Oben wohnen, unten einkaufen. Auf den Dächern der beiden Shoppingcenter Gerber und Milaneo entstehen derzeit 483 Wohnungen. Die Preise liegen zwischen zwölf und 17 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter. Die Nachfrage scheint groß zu sein.
Stuttgart - So verschieden die beiden Handelszentren – das Gerber im Süden der City und das Milaneo am nördlichen Rand der Innenstadt – sein mögen, bei einem Rundgang durch die Wohnbereiche auf den Dächern der beiden Projekte tun sich viele Gemeinsamkeiten auf. Auffälligste Analogie: die beiden Wohnwelten auf den Shoppingcentern bilden abgeschlossene Einheiten für deren Bewohner – ganz ohne öffentlichen Raum und unerwünschten Zugang von außen.
Der deutlichste Unterschied zwischen den beiden Projekten ist deren Größe: Auf dem Dach des Milaneo an der Ecke Heilbronner und Wolframstraße entstehen 415 Wohnungen. Über den Köpfen der Kunden des Gerber zwischen Marien- und Tübinger Straße werden momentan 68 Wohneinheiten gebaut. Doch bereits anhand der weiteren Eckdaten, zeigen sich die Ähnlichkeiten. Die Kaltmieten über dem Gerber bewegen sich zwischen 13 und 17 Euro pro Quadratmeter, auf dem Milaneo sind es zwölf bis 17 Euro. Das Angebot reicht jeweils von kleineren Appartements bis hin zu ganzen Stadthäusern über mehrere Etagen. Die Vermarktung der Wohnungen über dem Milaneo hat vor wenigen Tagen begonnen – im Gerber geht die Vermietung in den kommenden Wochen offiziell los. Und: auf den Dächern der Shopping-Malls entstehen ausschließlich frei finanzierte Mietwohnungen. Das Stuttgarter Innenentwicklungsmodell SIM hat dort noch nicht gegriffen – bezuschusste Wohnungen wird es keine geben.
Einzug im Jahr 2015
Derzeit sieht es auf den Baustellen noch nicht danach aus, als ob dort in wenigen Monaten Menschen leben könnten. Die Rohre der Fußbodenheizung liegen offen herum, die Balkone haben noch keine Geländer. Doch die Wohnungen sollen erst nach den Verkaufsflächen fertig werden. Während die Einkaufszentren bereits im September und Oktober an den Start gehen wollen, um das lukrative Weihnachtsgeschäft nicht zu verpassen, werden die Mieter auf dem Gerber im ersten Quartal 2015, die des Milaneo Mitte 2015 einziehen.
Der ungewöhnliche Baugrund auf den Dächern von Einkaufszentren eröffnet neue Perspektiven auf die Stadt. Je nach Lage der Wohnung können die Mieter beider Projekte von ihren Balkonen durch die Oberlichter der Einkaufszentren in die Verkaufsräume hineinschauen. Wer freie Sicht hat, blickt von den Dächern des Gerber allerdings über die komplette Innenstadt – Tagblatt-, Rathaus- und Bahnhofsturm inklusive. Den Mietern über dem Milaneo zeigen sich hingegen Stadtbibliothek, Europaviertel und Gaskessel.
Eine eigene Welt
Wer sich dort einmietet, zieht in eine ganze eigene Welt ein. Die Wege und Bereiche der Bewohner sind gänzlich von denen der Einkaufskunden getrennt. In die Viertel auf den Shoppingcentern führt ohne Einladung von außen kein Weg hinein – dort entsteht kein öffentlicher Raum. Dazu gehören eigene Bereiche in den Tiefgaragen sowie separate Eingänge und Aufzüge. Die Idee erinnert an die sogenannten Gated Communitys im Ausland – abgeschlossene und bewachte Wohnkomplexe für Besserverdiener. „Wir sind keine Gated Community“, widerspricht Andreas Edner, Asset Manager bei der Bayrischen Hausbau. Er ist für die Vermietung der Wohnflächen des Milaneo verantwortlich, „denn wir haben keinen Wachmann, vermieten an jeden und die Preise liegen im Schnitt bei der zentralen Lage“. Auch die Verantwortlichen des Gerber lehnen die englische Bezeichnung ab, die in Deutschland negativ besetzt ist. „Hier entsteht eher eine Welt für sich“, sagt Sandra Seibold von Durchdewald Immobilien, zuständig für die Vermietung über dem Gerber. „Dabei steht die Frage nach der Sicherheit in der Innenstadt bei unseren Interessenten häufig im Mittelpunkt“, erklärt die Maklerin.
Eine weitere Ähnlichkeit: bei beiden Projekten werden Wohnungen und Handelsflächen getrennt vermarktet. Während die zur Otto-Gruppe gehörige ECE sich um das Einkaufszentrum Milaneo kümmert, sind die Wohnungen die Angelegenheit der Bayrischen Hausbau. Der Investor ist Teil der Schörghuber-Gruppe mit Sitz in München, zu der unter anderem Unternehmen wie die Paulaner Brauerei, die Brau Holding International – ein Joint Venture mit Heineken – und mehrere Hotelgesellschaften gehören. Das Gerber ist ein Projekt der Württembergischen Lebensversicherung zusammen mit dem Projektentwickler Phoenix Real Estate. Die Wohnungen werden vom Stuttgarter Maklerbüro Durchdewald Immobilien vermarktet.
Große Nachfrage
Auch wenn die Vermarktung noch kaum oder noch nicht begonnen hat, die Wohnung scheinen gefragt zu sein. Beide Projekte melden „sehr gute Nachfrage“. Die Liste mit Anfragen soll jeweils mehrere Hundert Interessenten lang sein.