Die Grünen im Gemeinderat plädieren für den Einsatz eines KI-Produkts des Unternehmens vialytics, um Risse im Straßenbelag zu dokumentieren.

S-West - Der Antrag der Grünen im Gemeinderat habe ihn überrascht, meint Danilo Jovicic, einer der drei Geschäftsführer des Stuttgarter Start-up-Unternehmens vialytics mit Sitz an der Silberburgstraße. Auf der anderen Seite kam die Avance der Grünen für ihn auch nicht aus heiterem Himmel. Jovicic berichtet von Kontakten zu Stuttgarter Politikern. Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) sei als Kandidat während des Wahlkampfs auch schon zu Besuch gewesen.

 

Die Grünen im Gemeinderat machen sich nun in ihrem Antrag für einen Modellversuch der von vialytics entwickelten Künstlichen Intelligenz (KI) stark. Sie soll Straßenschäden genauso gut aufspüren können wie das menschliche Auge. Die Kunden des 2017 gegründeten Unternehmens brauchen zum Einsatz der KI nur ein Handy. Das kann an eine beliebige Windschutzscheibe eines städtischen Fahrzeugs mit einem Saugnapf befestigt werden. Über eine Anwendung kann ein Programm verwendet werden, das während einer Autofahrt die Straße filmt. Die Künstliche Intelligenz wertet die Bilder dann auf etwaige Schäden an den befahrenen Straßen aus. Ergebnisse liegen bereits nach einigen Tagen vor.

KI liefert schnelle Ergebnisse

Für Jovicic ist das ein entscheidender Vorteil der Technik. „Andere Methoden benötigen oft Monate, und Kunden sagen, sie könnten die Ergebnisse gleich wieder in die Tonne kloppen, weil nach jedem Sommer oder Winter ja neue Schäden an Straßen entstehen“, sagt der Geschäftsführer von vialytics.

Die KI soll dagegen ein aktuelleres Bild von Rissen und Dellen im Asphalt liefern, damit kleinere Schäden nicht mit der Zeit zu größeren werden. „Damit kann die Lebensdauer einer Straße verlängert werden“, meint Jovicic.

Viele Kommunen nutzen Anwendung

Rund 100 Gemeinden in Deutschland und im Ausland haben das Produkt von vialytics bereits im Einsatz. Darunter sind laut Jovicic auch viele an Stuttgart angrenzende Gemeinden. „Ich glaube, dass die Grünen auch deshalb den Antrag gestellt haben, weil ausgerechnet Stuttgart noch nicht dabei ist“, sagt er.

Jovicic schätzt, dass die Stadt vier Handys in Straßenfahrzeugen benötigt, um mit der Hilfe des Programms von vialytics das Stuttgarter Straßennetz zu untersuchen. „Es fallen Kosten von 60 bis 80 Euro pro Kilometer beim Einsatz unserer KI an“, sagt er.

Andere setzen auf Lasertechnik

Jovicic beansprucht für seine Firma eine Pionierleistung in Sachen Erfassung von Straßenschäden. Kommunen setzten dazu bisher unter anderem Lasertechnik ein. Oder sie verließen sich auf die Beobachtungen ihrer Mitarbeiter. Die Erfassung mit der Hilfe von Künstlicher Intelligenz ist in der Bundesnorm für die Erfassung von Straßenschäden auch nicht enthalten. „Solche Regulierungen hinken dem technischen Fortschritt Jahre hinterher“, moniert Jovicic. Kommunen müssten sich allerdings nicht an die Bundesnorm halten. „Sie können sich auch für moderne Technik entscheiden“, sagt der Geschäftsführer.

Sein Start-up-Unternehmen entwickelte sich 2017 aus einem Projekt. Jovicic lobt den Standort Stuttgart. „Es gibt hier einen breiten Mittelstand und viele Konzerne als mögliche Partner. Ich würde Stuttgart anderen Start-ups als Standort empfehlen“, sagt er. Schwieriger sei es dagegen, an sogenanntes Venture Capital in Stuttgart heranzukommen. So wird das Kapital bezeichnet, das Investoren gezielt in technologieorientierte und innovative Unternehmen fließen lassen. Während Jovicic auch Programme des Landes für Start-up-Unternehmen lobt, vermisst er eine Unterstützung der Stadt. „Ich habe in den vergangenen Jahren nicht erkannt, dass die Stadt eine aktive Rolle als Förderer einnimmt“, sagt er. Vielleicht ändere sich das in Zukunft, fügt er hinzu.

Mentalität muss sich ändern

Gerade die Coronakrise habe die Defizite Deutschlands bei der Digitalisierung deutlich gemacht, meint er. Die Förderung von Start-up-Unternehmen mit neuen digitalen Entwicklungen sei deshalb wichtiger als je zuvor. Es mangele in Deutschland an einem Glauben an die Chancen neuer Unternehmen und Technologien und Risikobereitschaft, findet Jovicic. „Vertrauen und Mut ergeben zusammen Initiative“, sagt er.