Die Bronx brennt, Disco ist tot, und aus den Trümmern des New Yorker Gettos entsteht eine neue Musik namens Hip-Hop- Baz Luhrmanns Netflix-Serie „The Get Down“ ist eine kunterbunte Zeitreise in die 1970er Jahre zu den Anfängen des Rap.

Freizeit & Unterhaltung : Gunther Reinhardt (gun)

Stuttgart - „Das ist hier nicht Disneyland, das ist die Bronx.“ Wer davon träumt, als Musiker Karriere zu machen, ist solche Sätze gewohnt. Da ist Mylene Cruz (Herizen Guardiola), die im Kirchenchor singt, aber darauf hofft, die nächste Disco-Queen zu werden. Und da sind Shaolin Fantastic (Shameik Moore) und Ezekiel (Justice Smith), die glauben, mit zwei Plattenspielern und einem Mikrofon die Musik der Zukunft zu machen.

 

Baz Luhrmann („Moulin Rouge“, „Romeo + Juliet“) erzählt in „The Get Down“, seinem Debüt als Serienregisseur, von den Anfängen des Hip-Hop. Seine Geschichte spielt im Jahr 1977. Die Bronx gleicht einem Kriegsgebiet, einem Trümmerfeld. Während sich zwischen brennenden Häusern Straßengangs herumtreiben, lädt der Discosound mit einer glamourösen, glitzernden Oberfläche zur Weltflucht ein. Doch die Zeiten ändern sich, und DJ Shaolin und MC Ezekiel, die sich mit ihren Freunden The Fantastic Four plus One nennen, entdecken eine neue Art von Musik, die sich ganz nah heranwagt an das wirkliche Leben.

Von Baz Luhrmann darf man natürlich keine Geschichtsstunde erwarten, der es darum geht präzise zu dokumentieren, wie das damals war, als die Popmusik rappen lernte. In der Serie „The Get Down“ inszeniert er wie gewohnt einen überkandidelten farbenfrohen und ziemlich teuren Mix aus Musical, Komödie und Drama. Angeblich hat der Spaß 110 Millionen US-Dollar gekostet. So teuer war noch keine Netflix-Eigenproduktion.

Romeo und Julia zwischen Hip-Hop und Disco

Luhrmann taucht die 1970er Jahre in magischen Realismus, erzählt eine mythische Heldenreise, in der der Hip-Hop-Pionier Grandmaster Flash (einer der Produzenten der Serie) zu einer Art Obi-Wan Kenobi für seine jugendlichen Hip-Hop-Schüler wird. „The Get Down“ ist aber auch eine klassische Coming-of-Age-Story, in deren Zentrum, Ezekiel steht, der in Mylene verliebt ist – ein Romeo-und-Julia-Plot, in dem sich nicht die Capulets und die Montagues als verfeindete Häuser gegenüberstehen, sondern die Liebenden den Graben überwinden müssen, der sich zwischen Hip-Hop und Disco auftut.

An das grellbunte Durcheinander in Baz Luhrmanns Serie, den mitunter kruden Stilmix muss man sich erst einmal gewöhnen. Opulent inszenierte Musicalpassagen treffen auf dokumentarisch daherkommende Stadtansichten, Komödie und Tragödie prallen immer wieder unvermittelt aufeinander, es wird viel gelacht und gesungen, aber auch ausgiebig gekokst und gekillt. Die vielen kleinen Schnipsel, die „The Get Down“ liefert, ergeben letztlich eine wunderbare, prall mit Leben gefüllte Hommage an die Popkultur der 1970er Jahre. Allein schon wegen des Soundtracks lohnt sich die Serie.

„The Get Down“: ab 12. August bei Netflix