In Schorndorf hat der Gemeinderat die Weichen für ein neues Wohnbauquartier gestellt. Im Interview spricht der Oberbürgermeister Matthias Klopfer über seine Idee von Stadtplanung.

Regio Desk: Achim Wörner (wö)

Schorndorf - Über die Zukunft des Breuninger-Areals in Schorndorf ist entschieden – neun Jahre, nachdem die Lederfirma Insolvenz anmelden musste. Der Oberbürgermeister Matthias Klopfer äußert sich zur Strategie des Rathauses und zur Entscheidung des Gemeinderates.

 
Herr Klopfer, Konzept und Investor für eines der Filetgrundstücke in Schorndorf stehen fest. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?
Ich bin sehr zufrieden. Seit ich 2006 als OB hier begonnen habe, beschäftigt mich dieses Thema. Wie Sie wissen, sind wir im ersten Anlauf mit Plänen gescheitert. Im Nachhinein betrachtet hatte dies aber auch ein Gutes. Heute freue ich mich, dass es uns in Zeiten des Wohnungsmangels möglich ist, rund 200 Wohneinheiten zu realisieren, auch wenn wir dafür auf Büro- und Handelsflächen verzichten.
Ursprünglich war die Stadt nicht im Besitz des Areals. War es ein Vorteil, sich an dieser Stelle einzukaufen?
Es zeigt sich ganz klar: Aktive Grundstückspolitik ist mit das Wichtigste, um in der Kommunalpolitik gestalten zu können. Daher unterstützt der Gemeinderat die Marschrichtung nachdrücklich, Grundstücke zu kaufen, um damit die Stadtentwicklung voranzutreiben. Der Gestaltungsraum der Stadt wächst dadurch.
Letztlich hat der Gemeinderat beim Breuninger-Areal mit 19 zu 14 Stimmen für einen Investor entschieden, welcher der Stadt nach dem Stand der Dinge eine Million Euro weniger einbringt. Macht sich die Stadt dadurch nicht angreifbar?
Die Stadt macht sich dadurch keineswegs angreifbar, das ist ein normales Verfahren, bei dem unterschiedliche Kriterien gewichtet werden. Dazu gehören: die städtebauliche Qualität, die architektonische Qualität und der Kaufpreis. Übrigens kann sich die Differenz weiter verringern, da der Investor verpflichtet ist, Einsparungen beim Abbruch an die Stadt weiterzugeben.
Noch mal: ist die Stadt nicht verpflichtet, das Höchstgebot zu wählen?
Das hängt vom Verfahren ab. Natürlich ist es möglich, auf ein Höchstpreisgebot zu setzen, man gibt dann aber jede Einflussmöglichkeit aus der Hand. Eben das wollen wir als Stadt zumindest in solchen Fällen ausdrücklich nicht. Bei einem Villengrundstück wählen wir dieses Verfahren, aber wenn es um Wohnungsbau in großem Stil geht, ist es doch wichtig, bei der Planung ein gewichtiges Wörtchen mitzureden.
Und was hat bei der Entscheidung über das Breuninger-Areal nun den Ausschlag gegeben für Formart als Investor?
Das war für mich die städtebauliche Qualität. Der Gestaltungsbeirat hat dargestellt, dass wir zwei gute Entwürfe haben. Aus Gründen des Städtebaus und der nachhaltigen Entwicklung wurde letztlich für Formart plädiert – auch wenn dies auf Kosten des historischen Gebäudebestands geht. Die Erhaltung der bestehenden stadtbildprägenden Gebäude und des Schornsteins waren auch beim zweitplatzierten Entwurf nicht vorgesehen.
Wäre nicht mehr Rücksicht auf die Industriegeschichte des Areals angezeigt gewesen?
Beim Siegerentwurf wird in kleinen Teilen im Rahmen der Außengestaltung darauf eingegangen. Industriegeschichte findet man in Schorndorf beispielhaft auf dem Röhm-Areal, dessen Eigentümerfamilie das Firmengelände im Gesamten erhält.
Wie sehen Sie insgesamt das Verhältnis einer Stadt zu ihren Investoren, die mancherorts bestimmen, was gebaut wird?
Das ist für alle Städte eine große Herausforderung. Deshalb haben wir uns entschieden, mehr auf Qualität zu setzen und über eigene Grundstücke Einfluss zu nehmen. Wir sind eine der wenigen Kommunen unserer Größenordnung, die einen Gestaltungsbeirat hat – und es tut uns gut, über städtebauliche Qualität nachzudenken.
Dennoch sagen Kritiker, der Siegerentwurf habe wenig mit Schorndorf zu tun.
Was ist Schorndorf-spezifisch? Das sind sicherlich der Marktplatz und die historische Altstadt. Ich räume ein, dass beide Entwürfe sich an zurzeit moderner, landauf, landab üblicher Architektur orientieren. Aber entscheidend ist das Gesamtkonzept. Und da finde ich den jetzt gewählten Entwurf, vor allem was die Beziehungen für Fußgänger und Radfahrer betrifft, gut. Keine Frage, das Thema Wege- und Platzgestaltung, zum Beispiel auch beim neuen Gerberplatz nach der Bahnunterführung, war in meiner persönlichen Abwägung ausschlaggebend.
Sie setzen beim Breuninger-Areal nun auf deutlich mehr Wohnungen als einstmals geplant. Ist das eine Reaktion auf die jüngste Misere auf dem Wohnungsmarkt?
Der stellvertretende Regionaldirektor Thomas Kiwitt sagt immer: die zweitgrößte Stadt der Region ist noch nicht gebaut. Tatsächlich spielt die Wohnraumnot auch in meinen Bürgersprechstunden zunehmend eine zentrale Rolle. Sie ist auch in einer Stadt wie Schorndorf längst angekommen. Und obwohl wir wissen, dass wir diese Not lindern müssen, fällt uns das in der Umsetzung sehr schwer, weil die Möglichkeit der Nachverdichtung begrenzt ist und Neubaugebiete auf der grünen Wiese sich eigentlich verbieten. Ich fürchte deshalb, dass wir als Stadt uns schwer tun, unser selbst gestecktes Ziel von 300 neuen Wohneinheiten im Jahr zu erreichen. Umso wichtiger, dass wir auf dem Breuninger-Areal nun viele Wohnungen für unterschiedlich große Geldbeutel bekommen werden.