Das deutsche Silicon Valley reicht nicht. Berlin will auch für schwäbische Mittelständler sexy werden und macht der entstehenden Startup-Kultur im Südwesten Konkurrenz. Man lockt nun mit kooperationsfähigen Technologie-Gründungen und billigen Programmierern.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Berlin weiß, wie man sich cool präsentiert: Bei der Werbetournee für den Start-up-Standort sind Konferenzsäle nicht hip genug. „Pop up Lab - Berlin als Kreativlabor“, heißt die Tour, mit der die Stadt gerade in der ganzen Republik an ihrem Image als Start-up-Standort feilt. Und so fand in Stuttgart der Auftakt zu einem einwöchigen Info-Event mitten im Herzen der Stadt statt - in einer Bar direkt am Eingang der Calwer Passage. Roboter und Elektrobikes boten gegenüber den Tresen mit den Flaschen mit Gin, Wodka und Havana Club innovatives Ambiente. In virtueller Realität ließ sich die Hauptstadt in 360-Grad-Perspektive besichtigen. Sogar schwäbische Übersetzer hatte man anscheinend angeheuert: „Currywurst? Da isch mer zu viel Gwürz drin“, stand auf den Souvenir-Tragetaschen.

 

Startups kommen von selber

Doch das Image des deutschen Silicon Valley reicht offenbar nicht mehr. Das über Jahrzehnte deindustrialisierte Berlin will mehr von der starken Industrie in Deutschland profitieren und sieht seine Start-up-Kultur dafür als Lockmittel. Auch wenn freundlich von einer engen Partnerschaft zwischen Stuttgart und Berlin die Rede war, tummelt sich die Hauptstadt damit auf einem Gebiet, das als Stärke Baden-Württembergs gilt. Immer mehr Firmen kooperieren auch dort mit Gründern, um Innovationen schneller voranzutreiben.

Berlin will nun nicht seine Start-ups zu den Unternehmen bringen, sondern ermuntert baden-württembergische Unternehmen, die Berliner Gründerkultur für sich nutzen. Bei Apps und Online-Portalen ist die Hauptstadt heute schon stark. Nun dient sie sich als Partner etwa für schwäbische Mittelständler an. Das Reservoir an Programmierern und Internetexperten ist groß. Warum also nicht entsprechende Abteilungen an die Spree verlagern?

Mit Burkhard Knospe, dem Vorstandsvorsitzenden des Lenzkircher Messgeräteherstellers Testo trat in Stuttgart ein Kronzeuge auf: „Wir brauchen App- und Cloud-Programmierer – aber die sind bei uns im Südschwarzwald nicht zu bekommen“, sagte er. Das hohe Lohnniveau, insbesondere auch wegen der nahen Schweiz, sei zudem kaum noch zu bezahlen. Seit kurzem hat die Firma, die 300 Millionen Euro Jahresumsatz macht, eine Außenstelle in Berlin - und ist auch dank niedriger Kosten hochzufrieden: „Einen Programmierer bekommen sie dort für 30 Prozent weniger Gehalt.“

Gezielt will Berlin innovative Produktionsbetriebe anlocken, die man in der Nachkriegszeit weitgehend verloren hat. So hatte Carola Lau vom Cleantech Business Park Berlin-Marzahn gleich 90 Hektar potenzielle Industriefläche für Unternehmen aus dem Bereich grüne Energie im Angebot: „Wir richten uns ausdrücklich an Produktionsbetriebe.“ Bei solchen innerstädtischen Flächen kann kein Standortentwickler im Südwesten mithalten.

Weg von der App-Ökonomie - hin zur Technologie

Auch die Berliner Start-up-Förderung geht inzwischen weg von der App-Ökonomie. In Berlin-Adlershof, dem Standort des früheren DDR-Fernsehens, werden in einem Technologiepark inzwischen Betriebe angesiedelt, die nicht das Silicon Valley imitieren sollen, sondern das Erfolgsrezept des deutschen Südwestens. „Baden-Württemberg ist unser Vorbild“, sagt Stefan Franzke, der Geschäftsführer der Berliner Standortförderagentur. Er will Digitalwirtschaft und traditionelle Industrie verbinden. „In Adlershof geht es nicht um Apps, sondern etwa um Dioden-Laser“, sagt Peter Strunk, Sprecher der Firma Wista, die den Technologiepark managt. In einigen Nischen habe man schon heimliche Weltmarktführer hervorgebracht. Berlin punktet hier nicht mit Coolness, sondern mit Infrastruktur.

Noch sind dort die Firmen mit durchschnittlich 16 Mitarbeitern klein. Der Weg bis man im Südwesten Sorge um die Verlagerung von Arbeitsplätzen haben muss, ist also noch weit. Doch bei den aufblühenden Programmen, die etablierte Firmen und Start-ups zusammenführen, muss sich Stuttgart für Konkurrenz wappnen.