Das Städtische Kammerorchester besteht seit 50 Jahren. Am Wochenende ist großes Jubiläumskonzert – an einem herrschaftlichen Ort.

Gerlingen - Z unächst sind es Gegensätze – die beim näheren Hinsehen aber zusammen eine feine Melange eingehen: der herrschaftliche Aufführungsort Schloss Solitude und das nüchterne Probenlokal Markussaal ebenso wie eine Schar engagierter Hobbymusiker, die mit Profis in einem Ensemble zusammenspielen – im Städtischen Kammerorchester Gerlingen.

 

Das feiert in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen – mit einem Festprogramm. Das wird bei zwei Konzerten an diesem Wochenende gespielt. Bei einer der letzten Proben wird klar, wie engagiert alle bei der Sache sind: die Hobbymusiker, der junge Dirigent Matthias Nassauer und als Stimmführer die Berufsmusiker Magdalene Iseli (Violine), Lorenz Peiker (Violine) und Gerti Müller (Cello). Sie spielen unter anderem zwei Barockstücke von Bach und Tartini. Gegründet wurde das Orchester zur Einweihung des Rathauses 1967.

Matthias Nassauer ist seit Januar 2010 der Dirigent des Ensembles, das von der Stadt unterstützt wird. Er finde die Zusammensetzung sehr reizvoll, sagt der 38-Jährige. Jede Woche findet eine zweistündige Probe statt – wenn das Orchester mit anderen an Projekten arbeitet, auch öfter. Eine Zusammenarbeit findet zum Beispiel im Spätherbst mit dem Oratorium „Elias“ statt, mit der Petrusgemeinde. Nun aber steht zunächst das eigene Jubiläumskonzert im Vordergrund. Da wird ein Stück am Stück durchgespielt, ohne dass der Dirigent laut dazwischengehen muss. Da wird aber auch an einzelnen Passagen gefeilt („nochmals ab Takt 127!“), bis alles sitzt. Die rechte Hand mit dem Taktstock gibt den gleichmäßigen Rhythmus vor, die linke fordert, gibt Einsätze, haut mit der Faust Löcher in die Luft oder gibt, ganz piano, mit einem kleinen Kreis von Daumen und Zeigefinger die feinen Stellen vor.

Berufsmusiker und Orchesterchef

Der Berufsmusiker Nassauer ist Dirigent, spielt aber auch in Ensembles Posaune – diese Erfahrung kommt ihm als Orchesterchef zugute. Der Zuhörer spürt die Spielfreude aller. Für das Orchester spreche, dass die Musiker „teilweise weite Wege in Kauf nehmen“. Seine Linie lautet: „Ich möchte die Leute fordern bis zur Grenze. Wenn ich sie überfordere, verlieren sie die Lust.“ Diesen Spagat müsse er bewältigen.

Zu den Mitspielern, die schon lange dabei sind, gehört Elisabeth Haen. Seit 1994 spielt sie mit, „dabei habe ich erst 1986 mit dem Cellospielen angefangen“. Es mache ihr großen Spaß; die Zipperlein des Alters spüre sie aber allmählich nicht nur in den Fingern, erzählt die Mittsiebzigerin. Fünf Jahre lang, von 2010 bis 2015, war sie Orchestervorstand. Das braucht’s nun mal in einem Verein – die Musiker übernehmen sogar einen Teil der Kosten selbst. Tatjana Harnisch spielt Geige; zum Kammerorchester kommt sie seit fünf oder sechs Jahren, „weil das eine schöne Abwechslung zu meiner beruflichen Tätigkeit ist“, erzählt die junge Frau. Obwohl: sie hat nicht nur Noten und schöne Klänge im Kopf, sondern mit den Taktziffern auch Zahlen – wie im Job bei der Steuerberatung.

Vom Jazz zum Kammerorchester

Einer der erfahrenen Mitspieler ist der Mann am Kontrabass, Fridolin Piwonka. Als junger Kerl, erzählt er, habe er Tanzmusik gespielt („zum Geldverdienen“) und Jazzmusik in Berliner Studentenkneipen gemacht, auch mit Klarinette und Saxophon, mit 15 schon im Schulorchester gespielt. Angefangen, so der 73-Jährige, habe bei ihm alles mit der Geige. Das sei billiger gewesen als Klavierunterricht, was er ursprünglich habe lernen wollen. Heute engagiert er sich nicht nur im Gerlinger Kammerorchester, sondern spielt auch noch im Bosch-Symphonieorchester. Womit schon gesagt ist, wo der promovierte Ingenieur nach 14 Uni-Jahren gearbeitet hat.

50 Jahre hat das Kammerorchester jetzt auf den Bögen – da ist ein Wunsch verständlich: „Wir wollen, dass es weitergeht und freuen uns über Nachwuchs“, sagt Nassauer. Jetzt den Tartini nochmals. So wie 1967 – da hat man die „Sinfonie in A“ auch schon gespielt, aber in anderer Besetzung.