Man stelle sich vor, der Landwirt spritzt nur an Stellen, an denen wirklich Unkraut wächst. Ein Hohenheimer Start-up hat ein Verfahren entwickelt, mit dem eben dies gelingen soll.

Lokalsport: Patrick Steinle (pst)

Die Aussage, dass Landwirte dank der Technologie des Hohenheimer Start-ups SAM-Dimension 90 Prozent der eingesetzten Pestizide einsparen könnten, lässt aufhorchen. Der Co-Gründer Robin Mink erzählt, dass es teils sogar 98 Prozent seien könnten, allerdings nur bei bestimmten Bedingungen.

 

Gemeinsam mit Alexander Linn hat Mink Ende 2020 das Start-up gegründet. Die Technologie ist schnell erklärt: Eine Drohne fliegt 70 Meter über den Feldern eines Landwirts und macht Luftaufnahmen. Mittels Künstlicher Intelligenz (KI) wertet eine Software dann aus, wo Unkraut wächst, und lokalisiert diese Stellen in einem geografischen Raster. Daraufhin fährt ein Traktor mit Pestiziden über den Acker, versprüht die Flüssigkeit allerdings nur an den Koordinaten, an denen die Software Unkräuter entdeckt hatte.

Etwa 30 000 Tonnen an Pestiziden werden pro Jahr verkauft

Laut des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit werden pro Jahr etwa 30 000 Tonnen Wirkstoff verkauft, ähnlich viel wird wohl verbraucht. Der Einsatz von Pestiziden reduziere die Artenvielfalt, töte Pflanzen und löse Kettenreaktionen aus. Außerdem können giftige Stoffe in die Nahrungskette des Menschen gelangen.

Das kurzfristige Ziel des Unternehmens ist es, den Einsatz an Pestiziden zu verringern und somit die Umwelt weniger zu belasten. „Das Thema ist gerade im Kommen, und weltweit gibt es den Drang, den Pflanzenschutzmitteleinsatz zu reduzieren“, sagt Mink. Langfristig hoffen der Agrarwissenschaftler und sein Team, das Schadpotenzial verschiedener Unkrautarten klassifizieren zu können. Manches Gewächs sei vielleicht eher harmlos und raube den Feldfrüchten keine wichtigen Nährstoffe, Licht oder Wasser.

Auf Dauer soll die KI darauf trainiert werden, zu erkennen, bei welchem Unkraut eine Behandlung überhaupt sinnvoll ist. So nehme man den Insekten weniger Lebensraum und fördere die Biodiversität, meint Mink. Die Landwirte, mit denen er in Verhandlungen ist, nehmen das Angebot meist an, auch wenn viele zunächst zögerlich seien. „Das Unternehmen ist noch jung und klein, wir können die Nachfrage nicht bedienen“, sagt der 33-Jährige.

Überwiegend arbeitet SAM-Dimension mit Landwirten aus Ostdeutschland und Tschechien zusammen. Im Südwesten, wo die Nachfrage ebenfalls vorhanden sei, seien die Äcker oftmals zu klein, als dass sich die Technologie rentieren würde. Der Stundenlohn des Drohnenpilots sei zu bedenken. Diese Aufgabe übernehmen momentan noch Werkstudierende, zumeist von der Uni Hohenheim.

Das ist die Geschichte des Start-ups

Dort hat auch Robin Mink im Masterstudiengang Agrarwissenschaften studiert. Als er – ebenfalls in Hohenheim – promovierte, fertigte er bereits gemeinsam mit Alexander Linn Studien zum Thema an. Nachdem sie einen Gründer-Workshop besucht und im Mai 2019 ein Stipendium erhalten hatten, folgte die Firmierung im November 2020. Die ersten drei Buchstaben in SAM-Dimension stehen für „Smart Areal Mapping“, was übersetzt intelligente Flächenkartierung heißt.

Für die ersten Versuche hatten die beiden Unternehmer weder eine Drohne noch die passenden Kameras oder Systeme. Mink berichtet, dass sie in der ersten Phase mit einer Schubkarre auf den Feldern unterwegs gewesen waren. Darauf war ein Galgen befestigt, an den Kameras montiert wurden, die im Sekundentakt fotografierten. Diese werteten sie aus und bemerkten schnell, dass sie Drohnen, bessere Kamerasysteme und eine neue Software brauchten.

Beim Kamerasystem spricht Mink von einer „Hardware-Innovation“. Die Auswertung der Software sei eine „Innovation der Künstlichen Intelligenz“. Diese müsse trainiert werden, SAM-Dimension war in diesem Jahr bereits in Portugal und Spanien. „Mit der Technologie bewegen wir uns weg von Schätzungen und hin zu datengestützten Statistiken“, erklärt Mink. „Für die KI ist es wichtig, verschiedene Regionen zu sehen.“

Start-up will wachsen

Pläne
SAM-Dimension zählt drei Vollzeitmitarbeiter und neun Werkstudierende. Das soll sich verdoppeln, sodass nach dem Winter deutlich mehr Landwirte die Technologie nutzen könnten. Trotz Pilotprojekten in Bayern und Baden-Württemberg werden sich Mink und sein Team vorerst auf Ostdeutschland und Tschechien konzentrieren. pst