Mitten in der historischen Altstadt von Markgröningen sitzt ein Start-up, das Unternehmen beim Sammeln und Auswerten von Kundendaten hilft. Manch Markgröninger hält das Büro aber für ein anderes Geschäft.

Markgröningen - Das Bild könnte treffender kaum sein: In den ehemaligen Räumen eines Juweliers, ganz nah am Marktplatz in Markgröningen, sitzt jetzt eine kleine Firma, die mit Computern arbeitet. Die Türen sind noch aus Juwelierszeiten mit mehreren aufbruchsicheren Schlössern versehen – damals galt es, kostbare Schätze vor Einbrechern zu sichern. Heute dreht sich in den Räumen alles um das Gold des 21. Jahrhunderts: um Kundendaten. Paraboost, so der Name des im Herbst 2017 gegründeten Start-ups, bietet als Dienstleister anderen Unternehmen Hilfe bei der Erfassung und Verarbeitung von Kundendaten – die sich dabei im besten Falle direkt in Geld verwandeln.

 

Algorithmen gegen Baugefühl

Viele Verbraucher machen sich gar keine Vorstellung davon, welche Einsichten ein Händler durch ihre Daten erlangen kann. Dieser Umstand war ja mit ein Grund für das Austüfteln der neuen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die seit Freitag gilt. „Früher haben Unternehmer Entscheidungen nach Bauchgefühl getroffen. Heute können wir das Verhalten von Kunden prognostizieren“, sagt Philipp Göller einer der beiden Paraboost-Gründer.

Bei einem Fitnessstudio beispielsweise könne man auf Basis verschiedener Faktoren vorhersagen, welches Mitglied womöglich bald kündigen könnte – beispielsweise, weil die Besuche abnehmen oder ein anderes Studio aufgemacht hat, das näher am Wohnort des Kunden liegt. Mit diesen und weiteren Daten füttert man einen Algorithmus, der dann, basierend auf Werten aus der Vergangenheit, die Kündigungswahrscheinlichkeit errechnet – und schon hat man das, was im Jargon maschinenbasierte Data Science heißt. Und die laut Göller allen menschgemachten Vorhersagemodellen überlegen ist.

Das Beispiel lässt sich übertragen auf viele andere Bereiche: die Kündigungswahrscheinlichkeit eines Mitarbeiters oder die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunde ein weiteres Produkt kauft. Auf diesen Prognosen basierend lassen sich dann, so Göller, beispielsweise maßgeschneiderte Konzepte in Marketing und Controlling aufbauen. Auch für die Kundenbetreuung biete Data Science Werkzeuge: Automatisierte Texterfassungsprogramme können die sozialen Netzwerke auf Äußerungen zu einer Firma scannen und diese in positiv, neutral oder negativ einordnen. So könne ein Unternehmen so genannte Shitstorms also digitale Entrüstungsstürme, schneller erkennen und entsprechend reagieren.

Data Mining im kleinen Markgröningen

Welche Kunden Paraboost hat, möchten der Wirtschaftswissenschaftler Philipp Göller, 33, und der Programmierer Philipp Gassen, 26, nicht verraten. Nur so viel: Viele kämen aus der Versandhandelsbranche, und 100 Millionen Kundendaten hätten sie schon verarbeitet. Einen Kunden nennen sie schließlich doch: die Online-Spiele-Plattform Pokerstars, die weltweit größte für das Karten-Glücksspiel.

Data Mining, also die systematische, computergestützte Analyse von Daten, um Muster und Trends zu erkennen, im kleinen Markgröningen? Das verwundert auch manchen Eingesessenen. „Manchmal kommen Leute bei uns rein und wollen ihren Laptop reparieren lassen“, sagt Göller. Auch für ein Internet-Café wurde das Start-up schon gehalten.

Dass das ungehemmte Sammeln von Daten durch diverse Skandale bei Facebook und anderen Internetgrößen mittlerweile vor allem in Deutschland in Verruf geraten ist, können Göller und Gassen verstehen. Deswegen begreifen sie die neue Datenschutzgrundverordnung der EU als Chance. „Der Data-Science-Bereich muss sich jetzt von Altlasten trennen und aufräumen“, sagt Göller. Kundendaten müssten transparent und diskriminierungsfrei gespeichert und verarbeitet werden. „Viele Unternehmer wissen noch gar nicht, was da auf sie zurollt“, sagt Göller.

Für Paraboost hingegen könnte sich die neue Regelung auch positiv aufs Geschäft auswirken. Auf der Homepage steht: „Wir machen Sie DSGVO-ready.“