Die Schönheit des Schwäbischen zeigt sich in seinem Klang – behauptet der Musiker Heiner Reiff im Stile eines Philosophen und liefert beim „Auf gut Schwäbisch“-Stammtisch im Stuttgarter Zeppelinstüble gleich den Beweis dafür.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Stuttgart - Die Schwaben gibt es nicht – das ist spätestens seit der großen Landesausstellung im vergangenen Jahr allgemein bekannt. Sie sind nämlich ein buntes Völkchen – sowohl was ihre Herkunft als auch ihr Naturell betrifft. Die Bandbreite des Schwäbischen dokumentiert der viel zitierte Spruch: „Guetmütig bis dort naus, wenn’s sei muaß au saugrob, des isch dr Schwob.“

 

Beim „Auf gut Schwäbisch“-Stammtisch im Zeppelinstüble des Hotels Steigenberger Graf Zeppelin kann man sich vom Wahrheitsgehalt dieses Satzes überzeugen. An bisher 28 Stuttgarter Stammtisch-Abenden waren fast alle Facetten des Schwäbischen zu bestaunen. Jetzt, am Donnerstag, trat eine weitere hinzu: Schwäbisch als Klangerlebnis. Der Mann, der daran arbeitet, den Dialekt „aus der Ecke des Geduldeten“ herauszuholen und sein klangliches Potenzial zu entfalten, heißt Heiner Reiff. Er ist Gitarrenvirtuose.

„No me Hai!“

Bei seinem Gastspiel im Zeppelinstüble überrascht der „singende Gitarrist“ mit der Feststellung: „Schwäbisch muss man nicht verstehen, es reicht, seinen Klang zu hören.“ Nicht nur Worte transportierten eine Botschaft, sondern auch ihr Klang. Vertontes Schwäbisch ist für ihn schlichtweg ein Erlebnis. „Wie eine Oper“, sagt Reiff. Und dann lässt er auch schon eines seiner Saiteninstrumente erklingen und näselt: „No me Hai!“ (Noch mehr Heu). Ein Spiel mit Worten, vor allem aber mit Klängen. Man fühlt sich in die Südsee versetzt; die sommerlichen Temperaturen tragen das Ihre dazu bei.

Reiff liebt Lautmalereien, die bei ihm manchmal auch Leisemalereien sind – wie in seinem „Tigerfelder Stay Blues“, der die hingehauchten Zeilen enthält: „Du stremfich, i barfuß/guck jetzt et auf d’Uhr/mach mit mr Stay Blues/am viere em Flur.“

Reiff, 60, stammt aus Wurmlingen. Gitarrenmusik macht er von Jugendjahren an. Als 21-Jähriger ging er für ein Jahr in die USA, um dort seine eigentliche Reifeprüfung abzulegen, wie er sagt. Er hatte zwei Ziele: in einer Band spielen und Frank Zappa treffen, sein musikalisches Idol. Den 1993 verstorbenen Zappa hat er nie getroffen, aber eine Band hat er gefunden: „Champain“, eine kalifornische Tanz- und Show-Formation, mit der er fröhlich durch die Staaten tingelte. Zurück in Deutschland experimentierte er mit Rockjazz und „schwäbischen Experimentalklängen“. Sein Geld verdiente er als Studiomusiker und Produzent für Musik- und Filmmusiken für Industrie und Fernsehen – bis heute.

Mit Ernst Mantel bildet er ein schwäbisches Erfolgsduo

Eines Tages traf Reiff den Kabarettisten und Musiker Ernst Mantel, den er einen „fantastischen Wort- und Gedächtniskünstler“ nennt. Reiff steuerte die Töne bei. So entstand das schwäbische Erfolgsduo „Ernst und Heinrich“. Das war 1998 – „als die meisten hier Anwesenden noch gar nicht geboren waren“, stellt Moderator Tom Hörner beim Blick in die Stammtischrunde mit Augenzwinkern fest. Zum 20-Jahr- Bühnenjubiläum wollen „Ernst und Heinrich“ ein „Best of Album“ herausgeben. Der Titel steht bereits fest: „Nex verkomma lassa“, typisch Schwäbisch halt. An diesem Samstag tritt das Duo im Renitenztheater auf. Die gute Nachricht ist: Es gibt noch Karten.

Reiffs neuestes Musikprojekt heißt „Hasa“. Der Name der fünfköpfigen Schwaben-Band ist angelehnt an die US-Raumfahrt-Behörde Nasa – ein Fall von „umbenannter Raumfahrt“. Auch darin zeigt sich Reiffs filigranes Spiel mit Sprache und Musik. Wer „Hasa“ übrigens live abheben sehen will, sollte wiederum das Renitenztheater im Auge behalten. Es dient Reiff als Startrampe.

Nach so viel dialektalem Feinsinn kommt im Zeppelinstüble die handfeste Facette des Schwäbischen zum Vorschein: Elke Zinser aus Eltingen und Hans Jürgen Gräser aus Schöckingen tragen Selbsterlebtes und Selbstverfasstes vor. Auch für diesen Klang des Dialekts gibt’s reichlich Applaus.