In Zeiten des Klimawandels sind Fichten auf dem Rückzug. Stürme und Borkenkäfer haben ihre Zahl auch im Stadtwald in Ostfildern dezimiert. An ihre Stelle treten nun wärmeliebende Baumarten.

Ostfildern - Der starke Regen kümmert die Männer mit den Motorsensen nicht. Reihe für Reihe arbeiten sich die zwei Waldarbeiter vor und befreien die kleinen zarten Pflänzchen von wuchernden Brombeersträuchern. Würden die Männer die jungen Baumkulturen nicht ausmähen, sie würden irgendwann von den brusthohen Sträuchern überwachsen. Wenn sich im Winter gar noch eine Schneedecke auf sie legen würde, so würden die Bäumchen im Ostfilderner Stadtwald unter dieser Last erdrückt.

 

Der Forstrevierleiter Albrecht Schöllkopf steht im Regen und überblickt den seltsam anmutenden Wald aus milchig blauen Wuchsschutzhüllen. In jeder der 1400 Kunststoffhüllen steckt ein künftiger Baum. 1350 Eichen und 50 Linden haben er und seine Mitarbeiter gepflanzt, weitere 600 bereits vor zwei Jahren. Bis die Bäume groß und stark genug sind, um sich gegen die stacheligen Fangarme der Brombeerbüsche zu behaupten, werden Arbeiter sie noch die kommenden fünf Jahre ausmähen müssen.

Die Wurzeln vieler Fichten halten Stürmen nicht stand

0,6 Hektar, also fast so groß wie ein Fußballfeld, ist die Fläche am Möhringer Weg, die bis vor Kurzem noch kahl lag. „Das ist ungewöhnlich groß. Normalerweise forsten wir Flächen auf, die weitaus kleiner sind“, sagt Schöllkopf. Er habe ein richtiges „Mammut-Pflanzprogramm wie seit Jahren nicht mehr“, denn neben dem Stadtwald zwischen Stuttgart-Heumaden und Ruit hat der Förster auch in Denkendorf zwei noch größere Waldflächen mit jeweils einem Hektar, die aufgeforstet werden.

Trockenheit und Stürme haben den Baumbestand in den vergangenen Jahren vielerorts dezimiert. Das Nachsehen haben vor allem die Fichten, die das Waldbild bisher prägten. Ihre flachen in den oberen Bodenschichten wachsenden Wurzeln halten Stürmen nicht stand, und in trockenen Jahren hat der Borkenkäfer leichtes Spiel. „Probleme machen hier zwei Arten, der Buchdrucker und der Kupferstecher. Die gehen nur an die Fichten“, erklärt der Förster. Dank dem Klimawandel sind diese Phänomene eben nicht mehr die Ausnahme.

Eiche spielt bei der Wiederaufforstung eine große Rolle

Seit 2007 beschäftigt sich die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg in Freiburg intensiver mit den Auswirkungen der klimatischen Veränderungen auf die heimischen Wälder. 2010 wurden schließlich sogenannte Baumeignungskarten präsentiert. Demnach eignet sich die Fichte nur noch an wenigen Stellen. „Die Fichte wird uns aber nicht nur vom Waldbild her fehlen. Sie war auch unser Brotbaum“, erklärt er. Da man zum einen den Nadelholzanteil nicht verschwinden lassen möchte, aber eben auch an die Holzindustrie denken müsse, ersetzt vielerorts die Douglasie die heimische Fichte. Das nordamerikanische Nadelgehölz wird umgangssprachlich als Douglastanne oder -fichte genannt und verträgt auch mehr Trockenheit.

Weshalb der Eiche bei der Wiederaufforstung in Zeiten des Klimawandels auch eine wichtige Rolle zukommt, liegt daran, dass auch sie als klimastabil gilt. „Eichen kommen mit der Trockenheit und dem Standort hier gut zurecht“, erklärt Albrecht Schöllkopf. Auch wachse ihre Pfahlwurzel in die Tiefe. Bei den gerade einmal 50 Zentimeter kleinen Pflanzen im Stadtwald ragt die Wurzel laut Schöllkopf bereits 30 Zentimeter in die Tiefe.

Ein regelrechter Wachstumsbeschleuniger sind die Wuchsschutzhüllen, die sie nicht nur vor hungrigen Rehen schützen. Für das Wild liegen die zarten Gipfeltriebe wie auf einem Präsentierteller. Ohne die Hüllen würden die Tiere die Knospen einfach abfressen. „Die Wuchshülle ist wie ein Gewächshaus. Sie schützt die Pflanzen vor direkter Sonne und hält die Feuchtigkeit.“ So wachsen die kleinen Pflanzen besser an und sind stabiler. In zwei Jahren werden die Eichen laut dem Förster gut 70 Zentimeter groß sein, in zehn Jahren bereits fünf Meter. Dann sieht es bereits nach Wald aus. Am Ende, so hofft Schöllkopf, sollen sie im Stadtwald stolze 150 Jahre alt werden.