Mit der Initiative Gründermotor will das Land dem Unternehmergeist an Hochschulen einen Schub geben. In Stuttgart gab es in Corona-Zeiten zum Präsentationsfinale der Start-ups erstmals wieder ein Live-Erlebnis.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Die Stimmung ist fast wie vor den Corona-Zeiten. „Drei, zwei, eins“ zählt das Publikum im Stuttgarter Start-up-Zentrum Steyg lautstark, bevor jedes der acht Teams zum Finale des Start-up-Förderprogramms Gründermotor auf die Bühne geht. Doch direkt sind sie nicht zu sehen: Sie treten nur vor einer Kamera auf einem anderen Stockwerk des Gebäudes auf.

 

Die aktuelle Ausgabe der sogenannten Meisterklasse musste nach dem Ausbruch der Pandemie komplett virtuell improvisiert werden. Ihre Förderer und Berater aus den vergangenen Monaten haben die Teams erst kurz vor dem Finale in Stuttgart erstmals persönlich getroffen. „Das war schon für viele ein emotionaler Moment“, sagt Adrian Thoma von der Stuttgarter Start-up-Betreuung Pioniergeist, die das Programm koordiniert. Und auch zur finalen Präsentation ist nun ein bisschen Raum für Livegefühle.

Für die dritte Ausgabe der Meisterklasse haben Gründer aus den baden-württembergischen Hochschulen ein knappes halbes Jahr lang unter professioneller Betreuung und Anleitung ihre Ideen entwickelt und präsentieren sie zum Finale vor einer qualifizierten Jury. Doch statt wie üblich bis zu 80 Zuschauern sitzen auf den weit auseinandergestellten Stühlen nur 20 im Saal. Die Jury sitzt, virtuell zugeschaltet, weit verstreut. Immerhin man hat für das Online-Publikum den Veranstaltungssaal aus den bisherigen Events virtuell nachgebaut. Das 2019 vom Stuttgarter IT-Unternehmen Vector Informatik und von der Start-up-Plattform Pioniergeist lancierte, vom Land unterstützte Projekt schlägt die Brücke von der Hochschule zur Geschäftsidee.

Start-up-Kultur braucht auch das Bühnen-Feeling

Start-up-Kultur lebt vom persönlichen Kontakt und Austausch. Und das Event in Stuttgart war ein erster Versuch, wieder ein wenig Emotion in das Geschehen zu bringen. „Es ist eben schon ein Unterschied, ob du als Start-up zu Hause vor der Kamera stehst oder ob du dich auf einer Bühne bewegst“, sagt Adrian Thoma. Hybrid-Event ist deshalb das neue Schlagwort – begleitet von Abstandsgebot und Maskenpflicht. Das hat auch den einen oder anderen Vorteil: So lässt sich der Ministerpräsident Winfried Kretschmann höchstpersönlich zu einem kleinen Livegrußwort zuschalten. „Unsere Idee einer landes- und hochschulübergreifenden Gründerinitiative strahlt inzwischen über die Landesgrenzen hinaus“, sagt der Politiker, der sich gerne als Übervater der Start-ups im Lande sieht.

Für das Publikum hat die durch Corona erzwungene, stärkere Online-Präsenz das Event jedenfalls zugänglicher gemacht. Und dennoch: Mit dem binnen zwei Tagen aufgebauten Fernsehstudio ist man von der Stimmung näher an der Atmosphäre von TV-Formaten wie der Start-up-Show „Höhle der Löwen“ als am echten persönlichen Kontakt, wie es ein Gründer-Biotop auszeichnen sollte. „Na, wie ist die Stimmung bei euch?“, fragt denn auch die Moderatorin die Start-up-Teams.

Bei den geförderten Hochschul-Start-ups liegt die Messlatte hoch

Die Qualität der Präsentationen, sowohl vom technologischen Niveau als auch vom Auftritt der Teams her, ist hoch. Es geht um Lösungen für Künstliche Intelligenz, ob für einen effizienteren Einsatz von Insektiziden oder eine Funktionsanalyse von IT-Benutzeroberflächen. Eine Batterietechnologie für Elektroflugzeuge ist ebenso dabei wie eine hochspezialisierte, intelligente Überwachung von Druckluftsystemen – bei der man den typischen, heimlichen Weltmarktführer, den „hidden champion“ aus Baden-Württemberg schon fast erahnen kann. Viele der Start-ups zielen gleich auf ein anschließendes Förderprogramm des Landes: „Start-up BW Pre-Seed“ ermöglicht eine Co-Finanzierung von in der Regel 200 000, manchmal bis zu 400 000 Euro aus Landesmitteln, sofern ein privater Co-Investor zusätzlich ins Risiko geht.

Dass aus den Hochschulen echte Hightech kommt, zeigte der Jurysieger SAM Dimension, ein an der Uni Stuttgart-Hohenheim geborenes Start-up, dass es dank einer exakten Unkrautkartierung per Drohne erlaubt, Spritzmittel ganz gezielt einzusetzen – und das damit verhindern will, dass 90 Prozent davon gar nicht die Zielpflanzen treffen. Beim Publikum punktete hingegen das Konstanzer Start-up My Cabin, das naturnahe und rustikale Übernachtungsgelegenheiten auf Wiese, Wald, Stellplatz oder in der Scheune vermitteln will, wie sie bisher noch nicht im Reiseführer stehen. Dass auch das Stuttgarter Start-up Bill.Less, das als drittes im Bunde den Preis der Mentoren gewann, mit einer App den Kassenbon an der Kasse überflüssig machen will, gewissermaßen einen ökologischen Touch hat, passt ins Bild: Reich zu werden treibt die Hochschulgründer im Land offenbar weniger an als der Wunsch, die Welt etwas besser zu machen.