In unserer Serie „Stuttgart von oben“ geht es dieses Mal um den Norden von Stammheim. Wo 1955 noch Äcker und Wiesen das Bild bestimmten, ist mittlerweile sehr viel Fläche versiegelt. Dominiert wird das Gelände von der Justizvollzugsanstalt.
Stammheim - Wer einen Blick auf das Luftbild aus dem Jahr 1955 wirft, der sieht dort vor allem Felder, Wiesen und Bäume. Und ein paar langgestreckte Gebäude entlang der Pflugfelder Straße, wo damals Landesbedienstete wohnten. Diese Gebäude sind auch noch 60 Jahre später zu erkennen, ansonsten hat die Aufnahme von 2015 kaum etwas mit der aus den 50er Jahren gemein. Zwar gib es nordöstlich und nordwestlich noch einige größere Streifen Ackerland, die meisten Flächen sind aber nun versiegelt. Dominiert wird die Szenerie von einem Gebäudekomplex, der weit über Stuttgart, Baden-Württemberg und sogar Deutschland hinaus Bekanntheit erlangt hat: Die Justizvollzugsanstalt (JVA) ist in diesen Tagen wieder regelmäßig in den Schlagzeilen, da sich die so genannte „Todesnacht von Stammheim“ zum 40. Mal jährte: In der Nacht auf den 18. Oktober 1977 nahmen sich die RAF-Terroristen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe in ihren Zellen im siebten Stock des Hochhausgebäudes das Leben, Irmgard Möller überlebte den Suizidversuch schwer verletzt.
Momentan sitzen 700 Häftlinge aus über 50 Nationen ein
Für den Prozess gegen die RAF-Mitglieder wurde 1975 eigens das so genannte Mehrzweckgebäude für 12 Millionen Mark gebaut. Dort finden heute noch regelmäßig Gerichtsverhandlungen statt, beispielsweise gegen eine Rockerbande oder gegen Islamisten. Im Laufe der Jahre wurde die JVA immer mehr erweitert, erst vor kurzem sind fünf neue Unterkunftsgebäude mit insgesamt 559 Haftplätzen eingeweiht worden, bezogen sind die Zellen noch nicht. Immer wieder ist in der Vergangenheit über den Abriss von Haus 1 diskutiert worden, 2013 wurde es schließlich unter Denkmalschutz gestellt. Ob es stehen bleibt, ist noch nicht entschieden. Da die Haftanstalten des Landes überfüllt sind, braucht man jede Zelle. In Stammheim sitzen momentan rund 700 Häftlinge aus mehr als 50 Nationen ein, die offizielle Belegungsfähigkeit beläuft sich auf 514 Plätze. Bewacht und betreut werden die Gefangenen von 350 Personen.
Im Laufe der Jahrzehnte hat sich auch das Umfeld der JVA stark verändert. So ist westlich davon das Gewerbegebiet Wammesknopf entstanden. Mitte der 1990er Jahre wurde dann das Wohnquartier Sieben Morgen gebaut, das sich südöstlich direkt ans JVA-Gelände anschließt. Auch künftig soll die Versiegelung weiter gehen: Nordöstlich der JVA plant Kornwestheim ein 20 Hektar großes Gewerbegebiet. „In Stammheim wird dieses Vorhaben nicht gut geheißen“, sagt Bezirksvorsteherin Susanne Korge. Lärm und Verkehr nähmen immer weiter zu, irgendwann sei die Grenze der Belastbarkeit erreicht.