Mitten im Wald hat der japanische Star-Architekt Kengo Kuma sein erstes Gebäude in Deutschland errichten lassen. Das Baumaterial ist Holz – und das lässt Besucher ganz unerwartet reagieren.

Klais - Spätestens seit der Eröffnung des von ihm entworfenen Victoria & Albert Museums in der schottischen Hafenstadt Dundee ist der Japaner Kengo Kuma auch in Europa ein hoch gehandelter Name in der Architekturszene. Wenn nächstes Jahr in Tokio die Olympischen Spiele eröffnet werden, wird man ihn weltweit kennen. Denn der 65-Jährige baut derzeit das Olympiastadion in der japanischen Metropole. Auch in Deutschland steht inzwischen ein Gebäude von ihm. Es ist allerdings versteckt in einem Wald zwischen Garmisch-Partenkirchen und Mittenwald.

 

Zu verdanken ist dieser Umstand dem Hotelbesitzer Jakob Edinger. Er wollte nämlich für sein Refugium Das Kranzbach ein Meditationshaus aus Holz errichten. Es sollte ein Rückzugsort werden, an dem sich „die Menschen wieder erden können“, einen „Platz absoluter Ruhe“, der mit der Natur in Einklang ist. Edingers Sohn, selbst Architekt, schlug seinem Vater vor, hier Kengo Kuma etwas bauen zu lassen. „Wir wollten bewusst einen japanischen Architekten, denn in Japan baut man seit Jahrhunderten Holzhäuser“, sagt der Hotel-Direktor Klaus King.

Pferde zogen die geschlagenen Stämme im Winter zum Bauplatz im Wald

Um den Star-Architekten zu gewinnen, ließ Edinger auf japanisch einen Brief verfassen und schickte ihn zu Kuma nach Tokio. Der Japaner wurde neugierig. Da sein Büro in Paris eine Europa-Niederlassung hat, machte der regelmäßig zwischen Tokio und Paris pendelnde Kuma bei einer Flugreise einen Zwischenstopp in München. Dort ließ ihn Edinger abholen. Danach lief er mit dem Architekten zwei Stunden lang durch den Wald oberhalb des zum Hotel gehörenden historischen Mary-Portman-Hauses. Direktor King hatte zwar schon eine Baugenehmigung vorliegen, doch der Japaner fand einen anderen Platz im Wald besser geeignet. Also musste King eine neue Baugenehmigung einreichen.

Realisiert wurde Kumas Entwurf schließlich von den Architekten des Studio Lois aus Innsbruck. In knapp fünf Monaten entstand das Meditationshaus mitten im Wald. 40 meist einheimische Handwerksbetriebe halfen beim Bau. Mit Pferden wurden die geschlagenen Stämme im Winter zum Bauplatz auf die Waldlichtung gezogen. Auf dem schneebedeckten Boden konnten beim Transport des Baumaterials somit die Schäden im Wirtschaftswald möglichst gering gehalten werden.

Kumas Credo: Holz ist das Schlüsselmaterial des 21. Jahrhunderts

Das Gebäude selbst besteht aus bodentiefen Fenstern, 1550 Weißtannen-Schindeln und einem Dach aus Zink. Kumas Credo: „Holz ist das Schlüsselmaterial des 21. Jahrhunderts.“ Heute, wo jeder zurück wolle zur Natur und wo sich „alle gestresst und überfordert fühlen“, sei Holz „das beste Material, um einen gegenteiligen Effekt zu erreichen“.

Warum fiel die Wahl ausgerechnet auf Weißtannen? Kuma: „Japanische Zimmerer haben mir gesagt: Das beste Baumaterial ist das, was hinter dem Haus wächst.“ Also entschied er sich für die Weißtannen, die direkt im Wald rund um das Meditationshaus standen. Auch Edinger betont: „Wir wollten ein heimisches Holz. Und die Weißtanne ist ein sanftes Material.“

Was das Meditationshaus gekostet hat, bleibt ein Betriebsgeheimnis

Tatsächlich erleben die Besucher des 160 Quadratmeter großen Pavillons eine besondere Stimmung. Im Innern steht nur ein großer Gong und eine Schale mit einer Kerze. Im Nebenraum gibt es eine japanische Tee-Lounge mit Tatami-Boden und Naturfasertapete. Blickt man nach draußen, sieht man ringsum Bäume, Farne und Moos. Kuma: „Das Gebäude musste mit dem Wald verschmelzen.“ Das ist ihm gelungen.

Petra King, die Frau des Hotel-Direktors, erzählt von der überwältigenden Wirkung, die der Raum auf seine Gäste entfalten kann. Zunächst hätten viele „Berührungsängste, wenn sie hier hoch gehen“. Doch dann verändere das Meditationshaus die Menschen. Eine Journalistin sei hier schon in Tränen ausgebrochen, „weil ihre Blockaden plötzlich aufbrachen“. Den Hotelier Edinger wundert all dies nicht: „Die Natur heilt die Seele“, sagt er. Was das Meditationshaus gekostet hat, bleibt zwar ein Betriebsgeheimnis. Aber die „ganz eigene Kraft und den Mehrwert“, den er seinen Besuchern damit bieten kann, war es ihm offensichtlich wert.