Die Stadtteilbibliothek in der Überkinger Straße besteht seit 50 Jahren. Doch schon in den 1930er Jahren gab es in Bad Cannstatt die Möglichkeit, Bücher auszuleihen.

Die Geschichte der Büchereien in Bad Cannstatt beginnt in einem Haus in der Sodener Straße unweit der heutigen Martin-Luther-Schule. Dort gab es schon in den 1930er Jahren eine Bücherei, deren Träger ein Büchereiverein war. Der erste Leiter war in den 1930er Jahren Alfred Jennewein (1893–1986). „Der Lehrer und Alpinist holte meinen Vater Herbert 1935 in diese Bücherei“, erinnert sich der 95-jährige Autor Egbert-Hans Müller. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs war er dort tätig. Dann wurde die Thekenbücherei, in der Bücherjungen die Bücher holten, von einem „Fräulein Röttgers“ weitergeführt, bis das Haus in der Sodener Straße samt Lesesaal einer Luftmine zum Opfer fiel.

 

1953 gab es in Bad Cannstatt dann eine erste städtische Freihandbücherei, die zuerst im Jugendhaus Bad Cannstatt in der Gnesener Straße mit dem Eingang in der Brenzstraße zu finden war. In den 1970er Jahren zog sie in den Anbau des Anna-Haag-Hauses, ab da unter dem offiziellen Namen Anna-Haag-Bücherei. Aufgebaut wurde diese von Herbert Müller. Eine Leserinitiative verhinderte zunächst deren Schließung. Am 26. November 1998 wurde die Bibliothek im Kneippweg 8 eröffnet, wo dann auch 60 Jahre Bücherei gefeiert wurde.

Bibliothek entstand nach Schließung der Mörike-Bücherei

Eine zweite, größere Bibliothek entstand 1973 direkt am Neckar. Der Grund: Als die letzte Thekenbücherei, die Mörike-Bücherei, in Stuttgart aufgelöst wurde, wurde eine Außenstelle der Stadtbibliothek in der Überkinger Straße gegründet. Die Mörike-Bücherei befand sich in der Silberburgstraße, sagt Müller, der dort schon als Sechsjähriger war. „Es war die älteste Bücherei in Stuttgart.“ Sie ist im Zweiten Weltkrieg ausgebrannt und wurde dann endgültig im Jahr 1973 geschlossen. Ihre Bestände gingen nach Bad Cannstatt zum Aufbau in die Überkinger Straße, die heutige Stadtteilbibliothek Bad Cannstatt mit eigenem Etat und insgesamt etwa 800 Quadratmetern. „Wir haben derzeit rund 44 000 Medien und 190 000 Ausleihen pro Jahr“, sagt Bibliothekschef Michael Reisser, der die Einrichtung seit 2020 leitet.

1973 von einem kleinen Team vorbereitet

Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hatte ein kleines Team 1973 die Eröffnung der neuen Bibliothek in Bad Cannstatt vorbereitet, sagt Reisser. Sieben Kolleginnen und ein Kollege kauften Tausende Bücher und katalogisierten sie, beschafften Mobiliar, richteten Büros und die Bibliothek ein. Kurz vor Weihnachten feierten die Beteiligten. Die Einrichtung öffnete nach der Jahreswende 1974 ihre Türen.

Viele Veranstaltungen mit Kultur, Malerei, Lesungen

Die Räume in der Überkinger Straße waren und sind mit Veranstaltungen gefüllt: Künstler stellten sich vor, einige Jahre war hier die Galerie Kunsthöfle, und auch Wilhelma-Maler stellten hier ihre Werke aus. Es gab stadtteilbezogene Veranstaltungen, auch mal die Eröffnung der Cannstatter Mundarttage, Lesungen und Musik.

Die erste Leiterin war bis 1998 Gudrun Kupka. Ab März 1998 kam Gabriele Baumgartner. Sie war bis 2013 da. Ihr folgte Alexandra Kirchner bis 2019. Und danach kam Michael Reisser, der einst bei Kupka sein Anerkennungspraktikum gemacht hat. Die Bibliothek habe schon relativ früh neue Medien integriert, von Videos, CD’s, DVD bis zu den Tablets und Tonies für Kinder. Aktuell zählt die Bibliothek 30 PC-Arbeitsplätze.

Aktuell gibt es 80 bis 90 Veranstaltungen im Jahr

Reisser blickt auf etwa 80 bis 90 Veranstaltungen im Jahr mit Schulen, Kindergärten und Lesungen. Mehr Flexibilität bietet der neu geschaffene Veranstaltungsraum. So können mehrere Gruppen gleichzeitig in die Bibliothek kommen. Als nächstes soll die Kinderbibliothek vergrößert werden und es sollen Bestände neu präsentiert werden. Reisser hofft, dass der Etat für Medien, Einkauf, Vermittlung und die Veranstaltungsarbeit nicht gekürzt wird.

Unter den elf Mitarbeitern kümmere sich eine Kollegin für Sonderaufgaben und Angebote für Geflüchtete. Nebst Multifunktionsraum für Veranstaltungen, Lesen, Lernen und Arbeiten wurde 2021 das Mobiliar samt Regalen, Lesecafé und Theken erneuert. Auch der Buchrückgabeautomat und die neue behindertengerechte Rampe am Eingang der Bibliothek vergrößern den Service. Das Jubiläumsprogramm beginnt am 26. September, am 19. Oktober gibt es einen Festakt.