Jens Bauer wäre nie auf diese Idee gekommen, hätte er nicht Freunde mit einem Wohnmobil. „Du hast doch so schöne Flächen, mach’ was!“, sagten sie. Also heuerte der Obst-und Weinbauer aus Stuttgart-Bad Cannstatt einen Architekten an, der ihm einen Plan für drei Wohnmobilstellplätze in seiner Apfelbaumplantage zeichnete. „Das ist eine Superidee für die Europameisterschaft“, dachte er sich. Fußballfans hätten bei ihm kostenlos übernachten können und dafür vielleicht Wein oder Äpfel gekauft. Apfelparadies heißt sein Betrieb. „Wenn man hier mitten in der Stadt bei Vogelgezwitscher aufwacht – etwas Schöneres gibt es doch nicht“, sagt er auf der grünen Wiese. Die Mitarbeiter vom städtischen Baurechtsamt waren jedoch anderer Ansicht.
Stuttgart ist ein weißer Fleck auf der Karte
Landvergnügen heißt die App, die Wohnmobilisten den Weg zum nächsten Landwirt mit Kurzzeitcamping weist. Mit ihrem autarken Wohnmobil dürfen die Besucher 24 Stunden bleiben. In Deutschland sind mehr als 2000 Bauernhöfe und Weingüter dabei, Stuttgart ist auf der Karte ein weißer Fleck. In einem Fachmagazin für die Agrarbranche wird das Parken über Nacht, für das weder ein Strom- noch ein Wasseranschluss nötig sind, als „attraktives Zubrot“ angepriesen. In Baden-Württemberg seien die Vorschriften dafür „entrümpelt worden“, hatte Bauer darin gelesen. In die Idee investierte er 900 Euro, den Plan reichte er beim Baurechtsamt ein. Noch genauere Skizzen sollte er nachreichen sowie eine Nutzungs- und Betriebsbeschreibung, stand im Antwortschreiben. Einen Satz markierte er in Leuchtfarbe: „Generell kann einer Nutzung der Stellplatzflächen und der Anlegung der Flächen im Außenbereich nicht zugestimmt werden“.
Jens Bauer bezahlte daraufhin noch einmal 146 Euro für das Zurückziehen seines Antrags. „Das ist unser Vermarktungsproblem, uns sind überall die Hände gebunden“, sagt er. Zum Erhalt der Landwirtschaft seien Wiesen, Felder und Weinberge auf städtischer Gemarkung zum Landschaftsschutzgebiet erklärt worden. Aber dadurch ist so gut wie alles verboten. Dazu zählt das Aufstellen von Schildern oder einer Ausschankhütte, dazu zählen Veranstaltungen oder Neubauten. Die Familie Schwarz aus Untertürkheim will beispielsweise seit Jahren das im Ortskern eingepferchte Weingut aussiedeln, findet jedoch keine Fläche. „Sehr schwierig“ lautete die einzige Rückmeldung von der Wirtschaftsförderung und den Ämtern, berichtet Stefanie Schwarz. Jenseits der Stadtgrenze duften Kollegen expandieren.
Die Stuttgarter Winzer haben sich deshalb zum Weinkollektiv zusammengetan. „Geschlossen und mit einer gemeinschaftlichen, starken Stimme“ wollen die 37 Betriebe „für ihre Anliegen gegenüber Entscheidungsträgern und der Politik“ auftreten. Denn der Weinbau stehe vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen. „Die Vermarktung wird für uns immer wichtiger, ein zweites Standbein neben dem Weinbau“, sagt die Kollektivsprecherin Stefanie Schwarz. Gastronomie, Tourismus und Veranstaltungen zählt sie auf. „Stuttgart hat mit dem Weinbau einen so großen Trumpf und ein so großes Potenzial“, appellieren sie an die Stadtverwaltung. Von einem Ausschank wie dem der Luitenbächer Höhe im Remstal träumen die Winzer unter anderem, der jedes Wochenende von einem anderen Weingut bedient wird. Das Umweltamt hat ein Konzept eingefordert. „Wir sind verhalten optimistisch“. sagt Stefanie Schwarz.
Statt Gastfreundschaft strikte Ablehnung
Seine Idee für die Wohnmobilstellplätze hat Jens Bauer längst abgehakt. Es wären die ersten in Stuttgart gewesen. Die Camper müssen außerhalb übernachten, in Fellbach beim Schwimmbad F 3 oder in Sindelfingen auf dem Parkplatz am Freibad wären die nächsten Möglichkeiten. Dabei sei Stuttgart eine Reise wert, nicht nur zur Europameisterschaft, auch sonst lockten die Automuseen, die Wilhelma und der Wasen die Touristen an, findet der Obst- und Weinbauer, der Mitglied in der Genossenschaft Collegium Wirtemberg ist, die zum neuen Weinkollektiv gehört. „Ich würde gerne zur Gastfreundschaft beitragen“, sagt Bauer, „aber die Ablehnung ist so strikt. Man braucht nie wieder einen Antrag zu stellen.“