Startups in Reutlingen entwickeln sich bisher vor allem um Umfeld der Hochschule. Ein neues Förderprogramm des Landes macht es möglich. Auch ein innovativer Hochzeitsplaner gehört dazu.

Reutlingen - Einige Stehtische, ein Grill und ein paar Liegestühle vor zwei kleinen Containerbauten. So empfängt einen der Campus der Hochschule Reutlingen am ersten Abend der Startup Week. Teams der Hochschule Aalen und der Hochschule Reutlingen arbeiten hier intensiv an möglichen Geschäftsmodellen. Auch hier wirkt das „GUSTL“-Förderprogramm des Landes, das die Ausbildung von Unternehmerfähigkeiten und Angebote für Gründungsinteressierte an den Hochschulen unterstützen soll. An der Hochschule Reutlingen, die sich für den Antrag mit der Hochschule Aalen und der Hochschule der Medien Stuttgart (HdM) zusammengetan hat, hat sich mit dieser Förderung viel getan.

 

„In einigen Studiengängen sind Fächer wie Entrepreneurial Studies bereits im Curriculum integriert,“ sagt Thomas Rehmet, operativer Leiter des Center for Entrepreneurship der Hochschule Reutlingen. „Und dazu kommen dann extracurriculare Angebote wie die Startup Week, an denen wir Studierende ganz unterschiedlicher Fächer und mehrerer Hochschulen zusammenbringen.“ Immer besser sei das Thema Startup und Unternehmertum in Fachbereichen und Studiengängen verankert. Ganz am Ziel sei man freilich noch nicht.

Startups in Reutlingen kommen auch von außerhalb

Sein Kollege Naomune Haii, der die einzelnen Angebote organisiert, assistiert: „Unsere Startup Container sind schon bald wieder voll. Und das, obwohl wir die Fläche erst in diesem Jahr verdoppelt haben.“ Mit voll meint er, dass sich unterschiedliche Gründungsteams dort in kleinen Einzelbüros oder im kleinen Co-Workingbereich einquartiert haben. „Da sind Gründungen aus der Hochschule dabei. Und Gründungen, die von außerhalb nach Reutlingen kamen, weil für sie die inhaltlichen Rahmenbedingungen unserer Forschung gepasst haben,“ so Rehmet.

Eines dieser Startups sind die Jungs von My Wedding Helper, Christian Niklas und Armin Wälder. Sie sind so mit ihrer Entwicklung beschäftigt, dass sie auf eine Interviewanfrage mit der Zusendung eines bereits veröffentlichten Interviews antworten. Aus der eigenen Hochzeit von Niklas heraus entstand die Idee, einen digitalen Hochzeitsplanungshelfer zu entwickeln, über den alle Bereiche der Hochzeit vom Gästemanagement bis hin zur Budgetübersicht verwaltet werden können. Seit Anfang 2018 werden die beiden über das Exist-Programm gefördert. Mittlerweile kann die Plattform schon genutzt werden.

Auch mit der Hochschule verbandelt sind die mittlerweile schon fünf Gründer von Vereint. Aus eigenen Erfahrungen in der Organisation von Sportvereinen heraus entstand die Idee, ein app- und webbasierte Lösung für das Sportvereinsmanagement zu entwickeln. Die ersten Vereine sind bereits an Bord und testen die ersten Prototypen. „Wir wollen gemeinsam mit den Vereinen den Bedarf und auch das Zahlungsmodell entwickeln,“ sagt Jannik Finkbohner, der mit Tobias Fluck die Idee hatte.

Noch gibt es keine ausgeprägte Gründerszene

Reutlingen sei ein gutes Pflaster für ihre Gründung, sagen die beiden. Die Unterstützung durch die Hochschule sei eine sehr große Hilfe. Und das, obwohl es noch nicht so viel mehr an Gründerszene gebe in Reutlingen, so Fluck.

Christopher Schmidhofer vom Co-Workingspace Wexelwirken ist seit Anfang 2017 in Reutlingen am Start. Der Co-Workingspace war davor in Kusterdingen, einem kleinen Ort in der Nähe, bevor die Nachfrage groß genug war, den Start in Reutlingen zu wagen. Mittlerweile sind die beiden Macher von Wexelwirken mit der Auslastung ihrer 22 Arbeitsplätze schon sehr zufrieden. „Nicht nur die Stadt und die Hochschule haben uns hervorragend unterstützt. Mittlerweile werden wir auch von der Reutlinger Wirtschaft ernst genommen,“ stellt Schmidhofer fest.

Business Angels müssen sich erst entwickeln

Das ist für viele Startups in Reutlingen noch keine leichte Sache. Um akzeptiert zu werden, müssen die jungen Unternehmen sich erst beweisen. Deshalb gibt es keine funktionierende Infrastruktur von Business Angels, also Finanziers für die Frühphase eines Startups. Und das obwohl die Wirtschaft in und um Reutlingen Potenzial hätte. „Die ersten beiden Jahre haben wir uns selbst finanziert bevor wir in diesem Jahr eine Finanzierungsrunde abgeschlossen haben“, sagt Jan Makowski vom schon seit zweieinhalb Jahren aktiven Unternehmen LuxFlux GmbH.

Im Laufe dieser Zeit hat sich LuxFlux zu einem Software- und Systemanbieter für die optische Bildverarbeitung entwickelt, dessen Technologie Dinge sichtbar macht, die dem menschlichen Auge und normalen Kameras verborgen bleiben. Makowski, der ursprünglich bei Bosch gearbeitet hatte und bereits auf Führungsebenen unterwegs war, hat mit der Gründung von LuxFlux nicht nur seine Idee realisieren können, sondern lebt den Traum des gestaltenden und Verantwortung übernehmenden Unternehmers. „Mittlerweile sind wir mehr als fünf Leute im Team“, erzählt er.

Startups in Reutlingen sind in Bewegung

Schmidhofer pflichtet den Startup-Unternehmern von Vereint auch bei, was die Gründerszene anlangt. „Wir versuchen, mit Veranstaltungen das Angebot der Hochschule und der Stadt zu ergänzen,“ erzählt Schmidhofer, aber von einer wirklichen Gründerszene in Reutlingen könne man noch nicht sprechen.

Auch Rehmet von der Hochschule sieht das so. „Zwar ist Reutlingen für mögliche Gründungen von der Alb interessant. Gleichzeitig zieht es aber auch viele unserer Gründungen nach Stuttgart oder München, wo noch mehr Anknüpfungspunkte vorhanden sind.“ Aber Finkbohner, Schmidhofer und Rehmet sind sich beim Thema Startups in Reutlingen aber einig: „In den letzten Jahren hat sich schon viel bewegt.“

Der Gastautor Moritz Meidert

Meidert ist „Kapitän“ des bundesweit tätigen Gründerservice-Unternehmens Gründerschiff mit Sitz in Konstanz. Nach dem Studium in Konstanz und Friedrichshafen hat er nach einer gescheiterten Unternehmensgründung, mehreren weiteren Gründungen sowie einiger Erfahrung als Gründungsberater 2014 das Gründerschiff gestartet.

Das Gründerschiff begleitet mit regionalen Gründerschiff-Lotsen neben Unternehmensgründern auch kleine und mittlere Unternehmen bei Innovationsprojekten sowie Vorhaben, die den Gründergeist der eigenen Mitarbeiter fördern sollen. Außerdem bestehen Kooperationen mit Hochschulen, Kommunen und Landkreisen.

Ziel ist es, Angebote für Gründer im Land besser zu verbreiten. Das Gründerschiff macht nach eigenen Angaben mehr als 8000 Angebote im Jahr für Gründer und deckt Regionen abseits der Metropolen ab.