Das preisgekrönte Startup Cegat aus Tübingen hilft den Ärzten bei der Verschreibung von Medikamenten – mit einer schnellen und preiswerten Untersuchung von Genen.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Tübingen - Saskia und Dirk Biskup beschäftigen sich mit winzigen Teilchen – doch davon untersuchen sie riesige Mengen. „In jeder Zelle gibt es etwa 23.000 Gene“, erklärt der geschäftsführende Gesellschafter von Cegat. (Center for Genomics und Transcriptomics). „Wer 500 Gene untersucht, erhält rund eine Million Daten“, sagt Dirk Biskup – auch die Evolution setzt offenbar auf Big Data. Mit ihrem Unternehmen untersuchen die beiden Inhaber die Veränderungen von Genen – diese sind so klein, dass sie auch unter dem Mikroskop nicht zu erkennen sind – doch sie verraten Vieles. Haben sich Gene verändert, kann das zu einer Erbkrankheit führen. Und umgekehrt kann ein verändertes Gen auf eine Erbkrankheit hinweisen.

 

„Unsere Kunden sind Ärzte“, berichtet Biskup. Diese schicken den Tübingern Blutproben, die dann im Labor von Cegat untersucht werden – eine wichtige Voraussetzung für die Verschreibung des richtigen Medikaments. „Durch die Entschlüsselung der Gene finden wir heraus, welche Veränderung einen Patienten krank gemacht hat.“

Ärztin und Finanzchef als Ehepaar und Team

Zunächst waren die Berufswege von Saskia und Dirk Biskup ganz unterschiedlich: Sie war Forscherin in einer Ärztegruppe an der Universität Tübingen, er Finanzchef beim Elektrowerkzeughersteller AEG in Winnenden. Doch Saskia Biskup kam nur schwer an ein neues Gerät, das sie gerne für ihre Genforschung gehabt hätte, da die Anschaffungskosten sehr hoch waren. Also steckte man die Köpfe zusammen und entschloss sich 2009, ein eigenes Unternehmen zu gründen. „Am Anfang stand natürlich ein Businessplan“, erzählt Dirk Biskup.

Dass er kein Arzt ist, sieht er eher als Glücksfall an: „Sie ist Ärztin, ich Diplom-Kaufmann, das ist eine gute Mischung.“ Heute kann der Gatte in seinem Spezialgebiet auch Vorträge bei Medizinerkongressen halten, doch noch immer glaubt er „nur Ärzte zusammenzuholen, das kann gefährlich werden, das ist, wie wenn man nur Ingenieure zusammen sperrt.“

Allmählicher Schritt in die Selbstständigkeit

Der Schritt in die Selbstständigkeit war für beide kein Sprung ins kalte Wasser. Saskia arbeitete zunächst nur zu 50 Prozent für das eigene Unternehmen, Ehemann Dirk kam 2012 dazu, als dieses schon festen Boden unter den Füßen – und er selbst sich bereits mit der Materie vertraut gemacht hatte.

Der Wechsel von einem Elektrowerkzeughersteller fiel ihm offenbar nicht sonderlich schwer: „Ich musste mich natürlich einarbeiten, aber es ging ja weiter darum, ein Unternehmen zu führen.“ Und der Reiz der Selbstständigkeit war groß: „Im Unternehmen kann man seine Entscheidungen in eigener Regie treffen, man kann schnell entscheiden und ist auch für alles Verantwortlich.“

Cegat kann tausende Gene in einem Suchlauf prüfen

Als die Biskups anfingen, gab es für die Entschlüsselung von Genen Sequenziermaschinen, die ein einzelnes Gen auf einer DNA-Kette, dem Träger von Erbinformationen, prüften. Der typische Befund war, „wir haben nichts gefunden.“Mit einer neuen Maschine, dem „Next Generation Sequencer“ dagegen können tausende Gene in einem Suchlauf geprüft werden – die Datenmenge, die Aufschluss über eine Krankheit geben kann, ist also wesentlich größer, entsprechend höher die Chance, etwas herauszufinden.

Im Gewerbegebiet auf der Anhöhe über Tübingen glaubt man sogar, Pionierarbeit geleistet zu haben. „Wir waren weltweit die ersten, die dieses Verfahren für Patientenproben angewandt haben“, sagt Biskup. Eine Maschine könne natürlich jeder kaufen, aber die Daten, die diese liefert, „müssen natürlich auch interpretiert werden,“ meint der geschäftsführende Gesellschafter.

Schwarze Zahlen schon im Gründungsjahr

Dass Saskia und Dirk Biskup sich auf ihren eigenen Weg in die Gesundheitswirtschaft einließen, hat sich offenbar ausgezahlt: Bereits im Gründungsjahr schrieb das Unternehmen bei einem Umsatz von einer Million Euro schwarze Zahlen. Über einen Mangel an Aufträgen kann sich Cegat offenbar nicht beklagen: „Mit dem Modell der massenhaften Untersuchungen sind wir gewachsen“, meint Dirk Biskup. Inzwischen stehen 120 Mitarbeiter – so etwa Ärzte, Molokularbiologen, Laborbeschäftigte oder IT-Fachleute – auf den Gehaltslisten. Jedes Jahr wird das Erbgut von mehr als 10 000 Patienten untersucht.

Der Umsatz des Unternehmens liegt aktuell bei 15 Millionen Euro, gegründet wurden auch schon eigene Tochtergesellschaften. So wurde etwa zusammen mit einem Stuttgarter Labor ein Jointventure ins Leben gerufen, das mit einem guten Dutzend Mitarbeitern die Gene von Embryonen testet. „Wir werden weiter wachsen, aber nicht mehr so rasant wie in der Vergangenheit“, meint der geschäftsführende Gesellschafter beim Blick auf die kommenden Jahre.

Auf dem Markt sinken die Preise für Untersuchungen, „es gibt auch eine zunehmende internationale Konkurrenz“, beobachtet der Unternehmensgründer. „Wir haben aber einen Vorsprung bei der technischen Erfahrung und beim Bekanntheitsgrad“. Anfragen kommen inzwischen auch von Ärzten aus dem Ausland. Im Jahr 2016 wurde Cegat mit dem Landespreis für junge Unternehmen geehrt.

Kritik an der „Planwirtschaft im Gesundheitswesen“

Und im Gegensatz zu anderen Wettbewerbern ist Cegat auch bei der Deutschen Akkreditierungsstelle GmbH, einer privaten Organisation, die hoheitliche Aufgaben wahrnimmt, akkreditiert. Dies ist aber keineswegs vorgeschrieben: „Auch ein Hinterhoflabor kann eine Maschine kaufen, Blutproben analysieren und gegenüber Krankenkassen abrechnen, das muss geändert werden,“ kritisiert Biskup.

Und wenn er doch an einen gravierenden Unterschied zwischen seiner Tätigkeit bei AEG Elektrowerkzeuge und Cegat denkt, kommt er schnell auf „die Planwirtschaft im deutschen Gesundheitswesen“ zu sprechen. So erstattet die Kasse nur die Auswertung einer begrenzten Zahl von Daten ,maximal 25 000 pro Patient . „Diese Planwirtschaft ist nicht im Sinne des Patienten“, sagt Biskup.