Der Sindelfinger Bahnhof empfängt Reisende, als seien Menschen an ihm nicht vorgesehen – es sei denn, sie sind sicher von Blech umgeben. Der Fußweg ins Zentrum der Stadt soll künftig zumindest gefahrlos möglich sein.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Sindelfingen - Alle Scheußlichkeiten, mit denen Regionalbahnhöfe Reisende empfangen, scheint der in Sindelfingen vereinen zu wollen. Der Bahnsteig misst in seiner Breit kaum Körperlänge. Der Wetterschutz eines Unterstands ist allenfalls einer Bushaltestelle würdig. Auf einem Abstellgleis gibt ein rostiger Güterzug einen Hinweis auf den Stolz des Ankunftsorts: Er hat Mercedes-Neuwagen geladen.

 

Wer vor dem Bahnhof innerhalb der Grünphase die Hanns-Martin-Schleyer-Straße überqueren will, muss fix auf den Füßen sein. Der Platz, um in der Mitte der Straße auf eine nächste Verkehrslücke zu warten, misst kaum mehr als eine Schuhlänge. Für Betagte mit Rollator oder gar Rollstuhlfahrer bietet der Steg über die fünf Fahrspuren auch keine sichere Alternative. Ihm fehlt der Aufzug.

Im Geäst eines Straßenbaums liegen provisorische Stromleitungen

Gegenüber fristet auf einem Flecken Grün im Grau eine Weide ihr Leben als Straßenbaum. Den Blick auf ihren Stamm verstellen verwitterte Stromverteiler. Aus ihnen heraus sind Leitungen durchs Geäst verlegt. Auf dem Zebrastreifen mahnt eine Mutter ihr Kind zur Eile. Die Sorge scheint durchaus berechtigt, denn die Taxifahrer üben sich in Ungeduld. Bagger und Bauzäune eingangs und ausgangs des Stegs vervollständigen das Bild. Müll aufgeklaubt hat hier auch schon eine Weile niemand mehr.

Willkommen nunmehr auf der Mercedesstraße, dem Tor zu Sindelfingens Mitte für alle, die für ihren Besuch die Bahn gewählt haben. Das Elend endet nach drei Gehminuten mit der Hausnummer eins, der Adresse eines Wettbüros gegenüber dem verwaisten Postareal. Linkerhand beginnen dahinter die Gassen der Altstadt. Rechterhand erstreckt sich der Marktplatz mit dem Blick auf das historische Rathaus in der Ferne. An der Einfahrt zur Tiefgarage wirbt ein gelbes Werbebanner – nur zur Erinnerung – für einen Autosalon.

„Wenn ich da ankomme, weiß ich gleich: Ich bin in einer Autostadt“, sagt Helmut Hofmann. Zwar ist er als Stadtrat der Grünen eines überkritischen Blicks auf Straßen verdächtig, aber auch die Baubürgermeisterin Corinna Clemens bekennt frei: „Die Hanns-Martin-Schleyer-Straße ist gelinde gesagt eine Katastrophe.“

Über die Zukunft der Autoschneise wird schon eine Weile diskutiert

Über eine zeitgemäßere Zukunft der Autoschneise wird auch schon eine Weile diskutiert. Sogar, sie in einen Tunnel zu verlegen, war schon im Gespräch. Zunächst einmal soll aber die Mercedesstraße ihre Anmutung verändern, eben der Weg vom Bahnhof, vorbei am Stern-Center, hinein ins eigentliche Zentrum der Stadt. Immerhin gilt dies auch für die Kreuzung zur Hanns-Martin-Schleyer-Straße vor dem Bahnhof. „Ziel ist, eine für Fußgänger sichere und komfortable Querung zu ermöglichen.“ So ist es in Gemeinderatsunterlagen vermerkt. Aktuell ist der Platz auf den Gehsteigen so beengt, dass „die Leute bis in die Straße hinein stehen, wenn die S-Bahn ankommt“, sagt der CDU-Stadtrat Georg Schindler. Nach dem Umbau soll auch der Fußgängersteg überflüssig werden.

Der Bedarf besteht seit 2012, dem Jahr, in dem erstmals die S-Bahn-Linie 60 in den Bahnhof einfuhr. Zuvor gab es an dieser Stelle so gut wie keinen Publikumsverkehr. Wann der Umbau beginnt, steht noch nicht fest, genauso wenig wie das künftige Aussehen der Straße. Im aktuellen Jahr wird zunächst ein in Filderstadt ansässiges Ingenieurbüro die Pläne entwerfen. Wenn schon gebaut wird, so wünscht es sich der Gemeinderat, könnte auch gleich der Bahnsteig für die Wartenden verbreitert und überhaupt der Bahnhof aufgehübscht werden. Dafür allerdings „ist die Stadt der falsche Ansprechpartner“, sagt die Baubürgermeisterin. Die Bahn-Konzern müsste sich bereit erklären, den Komfort für seine Kundschaft zu verbessern.