Die Stadtteilbibliothek an der Überkinger Straße ist nicht barrierefrei. Vier Stufen versperren Rollstuhlfahrern und Kinderwagen den Weg. Vor dem Jahr 2018 wird sich an der Situation wohl nichts ändern.

Bad Cannstatt - Ein Blick auf die steile Treppe reicht. Zwar sind darauf Metallschienen angebracht, doch der Winkel macht es Rollstuhlfahrern unmöglich, sich alleine die Rampe hinaufzuschieben – und auch für einen Helfer alleine wird es schwer. Der Zugang zur Stadtteilbibliothek an der Überkinger Straße bleibt den meisten Menschen im Rollstuhl also verwehrt. „Die Situation ist eine Katastrophe“, sagt Alexandra Kirchner, die Leiterin der städtischen Einrichtung. Auch für Mütter mit Kinderwagen sei es schwierig, die vier Stufen zu überwinden, erzählt sie. Mit einem breiteren Zwillingswagen habe man auf den Schienen gar keine Chance.

 

Zwar gibt es einen Aufzug, der in den zweiten Stock führt, wo die Bücherei untergebracht ist. Aber um die ersten vier Stufen kommt eben keiner herum. Zudem ist der 2013 modernisierte Aufzug recht eng. „Wir haben immer nur mit Müh und Not in den Aufzug gepasst“, schreibt eine Mutter zu dem Thema auf der Facebook-Seite unserer Redaktion. „Mit einem Geschwisterkind wird es dann ganz kritisch“, berichtet eine Mitarbeiterin der Bibliothek. Und sie ergänzt, dass die Probleme schon draußen beginnen: „Ein Rollstuhlbus kommt nicht ins benachbarte Parkhaus Mühlgrün“, sagt sie. Er sei viel zu hoch. Darüber hätte sich kürzlich eine Gruppe beschwert, die die Stadtteilbibliothek besuchen wollte. Einen Behindertenparkplatz vor dem Haus gibt es nicht. Und auch die veralteten Toiletten seien alles andere als behindertengerecht, sagt die Leiterin Alexandra Kirchner.

2018 steht eine Veränderung an

Auch ihre Chefin Inka Jessen, die für alle Stadtteilbibliotheken in Stuttgart zuständig ist, findet die Situation der Bibliothek am Neckar unbefriedigend. „Wir können aber nichts dagegen tun, wir sind nur Nutzer, nicht Eigentümer“, sagt sie. Zuständig für die Räume der 17 Stuttgarter Stadtteilbibliotheken ist das Liegenschaftsamt der Stadt. Derzeit laufe keine akute Anfrage, ob es für Cannstatt nicht eine Lösung gebe, sagt Jessen. Im Gespräch sei man aber schon seit Jahren.

Vor dem Jahr 2018 wird sich an der Situation an der Überkinger Straße aber wohl nichts ändern. Auf Nachfrage berichtet das Liegenschaftsamt, dass in drei Jahren das Bezirksnotariat im ersten Obergeschoss des städtischen Gebäudes ausziehen wird. Dann sollen die Außenstellen der Musikschule und der Volkshochschule aus der Kreuznacher Straße an den Neckar ziehen. Das Gebäude dort ist umfassend sanierungsbedürftig. Wenn dieser Umzug ansteht, müsste dann laut Stadt auch das Thema Barrierefreiheit angegriffen werden.

Auch Lage und Publikum sind problematisch

Jedoch ist nicht nur die ein Problem, wie Inka Jessen berichtet. Obwohl sie zufrieden sei mit den am Neckar gelegenen Räumen und sich freue, dass die Stadt immer wieder investiere, sei die Lage des Gebäudes nicht ganz ideal. „Wir sind ein bisschen weit vom Schuss und schlecht zu finden“, sagt Jessen. In der Nachbarschaft gebe es zudem ein Männerwohnheim, dessen Bewohner die Stadtteilbibliothek immer wieder als Aufenthaltsort nutzen. „Das ist natürlich Sinn der Sache, wir sind ein öffentlicher Ort“, sagt Jessen. Ab und an gebe es jedoch Interessenskonflikte mit den anderen Besuchern der Bibliothek, wie sie es nennt. Mit dem Standort müssen sich die Mitarbeiter und die Besucher aber wohl bis auf Weiteres anfreunden: „Eine Standortverlagerung ist nicht geplant“, heißt es vom Liegenschaftsamt.

Als Verantwortliche für alle 17 Stadtteileinrichtungen in Stuttgart, weiß Inka Jessen, dass die Dependance in Bad Cannstatt nicht die einzige mit unüberwindbaren Hindernissen für Rollstühle, Kinderwagen oder Rollatoren ist. Von allen Bibliotheken „steht etwa ein Drittel gut da“, sagt Jessen. Man versuche, jedes Jahr eine Einrichtung zu sanieren. Das gelinge aber eben nicht immer, wenn das nötige Geld fehle.

Das Schlüsselwort Inklusion könnte Abhilfe bringen

Vielleicht steht aber schon bald eine neue Tranche Geld für die Stadtteilbibliotheken zur Verfügung. Das Kulturamt habe kürzlich angefragt, was die Büchereien künftig in Sachen Inklusion planen würden, erzählt Jessen. Das sei natürlich ein gelungener Anlass gewesen, das Thema Barrierefreiheit wieder auf den Tisch zu bringen. Denn bei der Inklusion gehe es nicht nur um Inhalte von Veranstaltungen in den Bibliotheken. Der Zugang für alle wäre natürlich die Grundvoraussetzung.

Das Liegenschaftsamt will der Bitte der Stadtbibliothek Folge leisten und im kommenden Doppelhaushalt Geld für die Prüfung der Standorte beantragen. Wenn das klappt, sagt Jessen, wäre die Bücherei in Bad Cannstatt ihrer Meinung nach „als eine der ersten an der Reihe“.