Der Verein Frauen helfen Frauen feiert sein 40-jähriges Bestehen. Start war 1977 mit der Beratungsstelle. Sechs Jahre später öffnete das Frauenhaus. Seither hat sich viel verändert und es gibt einiges zu feiern.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - Der Verein Frauen helfen Frauen begann 1977 mit der Beratungsstelle. Beraterin Iris Enchelmaier ist fast von Anfang an dabei, Heidi Graf-Knoblauch vom Vorstand ist seit 22 Jahren im Verein und Melanie Moll ist Sozialpädagogin im Frauenhaus. Sie berichten über die Veränderungen und Herausforderungen.

 
Die Devise Frauenpower statt Flowerpower fruchtete auch in Stuttgart. Wie ist der Verein Frauen helfen Frauen gestartet?
Graf-Knoblauch: Die Frauenbewegung hat das Thema Gewalt gegen Frauen in die Öffentlichkeit getragen. Unser Ziel war es, Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, zu schützen und zu unterstützen. Zwei Jahre nach der Gründung wurde eine Wohnung gemietet. 1983 eröffnete das autonome Frauenhaus mit 40 Plätzen. Es ist das größte in Baden-Württemberg.
Wie hat sich in den vergangenen 40 Jahren Ihre Klientel geändert?
Enchelmaier: Der Anteil der Geflüchteten wird größer. Manche kommen durch den Sozialdienst, manche aus eigenem Antrieb. Sie merken, dass Frauen hier mehr Rechte haben und wollen diese für sich einfordern.
Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus?
Graf-Knoblauch: Geändert hat sich der Fokus auf die Kinder, die mit ihren Müttern ins Frauenhaus kommen. Auch die Kinder werden beraten, und wir machen Ausflüge mit ihnen. Wir haben dafür eine Kooperation mit dem Kinderschutzzentrum.
Wie groß muss der Leidensdruck sein, dass Frauen alles aufgeben – vor allem, wenn sie nicht einmal Deutsch sprechen?
Moll: Viele sagen, dass sie das alles ihren Kindern nicht mehr zumuten wollen. Für geflüchtete Frauen, die in Unterkünften leben, verschärft sich in dieser Enge und der Stresssituation die Paarbeziehung. Oft kommt es da zum ersten Mal zu Gewalt.
Wurde Ihre Arbeit durch die geflüchteten Frauen schwieriger ?
Enchelmaier: Sie wurde komplexer, und wir haben mit Angeboten auf die verschiedenen Bedürfnisse reagiert. Anfangs haben wir nur mit Frauen gearbeitet. Jetzt können die Frauen mit ihrem Partner an einem Fair-Streit-Training teilnehmen oder Paargespräche führen. Beides wird in Kooperation mit der Fachberatungsstelle Gewaltprävention angeboten. Und seit Anfang 2016 gibt es eine Online-Beratung.
Wie funktioniert das?
Enchelmaier: Die Frau meldet sich auf der Plattform für einen Chattermin an. Es gibt auch eine E-Mail-Beratung. Die Schwelle ist nicht so hoch wie der Besuch in der Beratungsstelle. Wir haben das insbesondere für junge Frauen eingerichtet. Stark bedrohte Frauen, die nicht unkontrolliert ausgehen können und Frauen, die isoliert sind oder ein Handicap haben, bekommen so die Chance auf Beratung.
Kehren viele Frauen zu ihrem Mann zurück?
Moll: 2016 hatten wir 50 Frauen im Frauenhaus. 19 Prozent sind zurück. Manche brauchen zwei Anläufe. Die Männer versprechen gerne, dass dies nie wieder vorkommt. Es passiert doch, und die Frau kommt wieder. Wenn es ein gewachsener Entschluss ist, schafft sie die Trennung.
Ist das Frauenhaus finanziell abgesichert?
Graf-Knoblauch: Nicht vollständig. Einen erheblichen Teil müssen wir aufbringen.
Moll: Wir erhalten pro Kopf einen Tagessatz und sind nur voll finanziert, wenn wir ausgelastet sind. Was nicht einfach ist, wenn eine Frau mit wenigen Kindern kommt, wir aber ein Zimmer frei haben für eine Frau mit vielen Kindern.
Wie ist das bei den Beratungsstellen?
Enchelmaier: Sie haben durch die Stadt einen festen Etat. Aber wir benötigen jetzt mehr Mittel. Für geflüchtete Frauen ist es ein größerer Aufwand, wir brauchen Dolmetscherinnen, müssen in die Unterkünfte. Wir wollen auch mehr tun für Frauen mit Handicap. Wir haben mehr Anfragen von Fachkräften und Unterstützerinnen. Und wir wollen die Telefonzeiten ausweiten.