Im OB-Wahlkampf spielt die Energiewende kaum eine Rolle – dabei sind bei den neu gegründeten Stadtwerken Stuttgart viele Fragen offen. Der Stromvertrieb beginnt vermutlich um die Jahreswende; gerade wird die neue Geschäftsstelle im Tagblattturm renoviert.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Wie sich die neuen Stadtwerke Stuttgart ausrichten werden, das wird in den nächsten Jahren zu den wichtigsten politischen Themen in Stuttgart zählen. Viele Fragen sind ungeklärt. Behält die Energie Baden-Württemberg (EnBW) beim Betrieb der Netze einen Fuß in der Tür? Wie und wo wird Stuttgart in die Erzeugung grünen Stroms einsteigen? Und wie wird die Stadt die Bürger dabei unterstützen, Strom zu sparen und das Klima zu schützen? Im OB-Wahlkampf aber wird kaum über die Stadtwerke gesprochen. Weder fragen die Bürger nach noch haben die Kandidaten das Thema auf einen vorderen Rang ihrer Agenda gesetzt.

 

Das liegt vielleicht daran, dass sich zumindest die aussichtsreichen Kandidaten in ihrer grundsätzlichen Ansicht ähneln; es fällt allen deshalb schwer, politisches Kapital aus einer Energiedebatte zu schlagen. Fritz Kuhn, Hannes Rockenbauch, Sebastian Turner und Bettina Wilhelm vertreten alle die Meinung, dass die Stadt die Energieversorgung selbst übernehmen sollte. Mit der Gründung der Vertriebsgesellschaft der Stadtwerke im Juli sind in diesem Punkt bereits Tatsachen geschaffen.

Im Detail gibt es große Unterschiede bei den OB-Kandidaten

Wichtige Unterschiede gibt es dennoch. Sebastian Turner, der von CDU, Freien Wählern und FDP unterstützt wird, betont in Interviews und auch im Wahlprogramm gerne, dass ihm die Versorgungssicherheit gerade für die Industrie am wichtigsten sei – die Ziele der Energiewende kommen für ihn damit erst in der Folge. Daneben müssten die Stromnetze möglichst groß sein, um Schwankungen abfedern zu können – ein alleiniger Betrieb des Stuttgarter Stromnetzes durch die Stadtwerke ließe sich damit nur schwer vereinbaren. Bettina Wilhelm, die Kandidatin der SPD, will dagegen tendenziell genau dies: In einer Übergangszeit bräuchten die Stadtwerke wohl einen Partner, der das Know-how einbringt; später sollten die Stadtwerke aber zu hundert Prozent kommunal sein.

Hannes Rockenbauch (SÖS) geht noch einen Schritt weiter: Er sähe am liebsten, wenn die Stadtwerke sogar ein kommunaler Eigenbetrieb wären. Fritz Kuhn (Grüne) legt vor allem Wert darauf, dass die Stadtwerke die Energiewende in Stuttgart voranbringen: Dazu gehören nicht nur der Bau von eigenen kleineren Kraftwerken, sondern auch Anstrengungen beim Einsparen von Strom. Der Bürgerverein „Kommunale Stadtwerke“ hat die Positionen der Kandidaten gesammelt und im Internet unter www.kommunale-stadtwerke.de veröffentlicht.

Die Stadtwerke werden nur grünen Strom verkaufen

Vielleicht lassen die OB-Kandidaten das Thema auch deshalb links liegen, weil der künftige OB vorerst beim Ausbau der Stadtwerke wenig Einflussmöglichkeiten haben wird. Beim Stromverkauf ist alles beschlossene Sache: Gemeinsam mit dem Partner aus dem Schwarzwald, den Elektrizitätswerken Schönau (EWS), wollen die Stadtwerke demnächst an den Start gehen. Klar ist, dass nur grüner Strom angeboten wird. Eigentlich hätten die Bürger schon jetzt zu den Stadtwerken wechseln können, aber es müsse zunächst noch die Geschäftsstelle neben dem Tagblattturm renoviert und die Mitarbeiter eingelernt werden, sagt Stadtwerke-Sprecher Jörg Klopfer. Spätestens zum 1. Januar solle es losgehen.

Das Verfahren, wer künftig die Stromnetze in Stuttgart betreiben darf und wer vielleicht Partner der Stadtwerke werden könnte, ist ebenfalls am Laufen – Ende 2013 läuft der Vertrag mit der EnBW aus. Acht Unternehmen haben ihr Interesse gekundet. Darunter sind natürlich die Stadtwerke Stuttgart, auch wieder die EnBW. Zu den Interessenten gehören zudem die EWS in Kooperation mit den Stadtwerken Schwäbisch Hall, der kommunale Konzern Thüga AG oder der Versorger Veolia, der in Norddeutschland sehr stark ist.

Am Mittwoch wird der Verwaltungsausschuss des Gemeinderates entscheiden, welche Unternehmen aufgefordert werden, ein konkretes Angebot abzugeben; nach den OB-Wahlen werden dann alle Firmen zu einer je dreistündigen Vorstellung eingeladen. Im März 2013 soll der endgültige Beschluss fallen. Der Zeitplan ist eng, denn schon zum 1. Januar 2014 sollen die Netze in die neuen Hände kommen. In Ludwigsburg und in Göppingen kann man aber derzeit beobachten, dass die EnBW vereinbarte Übergabetermine nicht einhält: Es sei sehr aufwendig, die Netze zu entflechten, so deren Begründung. Die Städte dagegen sind stinksauer.

Die EnBW stößt den Gemeinderat beim Wassernetz vor den Kopf

Überhaupt ist es interessant, wie die EnBW gerade in Stuttgart agiert. Sie hat einerseits größtes Interesse daran, zumindest als Juniorpartner beim Netzbetrieb im Stuttgarter Boot zu bleiben. Vor einiger Zeit hat die EnBW deshalb eine Charmeoffensive mit Bürgerführungen und großen Werbeanzeigen begonnen. Andererseits stößt sie gerade den Stuttgarter Gemeinderat kräftig vor den Kopf: Zum 1. August hat die EnBW den Wasserpreis um fast zehn Prozent erhöht; und bei den laufenden Verhandlungen beim Wassernetz hat das Unternehmen die vierfache Summe dessen verlangt, was die Stadt zu zahlen bereit ist – ein Verfahren vor Gericht wird immer wahrscheinlicher. Selbst die CDU, die sich grundsätzlich eine Partnerschaft mit den EnBW gut vorstellen könnte, stört sich an diesem Auftreten in Platzhirschmanier.

Zurückhaltung hat sich die EnBW aber bei der Art ihres Werbens im Rathaus auferlegt. Aus anderen Städten hörte man oft, dass die EnBW-Vertreter dem Gemeinderat Zusatzangebote oder einen hohen Zinssatz versprachen. Der Bürgermeister von Neckartenzlingen (Kreis Esslingen) hatte im Juli sogar Strafanzeige gestellt, weil er sich von einem EnBW-Berater extrem bedrängt fühlte. Die Staatsanwaltschaft nimmt die Anzeige ernst; ein Bericht werde aber erst im März vorliegen, so Pressesprecherin Claudia Krauth. In Stuttgart bleibt es dagegen ruhig – alle Gemeinderäte versichern, dass die EnBW nur die übliche Lobbyarbeit mache. Wie auch immer: Das Vergabeverfahren wird spannend.