Seit Dezember ist Susanne Korge neue Bezirksvorsteherin. Im Interview spricht sie über sich, Stammheim und ihre Wünsche.

Rems-Murr: Chris Lederer (cl)

Stuttgart-Stammheim - Wer folgt auf Bezirksvorsteherin Tina Hülle? Das werden sich viele Stammheimer vor wenigen Wochen noch gefragt haben. Seit 1. Dezember steht die Antwort fest: es ist eine von Hülles ehemaligen Stellvertreterinnen: die 54-jährige Susanne Korge.

 

Frau Korge, hätten Sie im Sommer damit gerechnet, dass sie im Winter neue Bezirksvorsteherin von Stammheim sind?
Wenn man mich noch Anfang September gefragt hätte, ich hätte jeden für verrückt erklärt.

Wann war Ihnen klar, dass Sie sich bewerben würden?
Kurz vor knapp. Quasi unmittelbar bevor die Bewerbungsfrist ablief.

Was hat Sie bewogen, sich auf den Posten zu bewerben?
Da gab es viele Gründe. Zum einen habe ich die Ausbildung, die mich dazu befähigt. Zum anderen wollte ich nach meiner Familienpause wieder voll in den Beruf einsteigen. Ganz offen gesagt: mich reizen Herausforderungen. Ich habe schon zu Zeiten von Herrn Böhm hier gearbeitet und war einige Jahre Stellvertreterin von Frau Hülle. Damals habe ich im Spaß gesagt, bald habe ich alle Zimmer durch. Aber dass es nun so kommt, das hätte ich damals bestimmt nicht erwartet.

Wie hat ihr Umfeld auf Ihre Bewerbung reagiert?
Die hatten überhaupt keinen Zweifel. Und dass ich Zweifel hatte, hat keiner verstanden. Viele haben mich in meiner Entscheidung bestärkt, was letztlich dazu geführt hat, mich zu bewerben.

Das Auswahlverfahren war ja eine klare Angelegenheit. Konkurrenten, die mit Ihnen in der engeren Auswahl waren, haben letztlich alle zurückgezogen.
Zunächstg waren es 17 Bewerber. In der Schlussrunde vier, von denen ist eine gleich abgesprungen, die beiden anderen habe ich als sehr fair und angenehm erlebt. Die haben dann beide nach der nicht öffentlichen Vorstellungsrunde gemerkt, dass sie keine Chance haben und dann zurückgezogen, so dass ich mich alleine dem Gemeinderat vorgestellt habe. Entsprechend positiv war das Wahlergebnis mit 58 von 60 Stimmen.

Ganz neu ist das Geschäft für Sie ja nicht.
Stimmt. Ich habe den Beruf von der Pike auf gelernt, bin Diplom-Verwaltungswirtin. Ich komme sozusagen von der Bürgermeisterschmiede. Und ich habe viele Bereiche abgedeckt: die Sozialhilfe, das Job-Center oder die Stellvertretung. Dazu muss man sagen, ich habe meine Ausbildung bei der Stadt Stuttgart gemacht und im Laufe der Jahre viele Netzwerke gebildet. Außerdem wohne ich seit mehr als 15 Jahren in Stammheim und habe auch hier viele Netzwerke. Ich bin sehr kommunikativ, insofern kommt mir das jetzt zugute.

Als Stammheimerin auch hier Bezirksvorsteherin zu sein, ist das Fluch oder Segen?
Viele Leute wollen Beruf und Privates trennen. Ich habe kein Problem mit dieser Verbundenheit. Ich mag die kurzen Wege. Das hat auch Vorteile im Privaten. Früher konnte ich mich gut um meine Kinder kümmern, jetzt kümmere ich mich um meine Eltern, die ich vor drei Jahren aus der Stadtmitte hier hergeholt habe. An meiner Tante arbeite ich noch. Dass man mich auf der Straße auf Dienstliches anspricht, ist okay.

Wo sehen Sie ihre Stärken, die Sie für diesen Job auszeichnen?
Das wichtigste ist, dass man die Menschen annimmt, dass man kommunikativ ist und gut organisieren kann, dass man strukturiert, belastbar und flexibel ist. Wobei Letzteres keine Charaktereigenschaft ist, aber unabdingbar dazu gehört. Und optimistisch zu sein, gehört auch dazu.

Welche Ihrer Eigenschaften stehen Ihnen denn eher im Wege?
Ich denke, dass ich sehr engagiert bin und eher aufpassen muss, dass ich mir nicht zu viele Schuhe anziehe, also mir zu viel vornehme. Auch werde ich es nicht allen Recht machen können. Das bringt dieser Posten mit sich.

Ihre erste große Amtshandlung haben Sie ja schon hinter sich.
Es gab mehrere. Das 100-jährige Jubiläum der Neuapostolischen Kirche, ich habe eine Bezirksbeiratssitzung geleitet und ein Highlight war sicher die Eröffnung der Stadtbahnlinie. Wobei viele Stammheimer erwartet hatten, dass ich ein Grußwort spreche, aber wenn wichtigere Leute da sind, dann sollen die sprechen. Ich halte generell nichts davon, dass zu viele Reden gehalten werden. Man muss nicht alles doppelt und dreifach sagen.

Fahren Sie eigentlich Stadtbahn oder Auto?
In fahre Stadtbahn und benutze das Auto nur, wenn ich es benutzen muss. Zum Beispiel als mir neulich die Bahn raus ist. Aber in erster Linie bin ich Fußgängerin beziehungsweise Läuferin. Wenn ich mit den Eltern unterwegs bin oder einkaufen muss, nehme ich das Auto, das geht nicht anders.

Wie gefällt Ihnen die Freihofstraße?
Sehr viel besser. Wenn der Belag auch empfindlich ist, sie ist heller und freundlicher. Einzig das Thema Radfahren dort bereitet mir Bauchschmerzen. Es wird im Frühjahr einen Termin mit dem Fahrradbeauftragten der Stadt Stuttgart geben, um uns die Situation bei Stadtbahnbetrieb anzuschauen, wir werden aber keine gute Lösung finden, weil der Straßenraum einfach zu eng ist. Das ist unbefriedigend.

Was sollte und könnte sich in Stammheim schnell ändern?
Ich denke, die Änderungen nach dem Stadtbahnbau sollte man im Auge behalten und schauen, was man tun muss. Beispielsweise muss man eventuell die Ampelschaltungen anpassen. Im Radverkehr könnte man Dinge ebenfalls verbessern. Auch sehe ich Schwierigkeiten durch die fehlende weitere Zufahrt zur JVA. In dieser Sache werden wir wahrscheinlich nur reagieren nicht agieren können, da es eine Sache zwischen Land und Stadt ist. Wir werden sehen, welche anderen Dinge sich schnell umsetzen lassen.

Welche Schwerpunkte sind Ihnen wichtig?
Die Zusammenarbeit mit dem Bezirksbeirat und den Vereinen liegt mir am Herzen. Mit ihnen möchte ich gezielt ins Gespräch kommen und hören, wo sie der Schuh drückt. Ich habe mir vorgenommen, dass ich für die Probleme der Stammheimer ein offenes Ohr habe. Wir müssen schauen, welche Themen sich bündeln lassen. Alles, was gewünscht wird, kann man sicherlich nicht kurzfristig ändern. Ich möchte von den Menschen hören, was Sie bewegt.

Sie sind Hobbyläuferin. Was ist Ihre Paradestrecke?
Alles, was zwischen zehn Kilometern und dem Halbmarathon liegt.

Versuchen wir es ausnahmsweise mit einem Sprint. Ich nenne kurz Stichworte zu Stammheimer Themen. Und Sie geben bitte möglichst kurz Antwort darauf.
Okay, gern.

Stadtbahn.
Gut.

Ein Satz darf’s schon sein.
(lacht) Endlich haben wir die Stadtbahn, und die Baustellenzeit und das leidige Umsteigen sind zu Ende.

Neues Feuerwehrhaus.
Ich freue mich auf das neue Feuerwehrhaus und bin gespannt auf die Nachnutzung des Gemeindehauses.

Umbau am Freihofplatz.
Die neue Ortsmitte ist dringend erforderlich, es wird schwierig sein, die Nuss zu knacken, aber ich werde mein Möglichstes tun, damit es dort weitergeht.

JVA-Zufahrt.
Da habe ich Bauchschmerzen. Ich sehe einen Konflikt auf uns zukommen. Egal wie man den Baustellenverkehr führen wird. Die Anwohner werden sich zu Recht beschweren. Da wird man nur das kleinere Übel wählen können.

Wohngebiet Langenäcker-Wiesert.
Wir brauchen neue Baugebiete – mir ist dabei allerdings wichtig, dass man das so ökologisch wie möglich umsetzt. Momentan laufen Untersuchungen auf bedrohte Tierarten.

Bewegungswelt des TV Stammheim.
Ich freue mich sehr, dass das Projekt bewilligt wurde. Wir haben viele tolle aktive Vereine in Stammheim.

Mobile Jugendarbeit.
Das war vor 15 Jahre schon ein Thema als ich hergekommen bin. Schön, dass es jetzt geklappt hat. Wenn auch zunächst mit einer halben Stelle.

Kinderbetreuung.
Es hat sich viel getan, aber es ist ein riesiger Nachholbedarf da. Wir sind an dem Thema dran. Für Eltern ist es nur schwer nachvollziehbar, wenn sie keinen Platz für ihre Kinder bekommen. Mitunter hängen da ganze Existenzen dran.

Handel und Gewerbe.
Freue mich, dass der HGV sehr viel aktiver ist. Wir haben uns mit dem Stadtteilmanager schon zusammengesetzt und wollen schauen, wie man das Erscheinungsbild der Geschäfte verbessern kann. Ich sehe Nachholbedarf, bin aber guter Dinge, dass man etwas bewirken kann. Durch die Stadtbahn ist neuer Schwung gekommen, den sollte man nutzen. Ich denke auch, dass die Stammheim-Tage etwas bewirken können.

Soweit erstmal. Danke. Was sind ihre Vorsätze für 2012?
Ich habe keine, was das Jahr anbelangt. Ich habe generell Vorsätze. Mein Vorsatz als neue Bezirksvorsteherin ist, dass ich mich mit viel Herzblut weiterhin für Stammheim einsetzen werde.

Wenn wir in einem Jahr wieder hier sitzen würden, was hätte sich verändert?
Ich wäre ein Jahr älter geworden (lacht). Klar, Sie meinen, was sich für Stammheim geändert hat. Da will ich mir nicht zu viel vornehmen, aber ich möchte, dass ich mit vielen Beteiligten ein Gespräch geführt habe und mir einen Überblick verschafft habe, wo die Stärken und Schwächen im Stadtbezirk sind. Und wünsche mir, dass ich bei den Schwächen das eine oder andere verbessern konnte. Man wird Dinge nicht von heute auf morgen ändern können. Aber auch wenn es Kleinigkeiten sind, können diese mitunter viel bewirken.

Was wünschen Sie sich von den Stammheimern?
Eine offene und ehrliche Rückmeldung durch Bezirksbeirat, Vereine und Bürger. Und weiterhin die gute Unterstützung, die ich bisher hatte. Ich habe sehr positive Erfahrungen gemacht, wenn es darum geht, dass sich die Stammheimer beteiligen. Etwa bei Benefizläufen oder dem Stadtbahn-Empfang. Wenn es diese Unterstützung und Kooperationsbereitschaft unter den Stammheimern nicht gäbe, hätte ich mich nicht als Bezirksvorsteherin beworben.

Welche Frage würden Sie sich zum Schluss selbst stellen wollen?
Sie haben schon viel gefragt, vielleicht ob es mir in Stammheim gut gefällt.

Gern geschehen. Also, wie gefällt’s?
Ich bin überzeugte Stammheimerin. Ich bin zwar immer noch eine Reingeschmeckte, aber ich bin mit offenen Armen empfangen worden und möchte hier nicht mehr weg – weder beruflich noch privat.

Lebenslauf von Susanne Korge

Susanne Korge wurde am 28. Mai 1957 in Stuttgart geboren. 1976 machte sie ihr Abitur am Mörike-Gymnasium. Von 1977 bis 1979 war sie Verwaltungsangestellte, von 1979 bis 1981 machte sie ihre Ausbildung bei der Stadt Stuttgart. Es folgte von 1981 an das Studium an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Stuttgart, das sie im Jahr 1983 als Diplom-Verwaltungswirtin (FH) abschloss. Direkt im Anschluss arbeitete sie bis 1988 im Sozialamt als Amtsvormund und -pflegerin sowie in der Sozialhilfesachbearbeitung. Von 1988 bis 1999 folgte die „Familienphase“. Susanne Korge hat drei Kinder, war unter anderem fünf Jahre im Gesamtelternbeirat und im Jugendhilfeausschuss tätig. Von 1999 bis 2004 war sie im Bezirksrathaus Stammheim für die Sozialhilfesachbearbeitung und von 2005 für das Fallmanagement im Jobcenter zuständig. Seit Oktober 2008 vertrat sie Tina Hülle als Bezirksvorsteherin in Stammheim.