Wäre der neue Bahnhof wenigstens ein stattliches Gebäude in der Stadt, man würde sich damit abfinden, dass er für die spätere Umgebung so etwas wie ein architektonisches Vorbild sein könnte. Aber der richtige Bahnhof ist ja in Zukunft gar nicht zu sehen, nur seine Pickel, die wie die Augen eines unter Wasser liegenden Krokodils die Oberfläche durchstoßen. Diese Augen lauern in Erwartung einer Beute, wissen aber nicht, was sie zu erwarten haben.

 

Dabei ist das Jagdgebiet riesig – viel größer als das eigentliche Grundstück, auf dem die Krokodile sitzen. Denn alles hängt zusammen: von der Planie bis in den Unteren Schlossgarten, vom Kriegsberg bis zur neuen Ballettschule. Von unserem Körper wissen wir inzwischen, dass alles im Zusammenhang zu sehen ist. Wenn in der Heilbronner Straße eine Ampel ihren Dienst versagt, hat das Auswirkungen bis zum Stadtrand. Aber wenn die Folge von Plätzen und Straßen nicht stimmt, die Komposition der Stadt gar keine ist, weil sich ihre Töne wahllos aneinanderreihen, dann mag niemand langfristig dort wohnen, arbeiten oder sich einfach nur aufhalten. Der hilflose Vorschlag, ein Provisorium für die Oper auf dem Eckensee zu errichten, zeugt allein schon von dem Missverständnis, welchen Wert der öffentliche Raum in der Stadt hat.

Die Frage ist nicht, wie und was auf dem einzelnen Grundstück gebaut werden könnte, sondern wie die Räume der Stadt einmal gebauter Ausdruck unseres Gemeinwesens sein werden. Denn die Idee der Stadt sagt den Architekten, wie ihre Häuser auszusehen haben, und nicht umgekehrt. Deshalb muss die Idee der Stadt vor dem Haus da sein.

Visionen und Bilder

Wenn ich auf Weg zwischen Cannstatt und dem Bonatz-Bahnhof den Zug verlasse und an den Fotografien fremder und schöner Bahnhöfe vorbeikomme, mit denen die Bahn in den provisorischen Durchgängen zu den Gleisen die Unwirtlichkeit ihrer Anlage zu kaschieren versucht, steigen in meinen Erinnerungen die Bilder der zerstörten Stadt auf. Ruinen waren damals teilweise mit Plakaten bestückt. Bilder, die Mut machen sollten, Bilder, die Zukunft versprachen. Die meisten Aufnahmen, die heute den Blick auf das dahinter liegende Schlachtfeld verbergen, erzählen umgekehrt die Geschichte einer schönen vergangenen Architekturepoche. Die Menschen, die diese Prachtbauten errichteten, hatten Visionen und Bilder vor sich, wie die Stadt schöner werden könnte.

Was, frage ich mich dann, haben wir nun  vom Streit über oben und unten? Ist die Stadt dadurch schöner geworden oder wird sie es jemals werden? Verschießt das Pulver nicht dafür, recht zu haben oder weiterhin recht haben zu wollen. Beide Seiten! Und hört nicht gelangweilt weg, wenn das Thema 21 auf den Tisch kommt. Denn das eigentliche Recht, das wir in diesem Fall haben, ist das Recht der Bürger auf eine schöne Stadt.

Eigentlich ist das nichts Neues. Neu ist nur, überhaupt keinen Plan zu haben. Das neunzehnte Jahrhundert hatte einen Plan von Thouret, das zwanzigste gleich mehrere: von Bonatz bis Krier, von den Nazis bis hin zur ersten Euphorie über Stuttgart 21. Das war vor gut zwanzig Jahren. Damals mussten die Lokomotiven im Bahnhof noch umgekoppelt werden. Wer telefonieren wollte und schon ein Handy besaß, zog eine lange Antenne aus dem Gerät, um Empfang zu haben. Damals erhielt die Denkmalpflege einen Maulkorb, den Bahnhof zu schützen, denn durch die künftige Vermarktung der leeren Bahngrundstücke sah man schon das Manna vom Himmel fallen, das die Stadt beglücken würde.

Wie die Augen eines Krokodils

Wäre der neue Bahnhof wenigstens ein stattliches Gebäude in der Stadt, man würde sich damit abfinden, dass er für die spätere Umgebung so etwas wie ein architektonisches Vorbild sein könnte. Aber der richtige Bahnhof ist ja in Zukunft gar nicht zu sehen, nur seine Pickel, die wie die Augen eines unter Wasser liegenden Krokodils die Oberfläche durchstoßen. Diese Augen lauern in Erwartung einer Beute, wissen aber nicht, was sie zu erwarten haben.

Dabei ist das Jagdgebiet riesig – viel größer als das eigentliche Grundstück, auf dem die Krokodile sitzen. Denn alles hängt zusammen: von der Planie bis in den Unteren Schlossgarten, vom Kriegsberg bis zur neuen Ballettschule. Von unserem Körper wissen wir inzwischen, dass alles im Zusammenhang zu sehen ist. Wenn in der Heilbronner Straße eine Ampel ihren Dienst versagt, hat das Auswirkungen bis zum Stadtrand. Aber wenn die Folge von Plätzen und Straßen nicht stimmt, die Komposition der Stadt gar keine ist, weil sich ihre Töne wahllos aneinanderreihen, dann mag niemand langfristig dort wohnen, arbeiten oder sich einfach nur aufhalten. Der hilflose Vorschlag, ein Provisorium für die Oper auf dem Eckensee zu errichten, zeugt allein schon von dem Missverständnis, welchen Wert der öffentliche Raum in der Stadt hat.

Die Frage ist nicht, wie und was auf dem einzelnen Grundstück gebaut werden könnte, sondern wie die Räume der Stadt einmal gebauter Ausdruck unseres Gemeinwesens sein werden. Denn die Idee der Stadt sagt den Architekten, wie ihre Häuser auszusehen haben, und nicht umgekehrt. Deshalb muss die Idee der Stadt vor dem Haus da sein.

Visionen und Bilder

Wenn ich auf Weg zwischen Cannstatt und dem Bonatz-Bahnhof den Zug verlasse und an den Fotografien fremder und schöner Bahnhöfe vorbeikomme, mit denen die Bahn in den provisorischen Durchgängen zu den Gleisen die Unwirtlichkeit ihrer Anlage zu kaschieren versucht, steigen in meinen Erinnerungen die Bilder der zerstörten Stadt auf. Ruinen waren damals teilweise mit Plakaten bestückt. Bilder, die Mut machen sollten, Bilder, die Zukunft versprachen. Die meisten Aufnahmen, die heute den Blick auf das dahinter liegende Schlachtfeld verbergen, erzählen umgekehrt die Geschichte einer schönen vergangenen Architekturepoche. Die Menschen, die diese Prachtbauten errichteten, hatten Visionen und Bilder vor sich, wie die Stadt schöner werden könnte.

Was, frage ich mich dann, haben wir nun  vom Streit über oben und unten? Ist die Stadt dadurch schöner geworden oder wird sie es jemals werden? Verschießt das Pulver nicht dafür, recht zu haben oder weiterhin recht haben zu wollen. Beide Seiten! Und hört nicht gelangweilt weg, wenn das Thema 21 auf den Tisch kommt. Denn das eigentliche Recht, das wir in diesem Fall haben, ist das Recht der Bürger auf eine schöne Stadt.