Die Sindelfinger Stadtwerke werden 20 Jahre alt – entgegen jeder und auch prominenter Prophezeiung.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Sindelfingen - Die Entscheidung war keine ganz einsame, aber zumindest eine gegen den Trend. Vor 20 Jahren hat der Gemeinderat der Stadt Sindelfingen sich für die Gründung von Stadtwerken entschieden. Dies gegen den Rat von höchster Stelle. Selbst der einstige Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte einst prophezeit, dass Stadtwerke im Wettbewerb der Konzerne ein Auslaufmodell seien.

 

Demgemäß strebten andere Städte, allen voran Stuttgart, seinerzeit eine eilige Privatisierung ihrer Energieversorgung an. Über den Wunsch ostdeutscher Kommunen, sich selbst zu versorgen, musste sogar das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Es entschied für die Kommunen.

Inzwischen hat auch die Landeshauptstadt wieder ihre Stadtwerke – wenn auch mit eher mäßigem Geschäftserfolg. Anders als in Sindelfingen: „Es gab leichte Dellen, aber wir liegen konstant bei etwa vier Millionen Euro“, sagt der Geschäftsführer Karl Peter Hoffmann. Gemeint ist der Überschuss pro Jahr. Besser verbildlicht allerdings die Mitarbeiterzahl die Geschäftsentwicklung der zwei Jahrzehnte. Sie stieg von anfangs 35 auf heute mehr als 100.

Gewinnmaximierung ist nicht der Maßstab

Denn Gewinnmaximierung ist nicht der Maßstab, nach dem Hoffmann und sein Co-Geschäftsführer Gebhard Gentner die Stadtwerke leiten. Die Stadt Sindelfingen hält seit 2012 die Mehrheit an der GmbH. Am Unternehmen beteiligt sind außerdem die Stadtwerke Schwäbisch Hall und als kleinster Gesellschafter die EnBW. Der Umweltschutz zählt zu den festgeschriebenen Zielen der Stadtwerke. Die Fernwärme ist ein festes Standbein. Aktuell investiert das Unternehmen in die Verlegung von Glasfaserkabeln. Die Preise für die Kunden könnten höher sein, aber sie sollen nicht. „Wir sind am Markt immer im guten Mittelfeld“, sagt Hoffmann. Mit ihren Gewinnanteilen sind die Gesellschafter dennoch zufrieden, jedenfalls mehrheitlich.

„Man muss seine Stärken und Schwächen analysieren und dann sein eigenes Ding machen.“ So beschreibt der Geschäftsführer sein Erfolgskonzept. Dafür steht mit seinem Namen der zumindest einst bundesweit bekannte Energiemanager Johannes van Bergen. Auch in Sindelfingen schien Ende der Neunziger die private Energieversorgung beschlossen. Bis van Bergen, damals Geschäftsführer der Stadtwerke Schwäbisch Hall, zu einer Rede vor dem Gemeinderat anreiste. Zwei Stunden lang polterte er gegen jeden, der gedachte, die kommunale Versorgung Konzernen zu überlassen. Danach fiel der Beschluss gegen die Privatisierung, wenn auch knapp: mit 24 gegen 17 Stimmen.

Andere Entscheidungen fielen ebenfalls gegen Widerstände

Andere Entscheidungen fielen ebenfalls gegen Widerstände. „Fernwärme lag damals auch nicht im Trend“, sagt Hoffmann. Trotzdem verbanden die Stadtwerke ihr Netz nicht nur mit dem Müllkraftwerk im Böblinger Wald, sondern auch mit dem Heizkraftwerk von Daimler. Andernorts herrscht Dauerstreit wegen der Preise für die Zwangsversorgung mit Fernwärme, nicht zuletzt in Böblingen. In Sindelfingen kann hingegen die große Mehrzahl der Kunden über die Art ihrer Wärmeversorgung frei entscheiden, auch in den Fernwärmegebieten. Seit 2009 verbindet die beiden Nachbarstädte eine gemeinsame Tochtergesellschaft, ebenfalls trotz Argwohn „wenn auch nicht von Sindelfinger Seite“, wie Hoffmann sagt. Die Skepsis hat sich längst gelegt, denn „auch diese Gesellschaft hat sehr gute Ergebnisse“.