Die Technologie-Transfer Initative der Universität Stuttgart (TTI Stuttgart) hat schon lange vor dem aktuellen Startup-Boom Gründern aus dem Wissenschaftsbereich auf die Sprünge geholfen.

Stuttgart - Auf dem ersten „Startup bw“ Gipfel auf der Landesmesse in Stuttgart dauerte es nicht lange und Edith Schmitt war umzingelt von Studenten, die sich mit ihrer Geschäftsidee selbstständig zu machen gedenken und deshalb ihren Rat suchen. Schmitt hat nicht nur Geduld, sie ist auch sehr erfahren. Schließlich macht sie den Job nächstes Jahr seit zwanzig Jahren – lange bevor angesichts Digitalisierung und Industrie 4.0 die derzeitige Startup-Euphorie ins Rollen kam. „Wir unterstützen Studenten der Universität Stuttgart mit verschiedenen Programmen und einem sehr großen Netzwerk, das wir uns aufgebaut haben“, sagt sie über das Geschäftsmodell. „Wir“, das ist die Technologie-Transfer-Initiative (TTI Stuttgart) in der Nobelstraße in Stuttgart-Vaihingen.

 

Gebäude der TTI Stuttgart bietet vielen neuen Ideen ein Zuhause

In dem geräumigen Gebäude hat nicht nur Schmitt zusammen mit ihrem kleinen Mitarbeiterteam ihr Büro, es ist auch das zeitweilige Zuhause vieler neuer Geschäftsideen. Hier sitzt in vielerlei Hinsicht der innovative Südwesten. Groß war daher Edith Schmitts Freude und die der gesamten TTI-Mannschaft, dass das zielgerichtete Engagement der GmbH mit einer Urkunde gewürdigt wurde – verbunden mit der Förderzusage durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg von rund 700.000 Euro, zusammen mit bwcon, dem Wizemann Space, der Stadt Stuttgart und der Wirtschaftsförderung der Region Stuttgart für die Laufzeit von drei Jahren bis Ende Juni 2020.

„Das spornt an“, sagt Schmitt, die sich besonders über die Begründung der Jury freut: Die TTI unter-stützt Gründungsvorhaben mit hohem Potenzial, im Bereich innovative Dienstleistungen und Hochtechnologie. Vor ihrer Tätigkeit an der Universität war Schmitt eine Zeit lang in der Patentabteilung bei Porsche in Weissach. Ein nützlicher Mosaikstein für ihr Gespür dafür, was eine gute Unternehmensgründung ausmacht. Hunderte Gründungen, nämlich 460, hat sie seither begleitet, 941 Gründungsvorhaben sind noch in der Pipeline. Ohne Business-Plan geht allerdings nichts. Ansonsten stets zu Hilfestellungen bereit, lässt Schmitt an diesem Punkt nicht mit sich handeln.

Viele Gründer nehmen die Dienste der TTI Stuttgart als TGU (Transfer- und Gründungsunternehmung) in Anspruch. Sie haben so den Status einer GmbH, ohne zunächst selbst eine solche gründen zu müssen. Sie können als Geschäftstätigkeiten im Testmodus ausprobieren. Das spart Zeit und Geld. „Wir machen die Buchhaltung, vermitteln juristische Beratung und vieles mehr“, erklärt Schmitt die Vorteile dieses einzigartigen Modells. „Eine Idee pro Woche, eine Gründung alle zwei Wochen“ ist die Bilanz, die TTI Geschäftsführer Peter Heinke und Bernd Bertsche, Leiter des Instituts Maschinenelemente, ziehen können. Die Erfolgsrate ist hoch, nicht zuletzt wegen Schmitt und ihrer Beratertruppe.

High-Tech-Startup ScatterBlogs profitierte vom Knowhow der TTI

Das Startup ScatterBlogs analysiert soziale Medien, und zwar hauptsächlich über Twitter. „Bei uns laufen ungefähr 17 Millionen Tweets pro Tag auf, das sind rund 200 pro Sekunde“, sagt Harald Bosch. Ursprünglich arbeitete er mit am Forschungsprojekt „Visual Analytics for Security Applications“. Projektpartner waren das Bundesamt für Bevölkerungsschutz, die EnBW, Siemens und andere. „Wir haben das Forschungsprojekt dann so weit getrieben, dass es sehr gut funktioniert hat. Es ist etwas Neues, das es in der sozialen Medienanalyse bisher nicht gibt.“ScatterBlogs basiert im wesentlichen auf drei Pfeilern. Zum einen muss immer ein Ortsbezug hergestellt werden. „Dazu streuen wir möglichst breit Suchbegriffe, in allen wichtigen europäischen Sprachen. Die werden vollautomatisch verarbeitet“, erklärt Bosch. Die Programme dazu haben sie während ihres Studiums komplett selbst geschrieben. „Wenn wir wissen, welche Nachrichten zu einem bestimmten Ort gehören, schauen wir nach Anomalien im Sprachgebrauch. Der dritte Schritt ist der Klassifikator. Der nimmt die diese Anomalien und schaut, ob sie über Wortkombinationen einem bestimmten Thema zugeordnet werden können,“ sagt Bosch.

Das Alleinstellungsmerkmal? „Dadurch, dass wir die Augenzeugen direkt abgreifen, können wir sehr schnell alarmieren.“ Was anfangs für den öffentlichen Sektor zur Ortung von Katastrophen konzipiert war, bietet ScatterBlogs jetzt Journalisten an. „Auf unserer Oberfläche können sie das abonnieren, was sie brauchen; zum Beispiel alle Alerts aus dem Politikressort für Berlin“, erzählt Bosch und ergänzt: „Wir haben unterdessen auch zahlende Kunden wie dpa oder AFP. „Als nächstes peilen sie den Finanzsektor an. Ihre Algorithmen, die „schneller sein können als die Nachrichtenagenturen“, sind ein gutes Mittel, um blitzschnell Stimmungen zum Aktienkurs einfangen zu können.

Swabian Instruments: Messgeräte als schwäbische Wunderwaffen

Bereits eine eigenständige GmbH ist Swabian Instruments. Der Name erinnert an den amerikanischen Technologiegiganten National Instruments. Das Gründertrio Helmut Fedder, Michael Schlagmüller und Markus Wick, zwei Physiker, ein Elektrotechniker, präsentieren ihre entwicklungsreife Wunderwaffe: ein blitzschnelles Messgerät. „Wir brauchten für unsere Forschungsarbeit schnelle und flexible Messgeräte. Auf dem Markt gab es nichts. Da sagten wir uns: ‚Gut, dann entwickeln wir das selbst‘“, sagt Fedder, der fast acht Jahre lang als Gruppenleiter am Physikalischen Institut der Uni Stuttgart arbeitete. Die Messgeräte dienen der Erfassung digitaler elektrischer Signale: „In der Biophysik brauchten wir extrem genaue Messgeräte, Stichwort: Fluoreszenz-Mikroskopie und Tumordiagnostik.“ Jetzt geht es um die großflächige Kommerzialisierung ihrer Technologie. „Ich glaube, dabei kommen wir ganz gut ohne Investoren zurecht“, sagt Fedder.

Das Alleinstellungsmerkmal von Swabian Instruments? „Unser Messgerät ist sehr flexibel, hat eine besonders gute Schnittstelle und spart den Nutzern dadurch unglaublich viel Zeit. Wir erreichen das, indem wir die schwierigsten Schritte der Signalerfassung von der Hardware- in die Software-Ebene verschieben,“ sagt Fedder. In 30 Picosekunden geht das vor sich, also dem Millionstel von einer Millionstel Sekunde. In dieser Zeit bewegt sich Licht trotz seiner Lichtgeschwindigkeit nur einen Millimeter weit. Der Erfolg spricht sich herum. Die drei Doktoren aus Stuttgart zählen inzwischen die meisten Top Universitäten weltweit zu ihren Kunden – von Harvard über Oxford bis Tokio.

Kurzsteckbrief

Transferinitiative: Das TTI Stuttgart, also Technologie-Transfer-Initiative GmbH, ist eine Ausgründung aus der Universität Stuttgart, gegründet im Jahr 1998. Der Name ist seit jeher Programm: TTI steht gründungswilligen Studierenden und wissenschaftlichen Mitarbeitern mit Knowhow, Netzwerk, Mentoren, Räumlichkeiten und nicht zuletzt Fördergeldern zur Seite. Neu: das sogenannte „Market Getting Team“, das für die jeweiligen Gründer eine Arte Kundenprofil erstellt und eine Liste von Kunden, auf die dieses Profil passt und die dann vom Team kontaktiert werden. In der Regel entsteht zunächst eine Transfer- und Gründerunternehmung (TGU). Für das Leistungspaket fordert die TTI 4,5 Prozent für die ersten 10.000 Euro Umsatz, danach steigt es auf 9 Prozent. Seit Frühjahr 2017 hat die TTI zwei Vertriebsmitarbeiter zur Unterstützung der TGUs bei deren Umsatzgenerierung.

ScatterBlogs: 2015 von Harald Bosch und Dennis Thom als TGU gegründet auf Basis eines Forschungsprojektes am Institut für Visualisierung und Interaktive Systeme. Für 2016: Exist Bundes-Fördergelder bezogen. Seit 2017 auf eigenen Beinen.

Swabian Instruments: Das Startup wurde im Dezember 2016 von Helmut Fedder, Michael Schlagmüller und Markus Wick als TGU gegründet. Die Gründer stammen von drei verschiedenen Instituten der Universität.