Die neuen Zahlen vom Statistischen Bundesamt zeigen: Alle Debatten über Klimaschutz, Luftverschmutzung und die Segnungen des öffentlichen Nahverkehrs haben kaum Einfluss auf das individuelle Verhalten.
Berlin - Von Stuttgart nach Kapstadt – das entspricht der jährlichen Fahrstrecke eines durchschnittlichen Deutschen. Im Jahr 2013 waren es exakt 14 127 Kilometer. 80 Prozent davon wurden mit dem Auto zurückgelegt. Diese Zahlen hat am Mittwoch das Statistische Bundesamt veröffentlicht. Fazit seiner Mobilitätsbilanz: alle Debatten über Klimaschutz, Luftverschmutzung und die Segnungen des öffentlichen Nahverkehrs haben kaum Einfluss auf das individuelle Verhalten. „Deutschland ist nach wie vor eine Nation der Autofahrer“, sagt Dieter Sarreither, der Präsident der Statistikbehörde.
44,4 Millionen Personenwagen sind in der Bundesrepublik registriert. 77 Prozent aller privaten Haushalte verfügen mindestens über ein Auto. Nur die Fahrraddichte ist noch größer: In 81 Prozent der Haushalte gibt es einen Drahtesel. 2014 wurden mehr als drei Millionen fabrikneue Autos zugelassen. Die Liebe zum rollenden Blech ist aber in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während in Bayern je 1000 Einwohner 47 neue Autos in den Garagen stehen und in Baden-Württemberg 39, sind es in Berlin zum Beispiel nur 21. Das spiegelt sich auch im Fahrzeugpark insgesamt wider. Im Bundesdurchschnitt kommen 530 Autos auf 1000 Menschen. Die Autodichte ist im Süden (Baden-Württemberg 576, Bayern 585, Rheinland-Pfalz 615) besonders hoch. In Berlin (336) und den Stadtstaaten Hamburg (426) sowie Bremen (423) ist die Liebe zum „heiligen Blechle“ deutlich geringer ausgeprägt.
70 Prozent sind innerhalb einer halben Stunde im Büro
Die meisten Menschen nehmen auch das Auto, um zur Arbeit zu kommen. Das gilt für zwei Drittel aller Berufspendler. Nur 14 Prozent steigen auf Busse oder Bahnen um. In Großstädten ist diese Quote allerdings erheblich höher. Für Ballungszentren liegt der Anteil des öffentlichen Nahverkehrs bei 31 Prozent. Bundesweit gehen neun Prozent der Beschäftigten zu Fuß zur Arbeit. Ebenfalls neun Prozent nutzen für diesen Weg das Rad. 71 Prozent der Erwerbstätigen brauchen maximal eine halbe Stunde, bis sie im Büro oder in der Fabrik sind. Jeder zwanzigste Arbeitnehmer pendelt morgens und abends jeweils länger als eine Stunde.
Die Wahl der Verkehrsmittel hat sich in den vergangenen 15 Jahren ungeachtet aller Jobtickets, Regiofahrkarten, sonstiger Anstrengungen zur Ankurbelung des öffentlichen Nahverkehrs und phasenweise hoher Spritpreise zumindest im bundesweiten Durchschnitt kaum verändert. Anno 2000 lag der Autofahreranteil unter den Pendlern bei 67 Prozent. Schon damals nutzten 14 Prozent lieber Bus oder Bahn. Gemessen an den sogenannten Beförderungsleistungen ist der Anteil des umweltfreundlichen Nahverkehrs sogar rückläufig. Seit 2005 ist diese Kennziffer für Linienbusse und Straßenbahnen um 3,6 Prozent gestiegen. Für den motorisierten Individualverkehr beträgt die Steigerungsrate im gleichen Zeitraum 4,8 Prozent.
Ein Viertel der Bundesbürger hat auf Urlaub verzichtet
Mobilität gibt es nicht zum Nulltarif. 329 Euro gibt ein Durchschnittshaushalt dafür jeden Monat aus. Das entspricht 14 Prozent der privaten Konsumausgaben. Genau genommen ist der Anteil noch höher. Inklusive der Ausgaben für Pauschalreisen im Urlaub liegt er bei 16,7 Prozent. Den Löwenanteil für die privaten Mobilitätskosten verschlingen die Ausgaben für das Auto (89 Euro monatlich im Schnitt) sowie für Sprit (104 Euro). Im Budget der Bundesbürger ist das der zweitgrößte Ausgabenposten nach den Kosten des Wohnens (796 Euro). Nicht alle können sich die teure Mobilität leisten. Ein Viertel der Bundesbürger hat 2013 nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes aus finanziellen Gründen auf jeglichen Urlaub verzichten müssen. Bei kinderlosen Paaren kommt das erheblich seltener vor (15 Prozent). Unter den Alleinerziehenden trifft es hingegen fast jeden Zweiten (48 Prozent).
Eine wachsende Mobilität prägt die Gesellschaft insgesamt. 2013 sind 1,2 Millionen Menschen nach Deutschland gezogen, knapp 800 000 von hier weggezogen und 280 000 innerhalb des Bundesgebiets umgezogen. Erstmals hatten die neuen Bundesländer ein ausgeglichenes Wanderungssaldo – das heißt: Sie haben unterm Strich keine Einwohner verloren. Verlierer der Binnenmigration innerhalb Deutschlands ist Nordrhein-Westfalen (minus 17 000 Einwohner, eindeutiger Gewinner: Bayern (plus 14 000). Auch Baden-Württemberg hat ein leicht negatives Wanderungssaldo.