Das Projekt „Salz und Suppe“ des Stadtplanungsamtes will unterschiedlichste Menschen am Esstisch zusammenbringen. Die sollen gemeinsam kochen und über aktuelle stadtpolitische Themen der schwäbischen Landeshauptstadt diskutieren. Bei dem Projekt sollen auch neue Formen der Bürgerbeteiligung getestet werden.
Stuttgart - Oscar Wilde sagte einst, nach einer guten Mahlzeit könne man allen verzeihen, sogar den Verwandten. Wer also Menschen zusammenbringen will, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen, der setzt diesen am besten ein wohlschmeckendes Mahl vor. Oder noch besser: Lässt sie dieses gemeinsam kochen.
Das haben sich die beiden Macher des Projektes „Salz und Suppe“ auch gedacht. Ulrich Dilger und Birgit Kastner vom Stadtplanungsamt wollen die Armen und Reichen, die Alten und Jungen, die Akademiker und Arbeiter in dieser Stadt an einen Tisch setzen. Dabei sollen sie diskutieren, über Mobilität, Stadtkultur, Verkehr, Wohnraum, Integration, Zusammenleben von Jung und Alt in der Stadt.
Die wärmende Suppe verbindet
Unterschiedliche Herkünfte und Meinungen können ja eine explosive Mischung sein. Daher soll es bei den Kochrunden ein verbindendes und besänftigendes Element geben: eine wärmende Suppe. „Die ist einfach zu machen. Niemand ist ausgeschlossen, der nicht gut kochen kann“, sagt die Soziologin Kastner. Ansonsten spiele es keine Rolle, ob ein Teilnehmer „Kaviar auftischt und ein anderer Dosenwurst.“ Langweilig soll es nicht werden. Die Hauptzutat sei die „Heterogenität der Teilnehmer“, so ihr Kollege Dilger. „Das ist gewissermaßen das Salz in der Suppe.“
Das Projekt ist ein Experiment. Die Stadt Stuttgart will damit einen stadtweiten Dialog über soziale, kulturelle und räumliche Grenzen hinweg initiieren. Die soziale Durchmischung der Bewohner sei ein wesentliches Merkmal einer nachhaltigen Stadtentwicklung, sagt der Stadtplaner und Geograf Dilger. Die Idealvorstellung ist, dass die Menschen nicht in sogenannten Banlieues leben wie in Paris. Es soll keine Gettos geben, weder für die Armen noch für die Reichen. Es fehle an Plattformen für den Austausch zwischen den Milieus.
Das wollen Dilger und Kastner mit „Salz und Suppe“ ändern und den Flüchtling, die Studentin, die Hausfrau oder den Manager an einen Tisch setzen. Unterstützung erhält das Projekt von der Nationalen Stadtentwicklungspolitik, einer Initiative von Bund, Ländern und Kommunen. Diese fördert eine nachhaltige Stadtentwicklung vor dem Hintergrund aktueller ökonomischer, ökologischer und gesellschaftlicher Herausforderungen in Städten und Gemeinden. „Salz und Suppe“ ist eines von 16 ausgewählten Projekten.
Bewerben darf sich jeder, der in Stuttgart lebt. Die Verantwortlichen wählen 54 Personen aus und teilen diese in neun Gruppen ein. Jeweils sechs Bürger aus einem Quartier bilden ein Kochteam, das sich vier Mal an Mittwochabenden im Juni mit einem Moderator trifft.
Gekocht wird bei den Teilnehmern zu Hause
Die einzelnen Teilnehmer können dabei Gastgeber bei sich zu Hause sein. Alternativ kann sich die Gruppe in einem Stadtteilzentrum treffen. Damit sich niemand in Unkosten stürzen muss, erhalten die Gastgeber eine finanzielle Unterstützung aus den Projektmitteln. Die Auftaktveranstaltung für alle Teilnehmer ist am Donnerstag, 12. Mai, in der Volkshochschule am Rotebühlplatz.
Auch zum Abschluss treffen sich alle Teilnehmer noch einmal mit dem Projektteam und ziehen eine Bilanz. Ein zweites Ziel des Projektes nämlich ist es, neue Formen der Bürgerbeteiligung zu testen. Die Ergebnisse der „Suppen-Stammtische“ wollen die beiden Koordinatoren deshalb festhalten und später in einem Buch veröffentlichen. Ende 2016 will man dies dann dem Gemeinderat präsentieren.
Nachbarschaftsprojekte gibt es inzwischen viele. „Im Prinzip ist es genau das, was wir auch machen“, sagt Carola Hägele, Leiterin des Gebrüder-Schmid-Zentrums im Generationenhaus Heslach. Sie hält das Projekt für eine wunderbare Ergänzung der eigenen Arbeit. Deshalb hat Hägele sich einverstanden erklärt, mit dem Generationenhaus als einer von neun Knotenpunkten zu fungieren. Im Café Nachbarschafft findet der Auftakt der Gruppe aus Süd und Degerloch statt. Es bestünde die Möglichkeit, dass die Kochabende ebenfalls dort stattfinde. „Das schließt die nicht aus, die im Rollstuhl sitzen oder daheim keine große Küche haben“, sagt Hägele.
Lobenswert findet sie, dass die Stadt ein Projekt initiiert, das eine lebendige Nachbarschaft fördere. „Quartiersarbeit hat viel mit Stadtplanung zu tun.“ Denn: „Die Menschen wollen miteinander leben und nicht nur einfach wohnen“, so ihre Erfahrung. Das zeigten bestehende Initiativen wie zum Beispiel das Quartiersprojekt „Heslach im Blick“, getragen vom Sozialamt und vielen Ehrenamtlichen, oder die Plattform „Deine Straße“, welche vier junge Frauen aus dem Süden privat derzeit starten.
Bisher wenig männliche Bewerber
Bis zum 31. März können sich Interessierte bewerben. Apropos Heterogenität: 80 Prozent der bisherigen Bewerber sind Frauen. Suppenkochende und diskussionsfreudige Männer sind also dringend gesucht. Man müsse kein Spitzenkoch sein, betont Kastner. Nur Tütensuppe gilt nicht.