Start-up Emectric baut Flugzeugbatterien Böblinger Luftstromer im Aufwind

Marc Emmerich erklärt ein Batteriesystem, das im Produktionsbereich des AI Xpress zusammengebaut wird. Foto: /Stefanie Schlecht

Marc Emmerichs Vater und Großvater haben sich mit Kleinmotoren einen Namen gemacht, sein Onkel Roland mit Kinoblockbustern. Mit seiner Firma Emectric baut der 38-Jährige in Böblingen Batteriesysteme für Flugzeuge – und schreibt damit seine eigene Erfolgsgeschichte.

Als Marc Emmerich ein kleiner Junge war, nahm ihn sein Vater regelmäßig mit auf den Deckenpfronner Flugplatz. Wolfgang Emmerich war Mitglied beim Flugsportverein Sindelfingen und ein begeisterter Flieger. „Als Kind bin ich bei ihm mitgeflogen“, erzählt der 38-Jährige. Seit seiner Kindheit ist Marc Emmerich von Flugzeugen fasziniert. Deshalb ist es auch nicht weiter überraschend, dass er heute Segelflugzeuge mit Batteriesystemen ausstattet. Überraschend ist dagegen etwas anderes – nämlich, dass der Mann bisher noch nie selbst geflogen ist.

 

„Irgendwie war immer etwas anderes wichtiger“, zuckt er mit den Schultern. Wie zum Beispiel seine Firma. Die heißt Emectric, beschäftigt rund 20 Mitarbeitende und macht laut Emmerich einen Jahresumsatz von anderthalb Millionen Euro. Den Start-up-Status hat Emectric also bereits hinter sich gelassen. Auch die 14- oder gar 16-Stunden-Tage, die Emmerich anfangs noch heruntergerissen habe, seien mittlerweile Vergangenheit. „Sonst verbrennt man sich da irgendwann“, sagt der Familienvater.

Die Produktionshalle erinnert an ein großes Physikklassenzimmer

Trotz der mittlerweile dreieinhalbjährigen Firmengeschichte wirkt alles ein wenig hemdsärmelig hier in dieser Werkstatt im Gebäude der Böblinger KI-Schmiede AI Xpress. Der weitflächige Raum, den Emmerichs Unternehmen sich mit weiteren hier angesiedelten Firmen und Start-ups teilt, erinnert an ein übergroßes Physikklassenzimmer – mit Werkbänken, allerhand herumliegenden Geräten, Drähten und Kabeln. Auf einem mehrere Meter langen Tisch hat das Mitarbeiterteam unzählige Zellen zu einer meterlangen Batterie zusammengefügt, die später einmal in die Tragflächen eines Segelfliegers montiert werden soll.

„Jedes Flugzeug braucht seine eigene Batterie“, erklärt Marc Emmerich. Schließlich spielt insbesondere bei Segelflugzeugen nicht nur das Gewicht an sich eine Rolle, sondern auch wie es verteilt ist. „Wir sind da einfach flexibel und passen uns an die jeweilige Form an. Entweder bauen wir den Akku dann in den Flügel, in den Rumpf oder in die Nase“, erklärt der Ingenieur. Der maßgeschneiderte Einbau von Batterien sei die Spezialität der Firma, deren Hauptgeschäftsfeld neben dem Prototypenbau für Motor- und Hybridflugzeuge bis jetzt die Sportfliegerei ist.

Aber noch in einem weiteren wichtigen Aspekt genieße man das Kundenvertrauen, denn die mittlerweile rund 100 Sportflugzeuge, die laut Emmerich mit seinen Batterien starten und fliegen, mussten zuvor alle einen Zulassungsprozess durch die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) durchlaufen – schließlich könnte ein Batteriebrand in der Luft fatale Folgen haben. Besonders interessiert seien die EASA-Experten deshalb, wenn man bei Emectric testweise Zellen „hochjagt“. Die besondere Sandwich-Anordnung und die verwendeten Materialien in den verbauten Batteriemanagementsystemen sorgten dafür, dass sich ein Feuer nicht ausbreiten könne.

Mit Motoren kennt man sich in der Familie Emmerich

Keine Frage: Mit Motoren kennt man sich aus in der Familie Emmerich. Marcs Großvater Hans Emmerich gründete zusammen mit seinem Bruder Heinz das Unternehmen, aus dem später die Solo Kleinmotoren GmbH und die Solo Aircraft Engine GmbH hervorgehen sollte. Beide Firmen hatte Marcs Vater als Geschäftsführer über Jahre mitgeprägt. Im Januar ist Wolfgang Emmerich im Alter von 72 Jahren verstorben. Seine Begeisterung für Flugzeuge und das, was sie antreibt, lebt in seinem Sohn weiter.

Während Solo auf Zweitakter spezialisiert ist, setzt Marc Emmerich auf Elektroantriebe. Über das Thema Batterien sei er nach dem Studium „gestolpert“, erzählt der 38-Jährige, der an der Uni Stuttgart sein Ingenieurdiplom im Fach Technologiemanagement gemacht hat. Was Marc Emmerich „stolpern“ nennt, sieht bei näherer Betrachtung eher nach einer recht zielstrebig verfolgten Idee aus, die mit jeder Station konkretere Formen annahm: von der Diplomarbeit zum Thema Ökodesign und Batteriewirtschaft über Stationen beim Fraunhofer-Institut bis hin zu einer Projektarbeit für die Flugmotorenfirma des Vaters. Dabei stieß Marc Emmerich auf einen Konkurrenten, der statt Verbrennern Elektromotoren anbot. „Der war aber nicht so besonders toll“, erinnert sich der Diplom-Ingenieur, wie damals in ihm die Überzeugung reifte, dass er das doch selber viel besser hinbekommen könnte. Über Gründerförderungen der Uni Stuttgart und vom Land erhielt sein kleines Start-up so viel Aufwind, dass er vor zweieinhalb Jahren eine Unternehmergesellschaft gründen konnte. Da die Firma mit Batterien arbeitet, war es aus Gründen der Gebäudesicherheit zunächst gar nicht so einfach, einen Produktionsstandort zu finden. Den fand Emectric dann im Böblinger AI Xpress – allerdings vor allem, weil man dort sehr gründerfreundlich ausgerichtet ist und nicht etwa, weil Künstliche Intelligenz für die Entwicklung der Batteriesysteme eine besondere Rolle spielen würde.

Gründerfreundliches KI-Zentrum stellt Raum zur Verfügung

„Die Zukunft der Kurzstreckenluftfahrt wird elektronisch sein“, ist Marc Emmerich überzeugt. Das werde zwar nicht von heute auf morgen passieren, weswegen er vor zu großem Hype warnt. Und bis man in der zivilen Luftfahrt breitflächig auf Elektroantriebe setzt, werden aus seiner Sicht noch gut 30 Jahre vergehen. „Gebt der Sache einfach ein bisschen Zeit“, mahnt er deshalb zur Geduld.

Das gilt vermutlich auch für Marc Emmerichs eigene Fliegerambitionen. Immerhin habe er jetzt angefangen, seinen Gleitschirmschein zu machen. Dazu habe ihn sein Mitarbeiter Martin Stry überredet, der bei Emectric für Produktion und Einkauf verantwortlich ist. Aber irgendwann will er schon auch mal selbst ein Flugzeug fliegen, oder? „Gleitschirmfliegen reicht mir erst mal“, sagt er lächelnd. Derzeit versuche er überhaupt für irgendetwas außerhalb der Arbeit Zeit zu finden. Sich mit einem Gleitschirm in die Lüfte zu erheben, wäre deshalb sicher schon einmal ein elektrisierendes Gefühl für den Flugzeugfan mit Bodenhaftung.

Junge Firmengeschichte

Starthilfe
In seinen Anfängen im Dezember 2018 wird Emectric über die Uni Stuttgart im Rahmen der Technologie-Transfer-Initiative GmbH in Form unterstützt. Danach erhält das Projekt Fördergelder im Rahmen des EXIST-Programms durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und den Europäischen Sozialfonds. Vom Land erhält Emectric zudem Mittel aus dem Programm „Junge Innovatoren“.

Förderer
Die Professoren Peter Birke (Universität Stuttgart) und Alexander Sauer (Stuttgarter Institut für Energieeffizienz in der Produktion) sowie das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) beraten und unterstützen das Start-up. Am 11. Januar 2022 wird die Emectric Batterien UG gegründet. Firmensitz ist im AI Xpress in Böblingen, wo Start-ups Büroräume und (soweit verfügbar) Produktionsflächen finden.

Weitere Themen