Michael Föll, Stadtkämmerer der Stadt Stuttgart, dämpft die Erwartungen des Gemeinderats und der Lobbyisten. Steuersenkungen sind nicht angedacht.

Stuttgart - Im Rathaus herrscht Sommerpause, der Oberbürgermeister macht Ferien. Doch hinter den Kulissen wird kräftig gearbeitet. Der Stadtkämmerer Michael Föll (CDU), Wolfgang Schusters Stellvertreter, bereitet gerade seinen Entwurf für den Doppelhaushalt 2012/13 vor. Dabei schwant ihm Böses: "Wir sind zwar aus der letzten Finanz- und Wirtschaftskrise besser herausgekommen, als alle gedacht haben - doch welche Folgen die jetzige Krise für die Kommunen haben wird, das weiß noch niemand", warnt er. Also bedient sich der Kämmerer des für seinen Berufsstand üblichen Vokabulars: "Ich kann den Gemeinderat nur warnen vor überzogenen Wünschen. Unser Stadthaushalt weist in diesem und auch im nächsten Jahr Defizite von jeweils fast 50 Millionen Euro aus." Außerdem sei noch gar nicht erwiesen, "dass wir im laufenden Jahr wirklich ohne neue Kredite auskommen."

 

Dabei wendet sich der Stadtkämmerer auch den örtlichen Lobbyisten zu, namentlich dem Haus- und Grundbesitzerverein, der von seinem Amtsvorgänger, Duzfreund und CDU-Parteifreund Klaus Lang geführt wird: "Bei ihm bestimmt das Sein das Bewusstsein", sagt Michael Föll mit einem Lächeln. Klaus Lang vertrete jetzt die Interessen seiner 19.000 Mitglieder - das halte er, Föll, für "völlig in Ordnung, aber mein Vorgänger weiß natürlich ganz genau, dass die Landesbank-Immobilien ihre 21.500 Wohnungen nur als Ganzes veräußert und nicht einzelne Pakete."

Keine Steuersenkungen vorgesehen

Deshalb ziele seine jüngst geäußerte Kritik, dass sich die Stadt Stuttgart mit 150Millionen Euro am Kauf beteiligen wolle, "völlig an den Fakten vorbei". Die Chance, lediglich die 4000 in Stuttgart liegenden Wohnungen zu erwerben, oder gar nur die darin enthaltenen 800 Sozialwohnungen, bestehe überhaupt nicht. Im Übrigen, so betont der Kämmerer, lägen lediglich 1500 der mehr als 21.000 in Rede stehenden Wohnungen außerhalb von Baden-Württemberg. Klaus Lang hatte, wie berichtet, die rhetorische Frage gestellt: "Was will denn Stuttgart mit Wohnungen in Erfurt?" Hätte es die Chance gegeben, nur in der Landeshauptstadt LBBW-Wohnungen zu erwerben, "dann hätten wir natürlich zugegriffen", so betont Föll.

Aber auch zum Thema Grund- und Gewerbesteuer hat der Kämmerer - in Absprache mit dem Oberbürgermeister - eine klare Position: "Wir beide sind übereingekommen, dem Gemeinderat keine Steuersenkungen vorzuschlagen. Denn wir sind der Ansicht, dass sich die Stadt das nicht leisten kann, wenn man bedenkt, was in den nächsten Jahren alles auf uns zukommt." Die von Haus & Grund kritisierte Höhe der Grundsteuer von 520 Hebesatzpunkten müsse "natürlich nicht auf Zeit und Ewigkeit so hoch bleiben - für den Doppelhaushalt 2014/15 können die Dinge unter Umständen anders aussehen."

Bis zu 50 Millionen für Ausbau der Kitaplätze

Wenn der Stadtkämmerer am 6. Oktober in seiner traditionellen Grundsatzrede den Etatentwurf für die nächsten beiden Jahre einbringt, werden einige "dicke Brocken" im Mittelpunkt stehen: die bereits erwähnten 150 Millionen Euro, mit der sich die Stadt am Kauf der LBBW-Wohnungen beteiligen möchte. Sodann 100 Millionen Euro pro Jahr für die dringliche Schulsanierung, die bis 2016 abgeschlossen sein soll. Für den Ausbau der Kitaplätze will die Stadt jährlich zwischen 30 und 50 Millionen Euro aufwenden, für den Ausbau der Ganztagesschulen weitere 35 Millionen im Jahr. Der Rückkauf des Wassers, den eine Ratsmehrheit bereits fest ins Auge gefasst hat, schlägt im neuen Doppelhaushalt mit hundert Millionen Euro zu Buche.

Doch damit nicht genug, nennt der Kämmerer weitere Projekte, ohne Anspruch auf Vollständigkeit: "Das Wilhelmspalais soll zum Stadtmuseum umgebaut werden, das kostet 34 Millionen Euro. Der Neubau des Klinikums geht weiter, auch im Bereich des Sports, des Verkehrs und der Kultur muss weiter investiert werden. Für die Sanierung und Modernisierung unserer Bäder benötigen wir Millionenbeträge." Alles in allem dreistellige Millionensummen, wobei, wie Föll betont, "ja noch gar nicht klar ist, welche Anträge aus der Mitte des Gemeinderats zum neuen Doppelhaushalt gestellt werden". Beim letzten Doppelhaushalt für 2010/11 waren es übrigens mehr als 800.

508 Millionen für städtisches Personal

Nicht zu vergessen: fester Bestandteil eines jeden Etatentwurfs sind erhebliche Summen, an denen der Gemeinderat nicht rütteln kann. So kostet etwa das städtische Personal im nächsten Jahr 508 Millionen, im übernächsten 515 Millionen Euro. Für soziale Leistungen, die die Stadt von Gesetzes wegen bezahlen muss, sind 560Millionen Euro pro Jahr eingeplant. Für Sach- und Dienstleistungen, die von der Stadt zu erbringen sind, muss mit knapp 220 Millionen Euro pro Jahr kalkuliert werden.

Nur eine Position ist vergleichsweise gering: Die Zinsen für Kredite liegen 2012 bei 25,3 Millionen, für 2013 bei 28,9 Millionen. Mitte der neunziger Jahre waren es noch an die 100 Millionen Euro. Bis dato hat der Kämmerer für 2011 keine neuen Schulden gemacht, aber er sagt: "Wir hatten für dieses Jahr 213 Millionen eingeplant - ich gehe immer noch davon aus, dass wir dieses Geld auch brauchen werden."

Der Fahrplan für den neuen Doppelhaushalt 2012/13

Geschichte: Von 1945 an bis zum Jahr 1999 hat der Gemeinderat jeden Herbst einen Stadtetat für das folgende Jahr beraten und verabschiedet. 2000 hat der damalige Kämmerer Klaus Lang den gesetzlich erlaubten Doppelhaushalt eingeführt. Er dient vor allem dazu, die Arbeit des Stadtparlaments und der Verwaltung zu entlasten. Die Doppelhaushalte haben ein Volumen von mehr als vier Milliarden Euro.

Terminplan Seit Monaten laufen im Rathaus die internen Vorarbeiten. Sämtliche Ämter und Ressorts, dazu auch die Eigenbetriebe, müssen ihre Wünsche und Absichten für die nächsten zwei Jahre anmelden, ihre laufenden Finanzströme offenlegen. Im Referat des Stadtkämmerers Michael Föll und in der Stadtkämmerei werden alle Daten und Fakten zusammengeführt, und es wird daraus der sogenannte Etatentwurf für 2012/13 zusammengestellt. Am Donnerstag, 6. Oktober, gibt Föll mit seiner "Einbringungsrede" in öffentlicher Ratssitzung den Startschuss für die Beratungen. Am Donnerstag, 20. Oktober, folgt die allgemeine Aussprache im Gemeinderat, dazu stellen die Fraktionen ihre Anträge. Dann beginnen die Beratungen in den Gremien und Ausschüssen. Am Freitag, 16. Dezember, wird der neue Etat verabschiedet.