„Star Trek: Picard“ bei Amazon Prime Was taugt der „Raumschiff Enterprise“-Ableger?

Patrick Stewart spielt in der Serie „Star Trek: Picard“, die am Freitag, 24. Januar, auf Amazon Prime startet, den legendären Sternenfahrer Jean-Luc Picard als alten Mann.
Stuttgart - Dort, wo Frankreich am schönsten ist, schmiegt sich Château Picard pittoresk an sonnenverwöhnte Weinberge. Im mit Plüsch dekorierten Gemäuer macht es sich ein Besucher gerade auf einem Sessel gemütlich und liest in Isaac Asimovs „Robotergeschichten“. „Ah, Sie mögen die Klassiker“, stellt der Hausherr anerkennend fest, als er mit einem Tablett voller Teegeschirr hereinkommt, sagt dann aber seufzend: „Ich selbst habe mir nie etwas aus Science-Fiction gemacht. Irgendwie verstehe ich nicht, was das soll.“
Der Mann, der das sagt, heißt Jean-Luc Picard. Er war in 178 Episoden der Serie „Star Trek: The Next Generation“ (1987– 1994) und in vier Kinofilmen (1994–2002) Kommandant an Bord mehrerer Raumschiffe, die meistens Enterprise hießen, jetzt ist er der Titelheld der Serie „Star Trek: Picard“ und damit ein Science-Fiction-Held wider Willen. In den drei uns vorab zur Sichtung überlassenen Episoden der Serie, die an diesem Freitag bei Amazon Prime startet, hat man jedenfalls den Eindruck, dass da von einem erzählt wird, der lieber beharrlich nostalgisch zurückblickt, als sich an futuristischen Fantasien zu berauschen.
Weintrauben ernten statt zu den Sternen fliegen
Und das, obwohl sich „Star Trek: Picard“ weiter als je zuvor in die Zukunft wagt und die anderen TV-Serien hinter sich zurücklässt: die Originalserie mit Captain Kirk und Mr. Spock, die Mitte des 23. Jahrhunderts spielt, ebenso wie die Serien „The Next Generation“, „Deep Space Nine“ und „Voyager“, die zwischen 2364 und 2378 spielten. In „Star Trek: Picard“ schreiben wir das Jahr 2399. Und Jean-Luc Picard (Patrick Stewart), der schon immer der große Humanist unter den Raumschiffkommandanten war, hat sich vor ein paar Jahren mit der Sternenflotte überworfen und seinen Job hingeschmissen. Seinen Admiralstitel durfte er zwar behalten, aber statt zu den Sternen zu fliegen, kümmert sich Picard jetzt lieber um sein Weingut, schwärmt von der schweren Süße seiner Weintrauben. Statt Zukunftsromane zu lesen, hält er es lieber mit Shakespeare – und hat tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit den Protagonisten aus dessen pastoralen Komödien, in denen die Stadtgesellschaft ihrem bisherigen Leben überdrüssig aufs Land flieht; dort wird aber schnell klar, dass es nicht reicht, sich mit kuscheligen Tieren und frischer Landluft zu umgeben, um – bei Shakespeare – die Stadt oder – bei Picard – die unendlichen Weiten des Weltalls wirklich hinter sich zu lassen.
Überall lauern romulanische Killerkommandos
Denn das Idyll, in das sich Picard zurückgezogen hat, hält nicht lange. Erst steht eine geheimnisvolle junge Frau (Isa Briones) vor seiner Tür, die genauso aussieht wie die altertümliche Dame auf einem Gemälde, das der Android Data, der einst Picards Zweiter Offizier war, vor vielen Jahren gemalt hat. Und als dann auch noch ein romulanisches Killerkommando ins Château Picard einbricht, weiß der Admiral a. D., dass es Zeit ist, wieder ins All zu reisen und die Welt zu retten.
Jean-Luc Picard ist der beste Chef der Welt
Dass sie trotzdem zu ihrem alten Chef hält, ist kein Zufall. Unter all den Raumschiffkommandanten, die inzwischen das „Star Trek“-Universum bevölkern, das sich einst Gene Roddenberry ausdachte, ist Picard die beste Führungskraft. Er ist kein Hitzkopf und kein impulsiver Einzelgänger, der seinem Bauchgefühl stets mehr traut als jedem klugen Ratschlag wie sein berühmter Vorgänger James Tiberius Kirk, sondern ein besonnener, gutmütiger und verständiger Teamplayer, der sich keine Entscheidung leicht macht – kein Mann der Tat, sondern der Reflexion.
Das macht Picard nicht nur zu einem besonderen Science-Fiction-Helden, sondern nun auch die Serie „Star Trek: Picard“, die Amazon Prime vom US-Sender CBS übernommen hat, zu einem außergewöhnlich vieldeutigen, vielfältigen Drama, das mehr als nur hübsche Science-Fiction-Schauwerte bietet. Zwar dürfen sich Kenner der „Star Trek“-Welt auf zahlreiche alte Bekannte freuen, die wie die berühmte Titelmelodie der Serie immer wieder durch die Szenen huschen. Doch der Schriftsteller Michael Chabon („Die unglaublichen Abenteuer von Kavalier und Clay“, „Die Geheimnisse von Pittsburgh“, „Telegraph Avenue“), der sich diesen neuesten „Raumschiff Enterprise“-Ableger ausgedacht hat, geht mit diesen Versatzstücken wunderbar eigenwillig um. Wie in seinen Romanen spielt er mit den Genres, nutzt diese letztlich als Vehikel, um über seine Lieblingsthemen – Familie, Herkunft und Selbstfindung – zu reflektieren, und erzählt so eine Science-Fiction-Story, die vielleicht sogar Picard gefallen würde.
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