Wenn Sie eine Vision für Stuttgart 21 entwickeln sollten, wie würde die aussehen?
Ich würde beispielsweise den Rand zum Park landschaftlich entwickeln und darauf achten, dass Sichtbezüge gewahrt bleiben, etwa der Blick aus dem Kessel, dem Rosensteinviertel bis hin zum Kappelberg. Zudem muss der Stadtgrundriss, auf dieser Grundidee aufbauend, klar und streng schlüssig definiert sein, dann kann sich dazwischen alles Mögliche entfalten.

Der Stuttgarter Westen wird immer als Modell genannt. Eine Möglichkeit?
Ich würde den Westen oder das Heusteigviertel als Modelle für Urbanität nehmen, mit einer Dichte, die eigene innere Qualitätsgrenzen kennt, mit öffentlichen Räumen und Parks. Das könnte was werden.

Aber auf den Grundstücken am Hauptbahnhof liegt ein enormer Verwertungsdruck.
Wer drückt denn?

Die Investoren, die Malls bauen wollen.
Die kommen zur Stadt, der die Flächen ja gehören. Und dann? Der Druck wird höchstens ein innerer Druck sein, der auf den Gemeinderäten lastet. Wenn Sie Eigentümer eines Grundstücks sind, das kennen Sie von Erbengemeinschaften, dann erkennen Sie plötzlich: Halt mal, damit sind vielfältige Möglichkeiten verbunden, da können wir ja etwas mitgestalten. Und in dieser wunderbaren Position ist die Stadt doch. Wichtig ist, dass den Investoren ein verlässlicher Rahmen vorgegeben wird und die Stadt von vornherein klarstellt, was um des Ganzen willen nicht berührt werden darf. Dann geht das.

Wagen Sie eine Prognose. Wie wird Stuttgart in zehn, zwanzig Jahren aussehen?
Die Innenstadt wird sich weiter urbanisieren. Die Auffassungen der Wirtschaftswunderzeit in Form von monostrukturellen Einseitigkeiten werden sich mehr und mehr überholen. Wenn wir ein Mischungskonzept verfolgen, Wohnen, Arbeiten, Einkaufen wieder zusammenführen, dann ist das zukunftsfähig. Stuttgart hat da sehr gute Bedingungen, auch von der Grundhaltung der Menschen her, die hier wohnen und entscheiden. Ich finde es beruhigend, dass bestimmte Sachen in Stuttgart einfach nicht gehen. Zum Beispiel, dass man die Innenstadt mit Hochhäusern zupflastert. Das ist gut so. Wir haben eine wunderbare Talsituation, die unbedingt erhalten bleiben muss. Wenn Sie beispielsweise von der Wielandshöhe herunterschauen, dann sehen Sie, welches Kapital der durchgrünte Kesselrand ist. Und wenn Sie dann die Stadt unten liegen sehen – dann hat sie etwas zeitlos Schönes. Nur der Verkehr muss noch ein wenig mehr gebändigt, noch mehr urbanisiert werden.

Eine richtige Liebeserklärung an Stuttgart.
Ja, durchaus.

Noch eine persönliche Frage: Ihre Karriere hätte 2001 mit der von Ihnen damals angestrebten Leitung des Stadtplanungsamtes gekrönt werden können. Es kam aus parteipolitischen Gründen anders. Sie sind der Stadt trotzdem treu geblieben. Ohne Reue?
Das war für mich gar keine Frage. Es ist nicht so, dass ich keine anderen Möglichkeiten gehabt hätte, das war eine bewusste Entscheidung. Es haben mich Personen gebunden, bestimmte Milieus und die Stadt selbst als Aufgabe. Es ist einfach wunderschön, hier zu leben und zu arbeiten. An meinem Beispiel können Sie merken, welche Bindungskraft Stuttgart hat.