Die Landesregierung hat das Thema Start-ups entdeckt. Laut einer Umfrage von IdeenwerkBW, dem Innovationsportal von Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten, wollen sie von der Politik klarere Rahmenbedingungen und mehr Ehrgeiz.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Für den Start-up-Standort Baden-Württemberg gibt es noch einige Luft nach oben. Und der Südwesten ist beim Thema innovative Gründungen latent in der Gefahr, in regionaler Begrenzung und in hergebrachten ökonomischen Maßstäben zu verharren. Dies sind zentrale Ergebnisse, die eine Umfrage von Ideenwerk BW, dem Innovationsportal von Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten, in Zusammenarbeit mit der Universität Hohenheim ergeben hat.

 

Der Lehrstuhl Unternehmensgründungen und Unternehmertum hat im Nachgang zum großen Start-up-Gipfel des Landes vor eineinhalb Wochen bei mehr als 800 jungen Start-ups aus dem Land nachgefragt, um ein Zeugnis für den Standort zu erstellen. Als Start-ups werden junge Firmen mit innovativen Technologien und/oder Geschäftsmodellen definiert. Fast 200 von ihnen haben verwertbare Antworten geliefert, was eine hohe Rücklaufquote von einem Viertel bedeutet.

Gemischtes Zeugnis für die Landesregierung

Der Landesregierung, die sich verstärkt dem Thema innovative Gründungen widmen will, stellen die Gründer ein gemischtes Zeugnis aus. Ein gutes Drittel ist unentschieden. Mit 35,5 Prozent eher zufriedenen oder sehr zufriedenen Gründern gegenüber 29,7 Prozent teilweise oder ganz unzufriedenen neigt sich die Waagschale insgesamt leicht ins Positive.

Bemerkenswert ist der klare Kontrast zwischen den beiden größten Start-up-Ökosystemen des Landes: In Karlsruhe ist man deutlich zufriedener als in Stuttgart. Gründer aus der badischen Metropole geben von fünf möglichen Punkten im Durchschnitt 3,44. In der Landeshauptstadt liegt der Wert lediglich bei 2,69 Punkten. Die Durchschnittspunktzahl im gesamten Land liegt bei 3,03.

Eine offene Baustelle haben die Gründerinnen und Gründer in der Umfrage klar identifiziert: Nur 3,1 Prozent der Gründer glauben, dass sie die Förderprogramme im Land voll durchschauen. Und auch nur 11,9 Prozent glauben das zumindest überwiegend. Fast zwei Drittel sprechen hingegen von einem ziemlichen oder gar einem totalen Förderdschungel.

Denkt das Land in zu kleinen Maßstäben?

Ebenso klar ist die Aussage, wenn es um Ziele und Visionen geht. Ebenfalls fast zwei Drittel der Start-ups sind der Ansicht, dass das Land wirklich ambitionierte, global denkende Start-ups nicht im Blick hat. Solide, nur bis zu einer bestimmten Dimension wachsende und zu den bestehenden Strukturen kompatible Mittelständler sehen sie als das klare Ziel der Landespolitik. Einen Weltkonzern wie das in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstandene IT-Unternehmen SAP sehen die Gründer nicht auf der Agenda. Fehlender Ehrgeiz ist ein Kritikpunkt, der beim Thema Start-ups im Land öfter moniert wird.

Doch ein Teil der Start-ups fühlt sich in kleineren, regionalen Dimensionen offenbar zu Hause. Bei der Frage, ob die auf dem jüngsten Start-up-Gipfel BW präsentierten neun regionalen „Ökosysteme“ nun ein sinnvoller Ansatz sind oder ob eine gemeinsame Außendarstellung wichtiger wäre, gibt es keine einheitliche Meinung. Mit 41 Prozent Befürwortern und 38,5 Prozent Gegnern des regionalen Ansatzes liegen beide Meinungen fast gleichauf. Auch das Fünftel der Befragten, das beide Konzepte nicht gegeneinanderstellen will, erlaubt keine klare Richtungsbestimmung.

Ungleichgewicht der Regionen

Hier ist also keine klare Empfehlung an die Landespolitik zu erkennen. Die Umfrage liefert aber einen Hinweis darauf, wie unterschiedlich und ungleichgewichtig die aus struktur- und regionalpolitischen Gründen definierten Start-up-Regionen im Land sind. Mehr als die Hälfte der teilnehmenden Start-ups stammen aus den Regionen Stuttgart (36,8 Prozent) und Karlsruhe (20,2 Prozent). Mit weitem Abstand folgen die Regionen Neckar-Alb und Freiburg (knapp zehn Prozent). Regionen wie Heilbronn, Ostwürttemberg oder Bodensee kamen auf Anteile von weniger als fünf Prozent. Wegen möglicher regionaler Verzerrungen bei der Rücklaufquote sind das aber nur Tendenzwerte.

Was die Branchenverteilung der teilnehmenden Start-ups angeht, erweist sie sich als bunter, als die Fixierung der Landespolitik auf Technologiethemen nahelegt. IT- und Software-Start-ups stellten 30,6 Prozent der Umfrageteilnehmer, weitere 18,1 Prozent sind den Bereichen Hightech und Technologie zuzuordnen. Doch die andere Hälfte der Gründer sind in einem breiten Spektrum unterwegs – von Dienstleistungen über Handel und Gesundheit bis hin zu Agrar/Ernährung sowie Computerspielen/Medien. Im Mittel sind die befragten Start-ups vier Jahre alt und haben elf Mitarbeiter.