Ideenreich trotzen Startups in Stuttgart der Coronakrise. Die Digitalisierung schreitet noch weiter voran, wenn offline viel lahmgelegt ist. Wir stellen junge Kreative vor, die zu den Gewinnern in einer harter Zeit zählen.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Wenn Johannes Ellenberg, der seit zehn Jahren Geschäftsideen mit Gründern entwickelt, die Corona-Debatten in den sozialen Medien verfolgt, platzt ihm schon mal die Hutschnur. „Es bringt uns nicht weiter, wenn wir nur klagen, wie schlimm alles ist und was noch schlimmer werden wird“, sagt einer der erfolgreichsten Speaker aus Stuttgart und hält dagegen: „Wir sollten uns Mut zusprechen, gerade weil dieses Virus so gefährlich ist, und sollten uns anstacheln mit neuen Strategien.“

 

Not macht erfinderisch, so lautet ein altes Sprichwort. Erfinder kommen in unserer Wirtschaftsregion gehäuft vor und haben diese stark gemacht. Stuttgarts Gründergeist ging dank Daimler und Bosch um die Welt. Johannes Ellenberg gehört zu deren Erben in Neckar Valley. Während seines Studiums der Wirtschaftsinformatik gründete er seine erste Firma, eine Webagentur. Seine Botschaft in harter Zeit: Wer es jetzt schafft, die Krise gut zu nutzen und nicht im Jammern zu versinken, kommt stärker zurück.

Mit seinem Hamsterwein wird Diehl bundesweit gefeiert

Seine Vortragstour musste der junge Familienvater absagen und hat deshalb die Spielfelder gewechselt. Bei ihm kann man nun neuerdings lernen, wie man für wenig Geld seine eigene Homepage innerhalb eines Tages baut, und er verkauft Fitnessgeräte für daheim. Der Trend ist klar: Die Menschen haben gelernt, dass sie auch zuhause viel machen können und es von Vorteil sein kann, Fahrtwege zu sparen. Fitnessstudios sind noch geschlossen und können nach der Lockerung nur mit großen Einschränkungen genutzt werden. Da wollen immer mehr gute Trainingsgeräte für die eigenen vier Wände.

In der Corona-Pandemie wird mehr Wein getrunken als Bier. Der Jungwinzer Thomas Diehl von Rotenberg hat mit seinem Hamsterwein einen Coup gelandet. Sein Credo: Genussbewusste Deutsche hamstern nicht nur Klopapier. Die Presseagentur dpa hat ihn nun bundesweit als kreativen Krisenprofiteur angepriesen, weshalb er kaum noch nachkommt, die Bestellungen der Flaschen mit dem süßen Hamster auf dem Etikett in alle Teile der Republik zu versenden.

„Impulseis“ des früheren Radprofis wird zum Renner

„Als singendes Telegramm“ kann man die Stuttgarter Sängerin Rebecca Jäger buchen. Vor dem Haus oder im Garten überrascht sie Ahnungslose mit musikalischen Grüßen der Auftraggeber.

Start-up-Gründer Thomas Wagner freut sich über gewaltige Umsatzzuwächse seines „Impulseises“ in der Coronakrise. Als früherer Radprofi sind dem Chef von Pro Delight zucker- und fettarme Produkte zum Wohle von Gesundheit und Fitness wichtig. Speiseeissorten, zu denen man greift, ohne dies geplant zu haben, werden „Impulseis“ genannt. Weil Eisdielen geschlossen waren und viele noch keine Lust haben, sich vor Läden mit Speiseeis anzustellen, greifen sie in Supermärkten nach Wagners Bechern. Er ließ in der Pandemie kleinere Packungen zum Mitnehmen herstellen, die sich als Corona-Renner erweisen. Supermärkte wollen künftig den Zucker- und Fettanteil in Lebensmitteln um 25 Prozent senken. „In unserem Eis ist sogar 50 Prozent weniger Zucker und Fett“, sagt der frühere Spitzensportler, weshalb die Bestellungen der Ketten steigen.

In Kürze soll die nächste Stufe gezündet werden: Mit einem weiteren Start-up aus Stuttgart will Wagner essbare Eislöffel aus Kakaofasern auf dem Markt bringen, die, wenn man sie nicht isst, sich von allein ökologisch gerecht zersetzen.

Die Nachfrage nach Online-Angeboten wächst

Ihr zweites Digital Heroes Festival mussten Philipp Hagebölling und Manuel Ellwanger zwar absagen (vor einem Jahr hatten sie mit prominenten Speakern und dem früheren VW- und Porsche-Chef Matthias Müller in den Wagenhallen dem Mittelstand Nachhilfe für den den digitalen Wandel gegeben), profitieren nun aber von der riesigen Nachfrage nach Streamingdiensten, Onlinehandel und Marketing im Netz. Da die Virusgefahren ds Leben offline in vielen Bereichen lahmgelegt haben, wenden sich viele Firmen, die selbst wenig von online-Chancen wissen, an die Jungunternehmer. Ob für Taschen, Wein oder Kleidung – die beiden Freunde Hagebölling und Ellwanger bauten in kurzer Zeit neue Online-Verkaufsmodelle auf und schalten Werbung auf Netzportalen.

Es gibt Vorbilder in einer Zeit, die von Ängsten geprägt ist. Eine alte Erkenntnis bestätigt sich: Jede Krise ist für etwas gut. Schön ist, wenn man besser was machen kann als nur zu jammern.