Die Stadt Weinheim und unterstützt zum Wohle des Stadtklimas die Anlage eines Mustervorgartens

Weinheim - In der Neubausiedlung im Weinheimer Ortsteil Lützelsachsen (Rhein-Neckar-Kreis) sieht es aus wie in vielen deutschen: Das Bild bestimmen gepflasterte Zufahrten und Schotterflächen vor den Häusern. Grüne Vorgärten mit Blumen und Sträuchern oder gar blühenden Rosenbüschen sind Mangelware – für Bäume ist ohnehin wenig Platz.

 

Auch Annegret und Walter Leitwein haben sich vor sieben Jahren beim Bau ihres Mehrfamilienhauses für die vermeintlich pflegeleichte Vorgarten-Variante entschieden und ihren zwölf Meter langen schmalen Grünstreifen vor dem Haus samt einem kleinen Beet neben den Autostellplätzen einfach mit Schotter abdecken lassen.

Schon bald kamen Zweifel an der Steinwüste

„Nach dem Bauen mit viel Eigenarbeit war nicht mehr viel Kraft für die Außenanlage vorhanden“, sagt Annegret Leitwein. „Und wenn ich ganz ehrlich bin, haben wir auch nicht viel überlegt, was die Steine für das Klima und die Umwelt bedeuten“. Doch schon bald sind bei ihr und ihrem Mann erste Zweifel an der Steinwüste vor ihrem Haus gekommen. „Man musste ja doch alle paar Wochen das Unkraut rausreißen“, sagt Walter Leitwein.

Seit Dienstag ist Schluss mit dem Schotter. Morgens um halb acht ist ein kleiner Bagger angerückt; bis zum Nachmittag hat Jan Bührer, der Inhaber und Baggerführer einer örtlichen Gartenbaufirma, die zwei Flächen vor dem Haus geräumt. Rund zehn Tonnen Granitschotter, Mineralbeton und Split, dazu viele Quadratmeter Folie sind in die Bauschuttcontainer und den Restmüll gewandert. Schon am Mittwoch soll frische Erde angeliefert werden, dann werden Mitarbeiter der Firma Dutzende mehrjährige Stauden anpflanzen; 13 verschiedene Arten, die Fachleute eigens für sonnige und trockene Standorte wie diesen zusammengestellt haben. Wo bisher der Schotter ruhte, sollen künftig Bergaster, Wolfsmilch und Glockenblumen sprießen – unter anderem. „Wir sind gespannt wie es wird, wir lassen uns überraschen. Aber wir sind sicher, dass es schöner wird als vorher“, meint Annegret Leitwein.

Die 36 Quadratmeter Grün kosten 3000 Euro

Rund 3000 Euro kosten die Bauarbeiten und die Neugestaltung der 36 Quadratmeter großen Fläche. Ein Drittel davon – die Kosten für die Pflanzaktion – übernimmt die Stadt Weinheim. Sie hat im Frühjahr unter dem Titel „Weg mit dem Schotter“ eine Initiative für die Verbesserung des Stadtklimas gestartet und in diesem Zusammenhang auch Hausbesitzer gesucht, die – mit fachlicher und finanzieller Hilfe der Stadt – bereit waren, ihren bisher schotterbestückten Vorgarten blüten- und bienenfreundlich anzulegen. Fast 50 Interessenten haben sich daraufhin gemeldet.

Roland Robra, der Umwelt- und Naturschutzberater im Rathaus, hat die bis dahin ebenso unauffällige wie öde Fläche vor dem Haus der Leitweins als Demonstrationsfläche ausgesucht, auch, weil sie gleich an der Zufahrt zum Neubaugebiet liegt. „Dort wird sie in Zukunft allen positiv ins Auge fallen“, sagt Robra.

Die Pflege müssen die Hausbesitzer übernehmen

Die Pflege müssen die Hausbesitzer übernehmen. Doch das, versichert der Weinheimer Gartenfachmann, dürfte kein größeres Problem sein. „Eine gut bepflanzte Fläche ist pflegeleichter als ein Schottergarten“, versichert er und hofft, dass das Beispiel des Mustergartens Schule macht. Denn obwohl die Landesbauordnung, viele Bebauungspläne und seit kurzem auch das neue Naturschutzgesetz die Bepflanzung von unbebauten Grundstücksflächen vorsehen, entscheiden sich nach seiner Schätzung zehn bis 20 Prozent der Eigentümer lieber für den eigentlich verbotenen Schotter.

Die Kommunen wären damit überfordert, allen Fällen nachzugehen und sie zu sanktionieren, erklärt er. Deshalb habe man sich in Weinheim dafür entschieden, „positive Anreize“ zu setzen. „Denn jede versiegelte Fläche heizt das Stadtklima weiter auf – und jeder Schottergarten zählt dazu“, erklärt Robra. „Die Flächen sind unter jedem Aspekt eine komplette Katastrophe: Von den Steinen, die aus China kommen, über die Kunststofffolien im Boden, die Verdichtung des Erdreichs bis zur Entsorgung. Am Ende verursachen sie einfach nur Abfall.“