Auf speziellen Surfbrettern kann man den Fluss zurzeit aufrecht erkunden. Ein Selbstversuch im Stand-up-Paddling.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Waiblingen - Sehr idyllisch, aber auch sehr braun mäandert der Fluss vor sich hin. Ein Klumpen Entengrütze trudelt träge vorbei. Die Oberfläche lässt keinen Millimeter Blick in die Tiefe zu. Reinfallen möchte man da lieber nicht.

 

„Wisst ihr, wann ich das letzte Mal auf der Rems gefahren bin?“, fragt ein Vater seine zwei Jungs, blickt dabei aber aufmerksamkeitsheischend eher seinen Nebenmann von der Seite an. „Das war beim Kinderferienprogramm der Stadt Waiblingen – damals haben wir uns das Floß noch selbst gebaut.“ „Damals war der Fluss wahrscheinlich noch ein bisschen sauberer“, wirft der Nebenmann ein – um seiner Skepsis Luft zu machen, aber auch, um die Zeit ein wenig zu überbrücken.

Vor der kleinen Anlegestelle der Schwaneninsel unterhalb des Biergartens, wo man das aufrechte Paddeln auf speziellen Surfbrettern wagen kann, hat sich eine kleine Schlange gebildet. Das aus der Schwäbisch-Gmünder Jugendhilfe entstandene Unternehmen Epia (Erlebnispädagogik im Alltag) bietet dort an den Sommerwochenenden Stand-up-Paddling auf der Rems an.

Wie sauber ist der Fluss wirklich?

Die Jungs, etwa sieben und neun Jahre alt, haben sich derweil schon ein paar Schwimmwesten besorgt. „Von wegen“, sagt der Vater, und knüpft an die Einschätzung der Wasserqualität an, „damals, vor geschätzt 30 Jahren, war die Rems noch richtig schmuddelig. Heute sollen hier schon ein paar Flusskrebse gesichtet worden sein. Das ist doch ein untrügliches Zeichen für sauberes Wasser – oder nicht?“ Ganz sicher scheint er da allerdings nicht zu sein, im ersten Satz hat ein „soll“ gestanden und „oder nicht“ war mit einem deutlichen Fragezeichen versehen.

Derweil trudeln mehrere Stand-up-Paddler ein, die es geschafft haben. Nicht alle stehen aufrecht, aber alle haben Bikini oder Badehose an. Badekleidung wäre für den erstmaligen Selbstversuch sicherlich gut gewesen, ist aber leider daheim im Schrank liegen geblieben. Der tollkühne Vater und seine mutigen Söhne machen sich bereit – und nehmen bequem in einem Kanu Platz. Auch ein solches Boot kann man hier nämlich ausleihen. . . Aber davon soll ja hier eher weniger die Rede sein.

Es kann schon ein bisschen wackelig werden

Also gut, T-Shirt: ausziehen oder nicht? „Das müssen Sie selbst wissen“, sagt der Epia-Geschäftsführer Norbert Friedel, ein staatlich anerkannter Jugend- und Heimerzieher, Erlebnispädagoge, Berufsberater für benachteiligte Jugendliche, Fachwirt für Organisation und Führung und im heutigen Fall Anleiter und Motivator. „Es kann schon ein bisschen wackelig werden“, räumt er ein und fügt nach einem kurzen Seitenblick an: „Ich würd’s ausziehen.“

Dann zieht er eines der Bretter an den Steg heran und ermuntert zum Aufsteigen. „Erst mal im Knien austesten. Wenn Sie sicher sind, vorsichtig aufrichten.“ Das Knien klappt gut, doch Friedel fügt an: „Rot ist hinten, schwarz vorne – also genau anders herum.“ Nach einer etwas peinlichen Umorientierungsphase stößt er das Brett ab, und lässt seinen Schützling auf sich allein gestellt. Die Blicke von der Landseite, die deutlich wahrnehmbar im Nacken brennen, drängen zum frühzeitigen Aufstehen.

Nur Feiglinge bleiben auf den Knien, also los. Die Schwerkraft hält sich netterweise zurück, die Balance zu halten ist gar nicht so schwer. Doch schon dräut ein Problem: Das Gebüsch am anderen Ufer kommt dem Stand-up-Paddler entgegen. „Links Paddeln“ rufen die Ruderreflexe – woraufhin das Gebüsch nur noch mehr Fahrt aufnimmt. Im letzten Augenblick fällt die richtige Lösung ein: Gegenpaddeln auf der anderen Seite.

Jetzt ist es ein erhebendes Gefühl. Geschwindigkeit aufnehmen durch wechselseitiges Paddeln, der – leider immer noch braune – Fluss gleitet unter dem Brett weg wie Butter. Das Wasser rauscht leise, die Vögel tschilpen. So muss es sich auch auf dem Amazonas anfühlen. „Sorry!!!“ Zwei Bikini-Frauen kommen hektisch umherstechend entgegen, „Wir können nicht ausweichen!“ Na toll, wer kann das schon? Es klappt gerade so ohne Kollision, doch schon taucht, quasi eine Etage tiefer, das nächste Hindernis auf. Ein Mann kniet auf seinem Brett, sein gelbes Trikot ist pitschnass, selbst aus seinem Bart trieft die Rems. Der verzweifelte Gesichtsausdruck verrät, dass auch er keine Manövriererfahrung hat. Trotzdem versucht er es – was den Effekt hat, dass beide Paddler immer wieder in die gleiche Richtung steuern. Doch auch diese Herausforderung lässt sich meistern.

Und plötzlich kommt Gegenverkehr auf

Am Ende kommt der Autor dieser Zeilen wohlbehalten und ein bisschen stolz, weil absolut trocken am Anleger an. Es hat Megaspaß gemacht, der feste Beschluss, es wieder zu tun, ist gefasst. Nur die Sache mit den Flusskrebsen muss vorher noch einmal verifiziert werden.