Die Bautätigkeit lässt das Ziel der Landesregierung, keinen weiteren Boden zu versiegeln, in die Ferne rücken. So werde aber kein dringend benötigter günstiger Wohnraum geschaffen, kritisiert Brigitte Dahlbender vom BUND.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Es ist ein schwieriger Zielkonflikt: Entweder schützt man die Landschaft – oder man baut Häuser. Angesichts der Wohnungsnot in den Ballungsgebieten schlägt das Pendel derzeit klar in Richtung Bautätigkeit. Im vergangenen Jahr wurden in Baden-Württemberg täglich 7,9 Hektar Boden für Wohngebäude, Produktionshallen und Straßen „verbraucht“; das hat das Statistische Landesamt jetzt mitgeteilt. Im Jahr 2016 waren es noch 3,5 Hektar gewesen.

 

Zwar gab es jetzt einen statistischen Sondereffekt, weil wegen der Einführung eines neuen Systems manches Flurbereinigungsverfahren aus der Zeit vor 2017 verspätet gemeldet wurde. Dennoch betonen die Experten, dass der Zuwachs vor allem bei der Wohnbaufläche zu verzeichnen war. Insgesamt gingen 2867 Hektar an unverbauter Fläche verloren, darunter 1516 Hektar für Wohnungsbau. Das Ziel des Landes, langfristig zu einem „Netto-Null-Verbrauch“ zu kommen, wurde damit ebenso verfehlt wie das Ziel des Bundes, täglich maximal 30 Hektar zu verbrauchen; das entspräche drei Hektar für den Südwesten.

Die Bürger werden anspruchsvoller

Brigitte Dahlbender, die Landesvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), verfolgt den Anstieg mit Sorge. Sie sagt: „Als wesentliche Ursache sehen wir die Tendenz vor allem in den kleineren Kommunen, unter dem Vorwand der Schaffung dringend notwendigen Wohnraums wieder verstärkt Einfamilienhausgebiete auf der grünen Wiese auszuweisen.“ Damit werde aber kein günstiger Wohnraum geschaffen, sondern nur wertvolle Fläche versiegelt. Im vergangenen Jahr waren gut 10 000 Einfamilienhäuser im Südwesten gebaut worden, daneben 28 000 Wohnungen. Dahlbender kritisiert, dass der Bund zu Beginn des vorigen Jahres ein vereinfachtes Bauverfahren ohne Umweltprüfung eingeführt hat, damit schneller Wohnungen gebaut werden können. Auch der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) hatte dies moniert.

Der Zuzug von Menschen (die Bevölkerung stieg im Land zwischen 2010 und 2017 um 2,5 Prozent) und die florierende Wirtschaft sind aber nicht die einzigen Gründe für den steigenden Flächenverbrauch. Die Bürger werden auch anspruchsvoller: So hatte ein Einfamilienhaus im Jahr 1987 im Schnitt 128 Quadratmeter Wohnfläche; heute sind es 161 Quadratmeter.

Ein Förderpreis soll ausgelobt werden

Das Wirtschaftsministerium, zuständig für das Thema Flächenverbrauch, zeigt sich dennoch nicht alarmiert. Erstens seien die neuen Zahlen zu unsicher, um sie bewerten zu können, sagte die Sprecherin Isabel Benner. Und zweitens sei die langfristige Tendenz weiter erfreulich. Tatsächlich waren Ende der 1990er Jahre noch zwölf Hektar täglich umgenutzt worden, im Schnitt der letzten fünf Jahre 5,5 Hektar. Man halte auch daran fest, so Benner, vorrangig die Bebauung in bestehenden Siedlungen und die Verdichtung zu unterstützen, etwa durch einen Förderpreis: „Doch wird es ohne Neuausweisung von Wohnbauflächen kurz- bis mittelfristig nicht möglich sein, den Bedarf zu decken.“