Der amerikanische Promi- und Kitschfotograf David LaChapelle präsentiert in Paris Prominente als verstümmelte Wachsfiguren und vollzieht damit die Wende zur Kunst.

Paris - David LaChapelle, das ist doch dieser Werbe- und Modefotograf, der sie alle vor die Kamera kriegt. Ob Mariah Carey, Naomi Campbell, Britney Spears, David Beckham oder Keith Richard: Der Amerikaner hat sie alle abgelichtet. Er war der letzte, der Andy Warhol fotografieren durfte, eine Woche vor dessen Tod. LaChapelles Bilder mögen noch so kitschig, noch so skurril sein. Wenn er die Prominenz zum Fototermin bittet, kommt sie.

 

Aber vielleicht will er sie ja nun nicht mehr herbeibitten. Seine jüngsten Fotoserien „Still Life“ und „Last Supper“ wecken Zweifel. Eine Kehrtwende deutet sich an. Gewiss, der mittlerweile 50-Jährige hat auch diesmal zur Kamera gegriffen. Die in der Pariser Galerie Daniel Templon ausgestellten Bilder amputierter Gliedmaßen und malträtierter Schädel von Politik-, Show-Business- und Bibelhelden sind Werke eines Fotografen. Aber sie sind eben noch viel mehr. LaChapelle hat sich diesmal auch noch als Collage-Künstler betätigt, als Regisseur, als Totengräber.

Cameron Diaz und Madonna wirken komplett zerstört

John F. Kennedy ist zu erkennen. Er scheint bei einem Unfall einen Schädelbasisbruch erlitten zu haben. Aus dem gespaltenen Haupt quillt ein Glasauge. Daneben liegt die Hand des einstigen US-Präsidenten, verstümmelt. Den anderen Protagonisten ist es kaum besser ergangen. Cameron Diaz hat beide Arme, Madonna sämtliche Finger verloren, Lady Di deren zwei. Michael Jackson immerhin scheint mit Schürf- und Platzwunden davongekommen zu sein.

So zerstört sie alle freilich auch anmuten, die sonst so makellos daherkommen, seelenlos scheinen sie nicht. In Augen, Haaren, Haut schimmert ein Rest von Ruhm und Schönheit. Mehr als ein Abglanz ist es indes nicht. Wunden, Verstümmelungen dominieren. Um Vergänglichkeit geht es. LaChapelle trägt mit „Still Life“ den ihn Zeitlebens beschäftigenden Glamour spektakulär zu Grabe. Was der Künstler dazu brauchte, fand er in Dublin. Vandalen hatten dort ein Wachsfigurenkabinett überfallen. Zurück blieb ein Figurenfriedhof – für LaChapelle eine fantastische Fundgrube. Selbst die Wellpappe, als dezenter Fotohintergrund eingesetzt, stammt von dort.

Jesus und seinen Jüngern kommen vergleichsweise gut davon

„Anstatt mit Photoshop habe der Amerikaner mit der vorgefundenen Wirklichkeit gearbeitet, sie gestaltet“, erzählt Victoire Disderot, die Sprecherin der Galerie Daniel Templon. La Chapelle habe inszeniert, bevor er auf den Auslöser gedrückt habe und nicht erst hinterher.

Während LaChapelle Madonna und Co. freilich in kruder Kaputtheit zeigt, ließ er gegenüber Jesus und seinen Jüngern Milde walten. „Last Supper“ sind Fotocollagen von anrührender Schönheit. Sie beeindrucken umso mehr, als man ahnt, dass die wächsernen Originale ziemlich kitschig gewesen sein dürften. Schon die offenbar gottesfürchtigen Museumseinbrecher hatten gegenüber den Teilnehmern des biblischen Abendmahls wohlwollende Zurückhaltung an den Tag gelegt. Die Gesichter der zwölf Apostel sind intakt geblieben. LaChapelle hat sie so gruppiert, dass sie einander lebhaft zugewandt sind, Da Vincis „Ultima Cena“ vor Augen.

Welten liegen zwischen diesem Werk und den schrägen, bonbonbunten Bildern eines Models oder Stars in „Vanity Fair“ oder „Rolling Stone“, die bisher LaChapelles Ruhm begründeten. Nicht einmal die Preise sind die alten. Sie sind gestiegen. Für einen Apostel heißt es 60 000, für John F. Kennedy, Cameron Diaz oder Madonna 80 000 Dollar hinblättern. „Ich wollte nie Künstler sein, das ist mir zu intellektuell“, hat David LaChapelle einmal gesagt. Jetzt will er es offenbar doch.