Die Skulpturen der Bildhauerin Birgit Feil sind oft lebensgroß und wirken nicht nur durch die Namensgebung wie lebendige Wesen. Ihre jüngste Skulpturengruppe wird am Sonntag, 6. Mai, um 15 Uhr im Stadtpark Vaihingen enthüllt.

Vaihingen - Die kleine Carolin schaut mit einem feinen Lächeln auf die Besucherin, die sich zu einem Gespräch mit der Bildhauerin Birgit Feil in deren Domizil am Kelterberg getroffen hat. Sie scheint genau zuzuhören und sich ihre eigenen Gedanken zu dem Gespräch zu machen. Dabei ist Carolin eine von vielen Skulpturen aus Beton oder Kunststoff, die in dem geräumigen Atelier entstehen. Das kleine Mädchen ist ein typisches Beispiel für die Arbeitsweise der Künstlerin Birgit Feil, deren Figuren lebensnah wirken und ihre ganz eigene Persönlichkeit zeigen. Am Sonntag, 6. Mai, wird um 15 Uhr ihre jüngste Skulpturengruppe mit dem Titel „Besuch bei Marko“ im Vaihinger Stadtpark enthüllt.

 

Ein großes Atelier im Erdgeschoss der Alten Kelter

Schweißbrenner, Betonmischmaschine, lebensgroße Plastiken: Birgit Feil braucht viel Platz bei ihrer kraftraubenden und langwierigen Arbeit. Den hat sie vor Jahren im Erdgeschoss der Alten Kelter gefunden, wo sie seit 1997 auch Kurse für Erwachsene im plastischen Gestalten anbietet. Viel Zeit erfordert zudem ihre Arbeit beim Kunstverein Kultur am Kelterberg, wo das Gründungsmitglied als Vorsitzende und Sprecherin im Kunstbeirat tätig ist.

Dem Realismus verschrieben

Sie habe schon früh zum Modellieren gefunden, erzählt die gebürtige Stuttgarterin von ihrer Schulzeit im katholischen Mädchengymnasium St. Agnes. Der Vater war ein begabter Hobbymaler, und mit ihrer Berufswahl hat Feil, wie sie sagt, sicherlich seinen Traum von der freien Kunst verwirklicht. Sechs Jahre lang studierte sie an der Hochschule der Künste in Berlin, wo sie sich gleich aufs Modellieren verlegte.

Der Bildhauer Karlheinz Biederbick wurde ihr Vorbild, ein Vertreter des Realismus, einer Stilrichtung, die damals nicht allzu populär war. Aber Abstraktes passt nicht zu ihrem Thema: Feil möchte die Menschen lebensnah abbilden, aus einer realen Situation herauslösen und sie ohne ihren Kontext und ihr gesellschaftliches Umfeld zeigen.

„Modellieren kann eigentlich jeder“

Zurück in Stuttgart arbeitete Birgit Feil zunächst in einem Atelier in der Seerosenstraße, wo es keine Heizung gab und das Wasser in den Eimern gefror. Als es in Vaihingen um die Gestaltung der Alten Kelter ging, meldete sie gleich Bedarf an. Und wechselte von der Studierenden schnell in den Status der Lehrenden. „Modellieren kann eigentlich jeder“, findet die Kelterberg-Dozentin, „man muss nur Freude am Gestalten mitbringen. Ein bisschen Geduld und Ausdauer kann dabei nicht schaden.“

Eine Künstlerin, die gut beobachtet

Sie selbst sieht sich als eher disziplinierten Menschen: Sobald ihre beiden Kinder in der Schule sind, macht sich die Künstlerin, die in Warmbronn lebt und in Stuttgart-Vaihingen arbeitet, ans Werk. „Mein Thema ist der ganz normale Mensch aus dem Alltag“, erklärt sie, „nicht verschönt, nicht idealisiert, nicht heroisiert.“ Es sind Menschen, die einem auf der Straße begegnen könnten, und genau so ist Feil ihren Modellen begegnet. Den Anfang machen oft Aufnahmen von Menschen, die sie unauffällig fotografiert hat. „Ich beobachte viel“, sagt Feil, „und hier im Atelier kann ich mich in die Personen vertiefen und einen Ausdruck herausarbeiten.“

So sind zum Beispiel ihre „Smombies“ entstanden: eine Reihe von Menschen, Grau in Grau, die nicht von ihrem Smartphone aufblicken. Manchmal ist es eine Idee, die den Ausgangspunkt bildet. Für „Besuch bei Marko“ hat sich Birgit Feil etwas für eine Nische im Stadtpark einfallen lassen, wo sie etwas „Bequemes, Intimes“ installieren wollte. Ihr eingereichter Entwurf verwandelt den Platz in ein Wohnzimmer, wo besagter Marko auf einem Sitzsack Hof hält. Auf einem leeren Sitzsack daneben können die Passanten Platz nehmen: sie sind der Besuch bei Marko.

„Besuch bei Marko“

Anders als beim spontanen Malen bedarf die Bildhauerei gründlicher Vorarbeit. Ein Grundgerüst aus Eisen, bearbeitet mit dem Schweißbrenner, wird mit leichtem Styropor ausgekleidet, über dem Feil die Figur mit weichem Ton modelliert. In diesem Arbeitsschritt liegt die eigentliche Gestaltung. „Die Struktur des Tons ist noch sichtbar“, erläutert Feil ihre Handschrift, „der Rhythmus des Faltenwurfs, jede noch so kleine Wölbung ist mir wichtig.“ Im nächsten Arbeitsschritt entsteht dann eine Negativform, meist aus Gips, die zuletzt mit Beton oder Acrystal ausgegossen wird. Für eine ihrer großen Figuren braucht die Künstlerin in etwa drei Monate; während dieser Zeit konzentriert sie sich meist auf ein einziges Modell.

Ihre oft lebensgroße Skulpturen tragen Namen, die ihrem Alter, ihrer Generation entsprechen, doch die Gesichtszüge der Modelle sind verändert. Man könnte sie nicht wirklich auf der Straße erkennen. Die Farbe, eher spärlich eingesetzt, kommt ganz zum Schluss. Carolin, das Mädchen mit der Siegesmedaille in der Hand („Das Wunschkind“), trägt ein leichtes Sommerkleid. Die fröhliche Louise wirkt mit ihrem rosafarbenen Blumenkleid sehr selbstbewusst. Und fast ganz ohne Farbe kommt eine Figurengruppe aus, für die Birgit Feil einen Auftrag bekommen hatte: Sie sollte zum 60. Geburtstag des Daimler-Vorstandsvorsitzenden Dieter Zetsche dessen Familie darstellen. „Ich mag es dezent“, sagt die Künstlerin zu ihrer Farbgebung. „Meine Figuren stehen ruhig und mit einer natürlichen Selbstverständlichkeit da. Sie sind unspektakulär, normal. Und doch machen sie in ihrer Präsenz nervös.“

Besuch bei Marko Die jüngste Skulpturengruppe der Bildhauerin Birgit Feil vom Kunstverein Kultur am Kelterberg wird am Sonntag, 6. Mai, um 15 Uhr im Stadtpark Vaihingen enthüllt. Sie trägt den Titel „Besuch bei Marko“. Wer mehr von ihren Arbeiten sehen möchte, hat dazu Gelegenheit im Internet unter www.birgitfeil.com.