Bernhard Nanz war das Gesicht des städtischen Weinguts in Bad Cannstatt. Für den Job war der Schaffer aus dem Hoffeld wie gemacht. Manche würden ihn wohl eher einen Malocher nennen. Nun übt Nanz den Ruhestand, der mutmaßlich keiner ist.

Hoffeld - Bernhard Nanz eilt durch seinen Garten wie ein Aufziehmännchen. Hier die Camelien, denen der deutsche Winter nichts anhaben kann, dort der Ginkgo, der dem Liegestuhl Schatten spendet und gleich vorne an der Terrasse der Affenschwanzbaum. Die Peperoni, der Zierapfel, die Himbeersträucher – Bernhard Nanz findet kein Ende. Das nächste halbe Jahr gehört seinen Enkeln, dann muss der Garten auf Vordermann gebracht werden. Und wo genau? Es grünt und blüht rund um das Haus im Hoffeld doch wie im Bilderbuch. Bernhard Nanz lacht, wie Bernhard Nanz lacht: laut und aus seinem tiefsten Inneren. „Ich bin ein Gartenfreak.“ Und dafür hat er nun jede Menge Zeit. Bernhard Nanz, der Leiter des städtischen Weinguts, ist seit dem 1. Juli im Ruhestand. Offiziell. Inoffiziell hat der Müßiggang, der mutmaßlich keiner ist, bereits im Mai begonnen. Dem Resturlaub sei Dank.

 

Das weinende Auge klemmt noch

Zu gärtnern ist sein größtes Glück. „Wenn du aus der Natur mit deiner Hände Arbeit etwas schaffen kannst“, sagt er. Und schaffen kann Bernhard Nanz. Andere würden es eher malochen nennen, was er als Chef des Weinguts geleistet hat. 70 Abendtermine im Jahr, Überstunden, oft keinen freien Samstag. „Zwölf Stunden waren ganz normal für mich“, sagt er. Und das ging so: „Acht Stunden arbeiten, dann kalt duschen, dann noch mal vier Stunden.“ Doch damit ist Schluss. Und das kann er, einfach so. Immer wieder meinen andere, er habe beim Abschied sicher ein lachendes und ein weinendes Auge gehabt. „Dann sage ich: Also das weinende Auge klemmt noch.“ Bernhard Nanz lacht wieder schallend über seinen Gartentisch hinweg.

Dass er loslassen kann vom Job, hat auch damit zu tun, dass er sich den Ruhestand veredelt hat. Das hat mit dem Mönch Ulrich zu tun, Jahrgang 2011. Mit der Rotwein-Cuvée, im Barriquefass gereift, hat er es allen gezeigt. 2014 hat das Tröpfchen der Stadt bei Mundus Vini, einem namhaften internationalen Wettbewerb, großes Gold eingefahren. Während es Leute gibt, die das Weingut unbedingt privatisieren wollen, hat er Zeit seines Amtes dagegen gekämpft. Das beste Argument des Weingutleiters geht durch die Kehle. „Besser wird’s nicht“, sagt Bernhard Nanz. „Das ist die höchste Auszeichnung, die die Stadt je erhalten hat.“ Auch deshalb hat er sich erlaubt, mit 63 aufzuhören. Bernhard Nanz sagt von sich, er sei einer, der eine Sache ganz macht oder gar nicht. Deshalb hat er im Weingut getan, was zu tun war, auch wenn seine Familie oft auf ihn verzichten musste. Als Ausgleich sind sie in aller Regel viermal im Jahr in den Urlaub gefahren.

Er wäre der ewige Lehrling geblieben

Viel Arbeit hat Bernhard Nanz nie geschreckt. Er kennt es nicht anders als Sohn eines Obst- und Weinbauers aus Uhlbach. Schon als kleiner Bub hat er geholfen. Kein Wunder, dass er eine entsprechende Lehre begann. Mittendrin fiel sein Vater von einem acht Meter hohen Birnbaum und handelte sich einen Fersensplitterbruch ein, „da habe ich gelernt, was Verantwortung heißt“. Mit 16 durfte er einen „Schmalspurführerschein“ machen, wie er erzählt. Um die Ware zum Großmarkt zu karren. Der Vater genas, und er wäre daheim wohl der ewige Lehrling geblieben, also bildete er sich fort. An der Gartenbauschule in Hohenheim absolvierte er die Fachschulreife, machte in Freising Fachabitur, studierte in Weihenstephan Obst- und Gartenbau, Getränketechnologie und BWL, heuerte für sieben Monate im Schweizerischen Wallis in einem Obst- und Weinbaubetrieb an – und kehrte wieder heim nach Stuttgart.

Zunächst wurde er Obstbauberater der Stadt; als 1992 der Leiter des Weinguts starb, sollte er die Aufgabe einfach mitmachen. Ein Jahr hat er es versucht, „da meinst du, du hast dreimal Geburtstag, wenn du so schaffst“, sagt Bernhard Nanz. Da half auch die bewährte kalte Dusche nicht mehr. 1993 wurde er der Leiter des Weinguts. Mit weniger als zehn Mitarbeitern ein Knochenjob. „Die Weinberge sind ja nicht hinterm Haus“, sondern über die Stadt verteilt. Ohne die fleißigen ehrenamtlichen Helfer – schwierig. Doch Bernhard Nanz war wie gemacht für das Amt. Er hat gelernt, zu kämpfen. „Als Kunstturner bist du hart“, sagt er. Bis zum Studium waren Reck und Trampolin seine Welt. „Ich habe bis dahin noch keine Disco von innen gesehen.“ Der Extremsport hat ihn gestählt. Das Kunstturnen ist schon lange Vergangenheit, doch der Bewegungsdrang ist geblieben. Ob radeln, wandern, surfen – Bernhard Nanz hat sich immer ausgepowert. Jetzt hat er noch mehr Zeit dafür. Und wenn es bedeutet, dass er einfach durch seinen Garten eilt wie ein Aufziehmännchen.