jagdinstinkt. Und wenn ein Hund, die Schnauze frei vom Stadtmief, dann eben mal frei von der Leine durch die Natur stromert und Witterung aufnimmt, geht eben dieser Jagdinstinkt in ihm durch, daran ändern dann auch viele antrainierte Ge- und Verbote nichts.

Und wenn der Hund das Wildtier auch nicht tötet, kommt es doch zu einem qualvollen Ende: Die offenen Wunden werden von Keimen infiziert, Entzündungen wuchern an dem Tier. Ein Anblick, der auch Melchior immer aufs Neue zu schaffen macht. Deshalb unterstützt er sehr eine generelle Leinenpflicht von März bis Juli in der Brutzeit der Wildtiere.

Ein anderes Ärgernis sind für Melchior die Hinterlassenschaften der Hunde, die in Plastiktüten in der freien Natur entsorgt werden, auch indem sie etwa an Bäumen oder Gartenzäunen aufgehängt werden. Generell ist Müll für Wildtiere gefährlich. Vor allem nach Wochenenden mit schönem Wetter bleibt viel liegen von Grill- und Partyveranstaltungen.