Die Stadtwerke Stuttgart kommen. Lokale Initiativen kritisieren aber vehement das Verfahren bei der Suche nach einem Vertriebspartner.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Die Stadtwerke Stuttgart kommen – das ist für die meisten Bürger eine positive Entwicklung. Vielleicht aus diesem Grund hört man in der Öffentlichkeit kaum Kritik am Gründungsprozess. Dabei gäbe es viele Punkte, die zumindest eine Diskussion wert wären. In welche erneuerbaren Energien sollen die Stadtwerke investieren? Wie wichtig ist die Rendite? Und soll die Stadt auch die Netze zurückkaufen und selbst betreiben?

 

Eine kleine Schar von Kritikern ist allerdings sehr wohl bemüht, sich Gehör zu verschaffen, zum Beispiel der „Verein zur Förderung kommunaler Stadtwerke“ um Michael Fuchs oder die „Aktion Stadtwerke“ um Barbara Kern. „Es war lange schwer, neben Stuttgart 21 ein zweites kommunales Thema zu platzieren“, versucht Barbara Kern zu erklären, warum sie kaum wahrgenommen werden. Beide Gruppierungen haben nur einige Dutzend Mitglieder. Zwar polarisieren sie häufig mit ihren Positionen; was man ihnen aber nicht absprechen kann, ist ein immenser Sachverstand in der überaus komplizierten Materie Energie.

Wie soll die Marke „Stadtwerke“ aussehen?

Michael Fuchs hat schon mit dem grundsätzlichen Prozedere bei der Gründung der Stadtwerke Stuttgart seine Schwierigkeiten. So sei für 400 000 Euro ein Gutachten erstellt worden, wie die Stadtwerke bei Strom, Gas und Wasser verfahren sollen. Herausgekommen sei, dass alle praktikablen Varianten etwa gleich gut abschneiden: „Dieses Gutachten bewegt sich auf so theoretischer Ebene, dass man ganz wenig damit anfangen kann“, sagt Fuchs. Viel wichtiger wäre gewesen, sich zu überlegen, wie die Marke Stadtwerke aussehen solle und wie das Unternehmen ein unverwechselbares Profil schaffe, das den Bürgern Lust mache, die Energie bei diesen Stadtwerken zu kaufen.

Partnerwahl beim Strombetrieb

Das sei nicht geschehen, meinen die Kritiker, wie man derzeit sehen könne: In wenigen Tagen beschließt der Aufsichtsrat der Stadtwerke, welchen Partner sie beim Stromvertrieb mit ins Boot nehmen wollen – doch die drei Bewerber seien vollkommen unterschiedlich, so Fuchs. Die Elektrizitätswerke Schönau seien ein kleines Unternehmen voller Ideale, das die Energiewende voranbringen wolle und die Rendite auch mal hinten anstelle. Die Thüga AG sei ein Großkonzern, der seinen Anteilseignern kräftigen Gewinn verspricht – zuletzt waren es acht Prozent. Und die Stadtwerke Aachen stehen für ein lokal verwurzeltes Unternehmen mit vielen neuen energiepolitischen Ansätzen. Was aber wollen eigentlich die Stadtwerke Stuttgart, fragt sich Michael Fuchs. Zudem kritisieren die Bürgerinitiativen, dass das Auswahlverfahren nicht transparent gestaltet worden sei. Es seien keine Kriterien veröffentlicht worden, an denen sich die Bewerber messen lassen mussten.

Nein zu Atomstrom

Bürgermeister Michael Föll (CDU) weist diese Kritik zurück. Natürlich gebe es Kriterien: Der Partner soll nur Strom aus erneuerbaren Energien liefern, er dürfe keinen Atomstrom im Portfolio haben, und der Einfluss Stuttgarts müsse sichergestellt sein. „Alle großen Energiekonzerne waren daher ausgeschlossen“, so Föll. Die Unterschiedlichkeit der drei Bewerber sieht er gerade als Vorteil: „Jeder steht für ein bestimmtes Konzept. Wir haben die ganze Bandbreite an Möglichkeiten.“

Auch in energiepolitischer Hinsicht sind die Bürgerinitiativen mit der Stadt Stuttgart alles andere als zufrieden. So sieht es Barbara Kern als verheerend an, dass die Stadtwerke die Kraft-Wärme-Kopplung als Geschäftsfeld ausgeschlossen haben: „Dabei liegt darin ein Schlüssel zur Schaffung dezentraler Strukturen“, sagt Kern. Föll kontert: Es sei nicht sinnvoll, Fernwärme-Leitungen zu erwerben, wenn man die Kraftwerke dazu nicht besitze – so bleibe man abhängig. Er ziehe es vor, in Stadtteilen ohne bestehendes Fernwärmenetze neue Konzepte zu entwickeln.

Wer das Netzt hat, hat die Macht

Barbara Kern von der „Aktion Stadtwerke“ kämpft aber vor allem darum, dass die Stadt die Netze kauft und alleine betreibt – denn wer das Netz hat, habe die Macht im Energiemarkt, sagt sie. Mit ihren Mitstreitern hat sie deshalb eine Unterschriftenaktion eingeleitet, die in ein Bürgerbegehren münden soll. Rund 28 000 Unterschriften sind gesammelt, am 14. Februar werden sie übergeben: So wollen die Bürger verhindern, dass die Stadt vermutlich noch in diesem Jahr einen Kooperationsvertrag mit der EnBW abschließt – denn dann würden die Verhältnisse wieder auf 20 Jahre zementiert, befürchtet Kern. Die große Zahl der Unterschriften zeigt übrigens, dass doch recht viele Menschen das Thema Energie für wichtig halten: „Man muss sie aber gezielt ansprechen“, so Kern.

Der Verein „Kommunale Stadtwerke“ will nun zumindest mit einer Vortragsreihe eine Debatte anstoßen – dafür dürfen sie sogar in den Sitzungssaal des Rathauses. Vom heutigen Mittwoch an sprechen alle zwei Wochen immer um 19 Uhr Experten und Praktiker. Nicht unter den Rednern ist übrigens der Geschäftsführer der Stadtwerke Stuttgart, Martin Rau. Er hat auf eine Anfrage hin abgesagt.

// Mehr Informationen finden Sie unter

www.kommunale-stadtwerke.de; www.aktion-stadtwerke-stuttgart.de