So interessante Vorschläge hätten viele nicht erwartet. Nach einer Standortprüfung für ein Film- und Medienhaus gibt es Perspektiven am Bahnhof und an der Calwer Passage.

Stuttgart - Ach, das wird doch sowieso nichts!“ In der auf der Warmhalteplatte Stuttgarter Kulturprobleme vor sich hin brutzelnden Diskussion um ein neues Film- und Medienhaus mit integriertem Kommunalem Kino konnte man diesen Seufzer bislang oft hören. Damit dürfte seit Donnerstagabend Schluss sein. Da haben die von der Initiative für ein Film- und Medienhaus beauftragten Standortprüfer in der Merz-Akademie erste Ergebnisse präsentiert. Einige lassen nicht nur ein Film- und Medienhaus möglich erscheinen, sondern die jeweilige Stadtquartierentwicklung in ganz neuem Licht erscheinen. Im Spiel sind unter anderem der Frontbau der Calwer Passage, das Oberdeck des Breuninger-Parkhauses und der Hindenburgbau.

 

Lange krankten die schönen Neustartideen jener als Filmhaus an der Friedrichstraße kläglich in sich zusammengebrochenen Vision an den vorgetragenen Wunschorten. Die gefielen zwar einigen Mitgliedern der Initiative, die nur aus Institutionen der Film- und Medienbranche besteht, der Filmförderung des Landes etwa, der Merz-Akademie und dem Haus des Dokumentarfilms. Aber weder in der Verwaltung noch im Gemeinderat konnten sie angesichts ihrer Lage oder baulichen Beschränkungen viele Gemüter erwärmen. Die Villa Berg wäre hier zu nennen oder das Gebäude des Kunstvereins am Schlossplatz.

All diese Vorschläge sind nun vom Tisch. Das Stadtplanungsbüro Pesch Partner hat 62 mögliche Standorte geprüft, die wenig geeigneten aussortiert, darunter eben auch bisherige Favoriten, und sechs Gebäude näher angeschaut, die gute Entwicklungschancen für unterschiedlich große Häuser bieten. Neben der Calwer Passage, dem Breuninger-Parkhaus und dem Hindenburg-Bau sind das die ehemalige Feuerwache in Heslach, das Züblin-Parkhaus sowie das Areal unter der Paulinenbrücke.

Ein Kommunales Kinos mit Gastronomie

Über all diese Orte hat sich das Stuttgarter Architekturbüro Haas, Cook, Zemmrich erste Gedanken gemacht. Unter der Paulinenbrücke und in Heslach wären nur kleine Lösungen möglich, Kommunale Kinos mit Gastronomie, einer Ausstellungsfläche und einem Archiv, eventuell auch einer Videothek. Im Hindenburgbau, am anderen Ende des Spektrums, wären all diese Module nicht nur sehr viel größer planbar. Es könnte ein Branchenzentrum entstehen mit Räumen für kommerzielle Mieter aus der Medienbranche und mit Wohn- und Laborangeboten für Studenten – oder, falls sich Mäzene oder Töpfe finden, auch für Stipendiaten.

Dass die Möglichkeit für Außengastronomie auch am Abend, großzügige Eingangsbereiche, Charakter stiftende Besonderheiten für den Erfolgs eines Film- und Medienhauses so wichtig sind wie leichte Erreichbarkeit, hat Martin Haas in seiner Präsentation eindringlich betont. Vor zehn Jahren wäre er damit bei der orthodoxen Fraktion rechtgläubiger deutscher Cineasten noch auf starke Zweifel gestoßen. Ein Filmhaus, hätten die Jünger der Projektorlampe gepredigt, bestünde vor allem aus dem Saal des Kommunalen Kinos, und entscheidend für die Besucherströme des Hauses sei einzig dessen Filmangebot.

Gespräch und Nachdenken über bewegte Bilder fördern

Von diesem Denken aber ist auch bei älteren Kinoliebhabern nicht viel übrig geblieben, seit Medienwandel und technische Aufrüstung der Wohnzimmer mehr Filmgeschichte und aktuelles Weltkino auf Knopfdruck per Streaming oder DVD-Sammlung nach Hause bringen als ein Kommunales Kino je bieten könnte. Ein Filmhaus muss seine Funktion als Begegnungsstätte betonen, worin ja auch Sinn und Chance liegen. So ein Haus soll das Gespräch und Nachdenken über bewegte Bilder fördern und idealerweise zum Entstehen neuer Filmprojekte beitragen.

An der Calwer Passage wären mit dem Fluxus-Mixbereich aus Kultur und Einkaufen sowie der Volkshochschule schräg gegenüber viele Synergieeffekte denkbar. Der Aufsatz auf dem Breuninger-Parkhaus würde die Kulturmeile fortsetzen. Und der Hindenburgbau am Hauptbahnhof könnte Stuttgart programmatisch gleich für jeden Neunankömmling als Medienstadt präsentieren. Nun müssen die Gemeinderäte sich Gedanken machen, welche Möglichkeit weiter durchgeplant werden soll. So interessante Optionen für die Entscheidung über ein Film- und Medienhaus hatten sie noch nie. Oder, wie Markus Merz, Vorstand der Initiative, sagt: „Es jetzt nicht zu klein zu denken, das ist die große Chance.“