„Warten auf Godot“ wird gerade am Konstanzer Stadttheater gespielt. Das kann bekanntlich lange dauern. Auf eine Sanierung des Gebäudes wartet das Ensemble schon mehr als 80 Jahre. Der Intendant spricht von einem Sicherheitsrisiko.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Konstanz - Manchmal kann auch eine Schülertheater-Aufführung historische Bedeutung erlangen. Zum Beispiel am 15. Oktober 1607, als einige Jesuitenschüler in der Aula ihres Gymnasiums ein Drama über den Heiligen Konrad aufführten. Weil in dem Gebäude gegenüber des Konstanzer Inselhotels seither regelmäßig Theater gespielt wird, erst von den Jesuiten, dann von wandernden Theatergruppen, schließlich von einem festen Ensemble, kann sich das Konstanzer Stadttheater heute rühmen, über die älteste, durchgängig bespielte Bühne Deutschlands zu verfügen. Doch man sieht dem Gebäude die Jahre zunehmend an. Selbst von Touristen sei er schon auf den beklagenswerten Zustand des Gemäuers angesprochen worden, sagt der Intendant Christoph Nix, der jetzt einen Notruf ausgesendet hat: „Das älteste Theater Europas verfällt“, formulierte er medienwirksam. Die Stadt wolle ihr „kulturpolitisches Juwel nicht pflegen“.

 

Das Krokodil muss über die Treppe

Tatsächlich wird der Zustand des zuletzt im Jahr 1934 (!) generalsanierten Gebäudes auch nach Ansicht seines Technischen Direktors Holger Bueb allmählich zum Sicherheitsrisiko. Es gebe keine schriftlich fixierten Fluchtpläne, der Brandschutz sei zweifelhaft, in vielen Bereichen werde seit Jahrzehnten mit Zuruflösungen gearbeitet. Neulich wäre Bueb fast selbst zum Opfer der Unzulänglichkeiten geworden, als er in den Lastenaufzug treten wollte und beinahe in den Schacht gefallen wäre. Das irgendwann nachträglich eingebaute Vehikel war aus unerfindlichen Gründen ein Stockwerk zu weit nach unten gefahren, die Türe zum Schacht hatte sich trotzdem geöffnet. Aus dem Bauamt kam daraufhin der hilfreiche Tipp, den Aufzug vorerst zu meiden. Zwei Sofas, ein lebensgroßes Pappkrokodil und die Zimmerkulisse für die nächste Premiere mussten über die Treppe geschleppt werden.

Im Rathaus hört man die Kritik aus dem Theater gar nicht gerne. Nix solle den Ball flach halten, warnte Oberbürgermeister Ulrich Burchardt (CDU) seinen Intendanten über die sozialen Netzwerke. Bei der Stadtverwaltung ist man nämlich der Meinung, dass die Mittel für den Haushalt des Theaters einvernehmlich festgelegt worden seien. Zudem: In einem denkmalgeschützten Theater müsse nunmal mit gewissen Einschränkungen gelebt werden. Es könne keine Rede davon sein, dass das Haus „absichtlich vernachlässigt“ werde.

Die nächste Retourkutsche

Warum sollte die Stadt das auch tun? Vielleicht, weil sie Nix’ vielfältiges Engagement längst als Quertreiberei empfindet. Ständig gibt es Reibereien zwischen dem Intendanten, der sich selbst ein bisschen als außerparlamentarische Opposition empfindet, und dem Rathaus. So warf Nix dem OB wie auch dem Bau- und dem Kulturbürgermeister Untätigkeit vor, als eine Drogeriemarktkette das Programmkino Scala vertrieb.

Folgerichtig wurde Nix zum Jahresbeginn sein 2020 auslaufender Vertrag trotz guter Zuschauerresonanz auf Betreiben des Kulturbürgermeisters Joachim Osner (SPD) nicht wie gewünscht um ein Jahr verlängert. Der 64-Jährige rächte sich umgehend mit der Absage der Landestheatertage. Der Verzicht auf Investitionen in das Gebäude könnte demnach die nächste Retourkutsche sein, vermutet Nix.

Nur ein Streit unter Männern?

Alles sei wohl ein Streit unter Männern, die sich wie Dreijährige aufführten, vermutet die Lokalpresse, wobei diese Darstellung, zumindest was Nix betrifft, nicht ganz gerecht ist. Denn ihm geht es bei der Sanierung um die Sache. Und er wähnte sich sogar schon am Ziel. Der Bund war bereit, Haushaltsreste für die millionenschwere Sanierung zur Verfügung zu stellen. Die Verhandlungen mit den Verantwortlichen im Haushaltsausschuss verliefen vielversprechend. Der Kulturbürgermeister hätte nur noch einen Antrag stellen müssen. Doch der kam nicht.

Das Geld sei schon weg gewesen, heißt es aus dem Rathaus. Doch auch in Berlin erfährt man die Version des Intendanten. Es sei einfach kein Antrag gekommen. „Da mussten wir das Geld anders vergeben. Herr Nix tat uns schon ein bisschen leid“, erinnert sich ein Bundestagsabgeordneter, der nicht namentlich genannt werden will. Immerhin: dass nach 80 Jahren mal wieder etwas getan werden könnte, hat auch die Stadtspitze eingesehen. Innerhalb der nächsten zehn Jahre sei die Sanierung fällig. Da herrsche Konsens, sagt der Sprecher der Stadt, Walter Rügert. Diesen Erfolg kann dann die bereits gewählte Nachfolgerin des Intendanten für sich verbuchen. womöglich aber nur, falls sie sich nicht zu kritisch zur Stadtpolitik äußert.