Mit der Städtepartnerschaft zu Kusatsu hält Bietigheim-Bissingen einen Rekord in Baden-Württemberg: Länger besteht keine deutsch-japanische Freundschaft im Ländle. Ohne den Arzt Erwin Bälz wäre es allerdings nie dazu gekommen.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Bietigheim-Bissingen - Vor wenigen Tagen ist es schon wieder passiert: In Japan bebte die Erde. „Gunst und Gefahren der Natur liegen nahe beieinander“, so sagte es erst jüngst der japanische Kommunalpolitiker Fumio Mizuide in Bietigheim-Bissingen, als er die heißen Heilquellen seiner Heimatstadt Kusatsu pries. Erst Anfang des Jahres war in Kusatsu der Vulkan Shirane ausgebrochen, dem die Schwefelquellen zu verdanken sind. Verletzte und Tote waren zu beklagen. An den Folgen des Unglücks knabbert Kusatsu, das vor allem vom Tourismus lebt, heute noch.

 

Auch wenn der Inselstaat im Pazifik immer wieder erschüttert wird: Die Freundschaft zwischen der schwäbischen und der japanischen Stadt ist bisher nicht ins Wanken geraten. „55 Jahre – das ist mit Abstand die älteste deutsch-japanische Freundschaft in Baden-Württemberg“, betont der japanische Generalkonsul Tetsuya Kimura. Den in München stationierten Diplomaten freuen die engen Bande nicht zuletzt aus einem Grund: „Wir teilen wichtige Grundwerte miteinander.“

Der kaiserliche Leibarzt wirkt nach

Bietigheim-Bissingen und Kusatsu teilen aber auch die Erinnerung an Erwin Bälz. Mehr noch: Das Andenken an den Mediziner (1849 bis 1913), der eine der erstaunlichsten Karrieren im wilhelminischen Deutschland hinlegte, ist der Grundpfeiler der Städtepartnerschaft. Bälz, in Bietigheim geboren, war Hochschullehrer in Tokio, Leibarzt der japanischen Kaiserfamilie und wird als Wegbereiter der modernen japanischen Medizin und großer Kulturmittler zwischen Europa und Ostasien verehrt. Dem Einsatz des schwäbischen Wissenschaftlers verdankt das 1200 Meter über dem Meeresspiegel gelegene Städtchen seinen Kur-Status: Schon 1893 war sich Bälz sicher: „Es gibt nur eines, was ein Arzt und selbst die Bäder von Kusatsu nicht heilen können, und das ist die Liebe.“

Als eine japanische Delegation auf den Spuren von Bälz im Jahr 1962 Bietigheim erkundete, war das der Startschuss für die Städtepartnerschaft. Dass Bälz nach knapp 30 Jahren in Japan in Stuttgart lebte und wirkte und dort auch beerdigt ist, tat nichts zur Sache: Die Bande zwischen Bietigheim und Kusatsu wurden seither eifrig weitergeknüpft. In der japanischen Stadt gibt es sogar ein Erwin-Bälz-Museum. „Bälz hat gezeigt, welcher Fortschritt mit einem offenen Blick auf die Menschen und die Verhältnisse, in denen sie leben, erzielt werden kann“, findet Bietigheim-Bissingens Oberbürgermeister Jürgen Kessing.