Mit einem Eröffnungsfestival hat das Stadtpalais-Museum für Stuttgart am Samstag für alle Besucher seine Tore geöffnet. Mit dem Museumsguide führen bekannte und unbekannte Stuttgarter durch die Ausstellung.

Stuttgart - Das Motto ist Programm. „Endlich offen!“ ist auf dem Plakat vor dem „Stadtpalais“ zu lesen. Und manche, die sich am Samstagmorgen vor dem „Museum für Stuttgart“ in der Konrad-Adenauer-Straße zum „Eröffnungsfestival“ einfanden, konnten es kaum abwarten, dass Kulturbürgermeister Fabian Mayer die gelb-schwarzen Bänder durchschnitt. 18 Jahre habe es gedauert, erklärte der, bis die Idee eines Stadtmuseums umgesetzt wurde. Bürgerliches Engagement habe dabei eine wichtige Rolle gespielt. „Umso mehr freuen wir uns über diesen Moment“, so Mayer. „Der Eintritt ist gratis, kommen Sie immer wieder in dieses Haus der Stadtkultur für alle Bürgerinnen und Bürger!“

 

“Welche Stadt, welches Stuttgart wollen wir haben“

Der Begriff beinhalte für ihn den integrativen Ansatz des Hauses, nicht in Retrospektive zu verharren, sondern von der Geschichte aus in die Gegenwart und Zukunft zu schauen. „Dass Besucher einfach mal hereinschauen – und angeregt werden, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Stadt, welches Stuttgart wollen wir haben“, so Mayer. Das Stadtpalais soll ein offener Ort der Teilhabe mit hoher Verweilqualität werden, wünscht sich der Bürgermeister. „Aber das ist gegeben durch die Gastronomie – bespielt durch das Team der Wagenhallen – und die geplanten Events.

Das bestätigt auch Museumsdirektor Torben Giese. Sein Haus wolle eine Plattform bieten für den Diskurs über die unterschiedlichen Identitätsentwürfe in einer Stadt, in der knapp 180 Nationen lebten. „Nichts gegen den Begriff Heimat, aber wir verwenden ihn bewusst nicht, Identität ist etwas weit Offeneres“, so der Historiker. „Auch bei der Geschichtsschreibung verändern sich immer wieder die Perspektiven, je nach Forschungslage.“

Stuttgarterinnen und Stuttgarter führen durch die Ausstellung

Als Vorboten nehmen mag man den Piraten, der – kaum hatte Giese feierlich das Stadtpalais für eröffnet erklärt – auf der Freitreppe mit leichtem Hamburgerischen Slang knarzte „Na, jetzt geht das mal los hier.“ Drinnen spielte denn auch die Filmmusik aus „Fluch der Karibik“, um die „Museumspiraten“ des Kinderfests passend zu begleiten. Jedes Kind bekam im Foyer eine Augenklappe, um das Haus stilecht zu entern, im Saal Marie mit einem Schiffssteuerrad um Edelsteine zu spielen oder eine Etage tiefer im Stadtlabor in der Kinderausstellung „Bau mit“ eine Metropole zu errichten. Schon vor der Mittagszeit war da manch’ städtebaulicher Rahmenplan ausdiskutiert. „Hier einen Platz mit Häusern“, so ein Knirps zu seiner Schwester, die ihm leidenschaftlich entgegnete „Ich will einen großen Rasen daneben – zum Spielen und für die Tiere.“

Auch im Foyer waren Kinder, genauer Schülerinnen und Schüler der Galileo Grundschule, am Drücker, in trauter Eintracht mit Erwachsenen und Museumschef Giese. Gemeinsam betätigten einen roten Knopf, um den Museumsguide zu aktivieren. Das Besondere an diesem audiovisuellen kleinen Gerät, das durch das Stadtpalais leitet: Bekannte und unbekannte Stuttgarterinnen und Stuttgarter führen durch die ständige Ausstellung „Stuttgarter Stadtgeschichten“ im ersten Stockwerk. „Ihr Stuttgart“ zeigen unter anderem Rapper Max Herre, Ex-Fußballer Hansi Müller und sein Sohn Leif, DJ bei Common Sense People, der Trott-war-Verkäufer Thomas Schuler oder Wolfgang Müller und Helmut Doka von der Initiativgruppe Stadtgeschichte. „Wir wollten, dass Menschen wie du und ich durch die Ausstellung gehen, spontan Eindrücke, Lieblingsorte, ihre persönliche Stuttgartgeschichte vor der Kamers erzählen“, so Miriam Höller, die das Projekt leitete.

Stadtgeschichte vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart

So spricht Wolfgang Müller im Guide unter anderem über die Exponate der Waldorf-Astoria Zigarettenfabrik, die ab 1906 in der Hackstraße produzierte. „Ich habe in meiner Sammlung ähnliche Objekte.“ Und während Schuler, der auch alternative Stadtführungen für Trott-war anbietet, Orte jenseits von schön und teuer vorstellt, die man nicht kennt oder gerne übersieht, beschäftigt sich die Tour de Müller auch mit der Fußballstadt Stuttgart. Ihn habe etwa das VfB-Trikot von Serdar Tasci gefallen, sagte er. Doch nicht nur darüber habe er mit seinem Vater Hansi gesprochen. „Hier gibt es so viele Highlights, wie der betagte Fahrkartenautomat! Ich kann keine einzelnen Lieblingsstücke herausgreifen. Mich fasziniert die Vielfalt.“

So wird die Historie der Landeshauptstadt in den Stadtgeschichten vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart nachgezeichnet, thematisiert multimedial die Elektrifizierung genauso wie Pressefreiheit, Verkehr, Wohnen, Rap-Mutterstadt, RAF, Stadtgedächtnis, Lebensreformbewegung und anderes mehr. Besonders an kamen die Touchscreen-Stationen Geist und Gestalt, der an eine Induktionsplatte erinnert: Wenn darauf die Objekte aus dem Regal dahinter gelegt werden, generiert dieser die passende Erläuterung.

Die Besucher teilten aber auch – quer durch alle Generationen – im Erdgeschoss im „Salon Sophie“ dem Zukunftsbarometer „Stuttgart und Du 2038“ mit, wo sie die Landeshauptstadt in 20 Jahren sehen, oder lauschten im abgedunkelten zweiten Obergeschoss dem „Sound of Stuttgart“ – bei Tag, Nacht, im Wald, auf der Kreuzung oder im Vergleich zur Partnerstadt Mumbai in mit Akustikschaumstoff ausgekleideten Boxen. „Klar, dass Mumbai lauter ist“, kommentierte eine ältere Dame, indes eine junges Pärchen in einem hellen Raum mit Regenmacher, Schwämmen und anderen Materialien selbst ihren „Sound of Stuttgart“ produzierte. Ihr Fazit: „Super, so haben wir unsere Stadt noch nie gesehen – und selbst lautmalerisch produziert.“