Die Wirtschaft könnte bald unter den enormen Immobilienpreisen und Mietsteigerungen in Stuttgart leiden. Das ist die Einschätzung von Stefan Kippes, dem Leiter des Marktforschungsinstituts des Immobilienverbands Deutschland.
Stuttgart - Die Wirtschaft könnte bald unter den enormen Immobilienpreisen und Mietsteigerungen in Stuttgart leiden. Zu dieser Einschätzung gelangt Stephan Kippes, der Leiter des Marktforschungsinstituts des Immobilienverbands Deutschland (IVD). „Menschen mit durchschnittlichen und geringen Einkommen haben es schwer, in der Stadt noch eine Wohnung zu finden. Somit wird es den Unternehmen an Personal fehlen“, prophezeit Kippes. Schuld an dieser Misere seien sowohl Politik als auch Wirtschaft.
„Früher haben etwa DAX-Unternehmen und andere Konzerne Werkswohnungen angeboten“, betont der Verbandsvertreter. Die Unternehmen hätten diese aber in der Vergangenheit verkauft. „Das ist ein Skandal“, empört sich Kippes. „In München findet die Stadt etwa kaum noch Personal für die Stadtbahnen“, berichtet er. In Stuttgart zeichne sich eine ähnliche Situation ab. „Die Unternehmen sehe ich daher in der Pflicht. Die dürfen nach dem meist ertragreichen Verkauf der eigenen Wohnungsbestände nicht allein nach der öffentlichen Hand rufen, sondern müssen selbst etwas tun und Wohnungen bauen“, so der Institutsleiter. Dabei sei die Politik allerdings keine Hilfe, so der IVD. „Keine der wohnungspolitischen Maßnahmen der jüngsten Vergangenheit hat auch nur eine einzige neue Wohnung gebracht“, kritisiert Erich Hildenbrandt, Makler aus Stuttgart und Ehrenmitglied des Verbandes. Die stetig steigende Zahl an Auflagen, etwa zu Stellplätzen oder zur Fassadenbegrünung, mache das Bauen unattraktiv, so die Einschätzung von Kippes und Hildenbrandt.
Politik bringt keine neuen Wohnungen
Eine Sorge treibt die Experten mit Blick auf die Zukunft um: „Der Grund, weshalb trotz aller Schwierigkeiten noch in Wohnimmobilien investiert und somit gebaut wird, ist schlicht der Mangel an Alternativen“, sagt Kippes. Andere Formen der Geldanlage seien aufgrund der niedrigen Zinsen momentan nicht gewinnbringend. „Sobald sich das ändert, wird noch weniger gebaut“, so der Experte. Dabei ist der IVD von einem Einfluss auf die Marktentwicklung fest überzeugt: „Würden mehr neue Wohnungen in der Stadt gebaut, würde das die Preise dämpfen“, sagt Stephan Kippes.
Der Preisanstieg läuft in Stuttgart den Daten des IVD zufolge derzeit mit zwei Geschwindigkeiten ab. „Die Steigerung der Kaufpreise und der Mieten geht weiter auseinander“, erklärt der Leiter des IVD-Instituts. „Die Mieten steigen langsamer als die Kaufpreise“, so seine Analyse. Zwischen Herbst 2007 und Herbst 2015 nahmen die Mieten in Bestandswohnungen um 29 Prozent zu. Im selben Zeitraum haben sich die Kaufpreise für Eigentumswohnungen im Bestand allerdings um 46 Prozent nach oben entwickelt. Den unterschiedlich schnellen Preisanstieg erklärt Kippes so: „Die verfügbare Kaufkraft der Menschen begrenzt das Segment der Mieten stärken als das der Preise für Wohneigentum.“
Verhältnis zum Rathaus „schwierig“
Besonders im Neubau steigen die Immobilienpreise den IVD-Zahlen nach derzeit besonders stark. „Aus meiner Sicht liegt das am knappen Angebot, also daran, dass in Stuttgart nur wenig gebaut wird“, sagt Kippes. Daher kritisiert der IVD die aktuellen Zahlen bei Baugenehmigungen und Fertigstellungen. „In Baden-Württemberg sind wir bei einem Drittel der Werte aus den Jahren 1992 oder 1993“, berichtet der Institutsleiter. Das sehe auch in Stuttgart nicht viel anders aus. Während in der Landeshauptstadt zu Beginn er 1990er Jahre pro Jahr teilweise mehr als 3000 Baugenehmigungen erteilt worden seien, liegt der Wert seit Jahren bei weniger als 2000.
„Der Markt wird auf absehbare Zeit angespannt bleiben“, urteilt der IVD-Experte. Einzelne Maßnahmen seien nicht sinnvoll, so Kippes. Nur der Dialog von Bauwirtschaft und Politik sei hilfreich. Das Verhältnis zur Stuttgarter Lokalpolitik und zum Rathaus beschreibt Kippes nach einigem Nachdenken allerdings mit dem Wort „schwierig“.