Seit Wochen ist die Wilhelma geschlossen. Wie ergeht es den tierischen Bewohnern eigentlich im Lockdown? Und was können wir tun, um ihnen zu helfen?

Stuttgart – Das hier soll kein Artikel über Für und Wider eines Zoos werden. Die Diskussion darüber ist wichtig und muss geführt werden, aber nicht hier und nicht heute. Hier und heute soll es um die unzähligen wunderbaren Tiere gehen, deren Zuhause die Wilhelma ist. Und deren Überleben, mal ganz nebenbei gesagt, ohne Zoos oftmals nicht mehr gesichert wäre. Wir haben uns mit dem Pressesprecher Harald Knitter unterhalten, wie es dem Zoologisch-Botanischem Garten in Stuttgart während des Lockdown so ergeht und wie die Tiere die ungewohnte Situation erleben.

 

„Sie sind fit und zeigen keine negativen Effekte“

„Von den Tieren kommen keine Klagen“, steigt Harald Knitter mit einer guten Nachricht in das Gespräch ein. „Sie sind fit und zeigen keine negativen Effekte. Man muss bedenken, dass die Situation für sie weniger ungewöhnlich ist als für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Während zu unseren Arbeitszeiten normalerweise fast durchgehend Gäste auf dem Gelände sind, leben die Tiere rund um die Uhr in der Wilhelma und kennen es, dass abends, nachts und am frühen Morgen keine Menschen da sind. Das ist gerade für dämmerungs- oder nachtaktive Tiere die prägende Zeit.“

Die Versorgung ist gesichert

Von denen gibt es in der Wilhelma eine ganze Menge: Fledermäuse, Eulen, aber auch zahlreiche Fische und Amphibien werden erst munter, wenn im Kessel die Lichter ausgehen. Doch auch die Tiere, die bei Sonnenaufgang putzmunter werden, müssen auf ihre Pflege nicht verzichten. „Die Pfleger*innen fehlen ihnen keineswegs, denn die sind nach wie vor im Dienst“, sagt Knitter. „Um den Infektionsschutz zu gewährleisten, wurde die Belegschaft zwar in kleinere Teams aufgeteilt, die sich nicht begegnen dürfen. So soll verhindert werden, dass ein komplettes Revier in Quarantäne muss, falls ein Infektionsfall auftritt. Bisher ist es der Wilhelma aber gelungen, dass alle Tiere weiter von dem Fachpersonal betreut werden, das auch sonst dafür zuständig ist. Insofern ist der Tagesablauf für die Tiere weitgehend unverändert und es fehlt keinem Tier eine vertraute Person.“

Wer ist hier im Zoo?

Unbemerkt bleiben die fehlenden Besucher aber natürlich nicht. Während Insekten oder Fische weitgehend gleichgültig auf uns reagieren, gibt es durchaus Spezies, denen wir tatsächlich fehlen. „Für die Affen, speziell die Menschenaffen, sind Besucher*innen immer auch willkommene Abwechslung“, meint der Pressesprecher. Es ist nämlich nicht nur so, dass wir Menschen unsere nächsten Verwandten beobachten. Für die Affen werden wir schnell selbst zum „Zootier“, das ausgiebig bestaunt wird. „Deshalb“, so Knitter, „sind die Pflegerinnen und Pfleger gefordert, für mehr Beschäftigung zu sorgen. Das gelingt oft darüber, dass besonderes Futter versteckt oder schwer zugänglich gemacht wird.“

Die Gorillas bekommen beispielsweise Honig in schmalen Röhren, für die ihre Finger zu dick sind. Sie müssen sich also erst Äste abbrechen und zu kleinen Stöckchen zurechtbeißen, um den süßen Saft aus der Röhre zu angeln. Und bei der Papageienart Kea reicht so ein Bobbycar schon mal für einige Tage Spannung, Spiel und Spaß.

70.000 Euro Kosten pro Tag

Allgemein gilt also: Hinter den geschlossenen Toren der Wilhelma geht es genauso geschäftig zu wie sonst auch. Mindestens. Mobile Working ist für das Personal aber größtenteils unmöglich: „Die seltenen Tiere und exotischen Pflanzen müssen kontinuierlich gehegt und gepflegt werden.“ Und da haben wir auch schon das Dilemma: Bei gleichbleibendem Aufwand und komplett wegfallenden Eintrittsgeldern ist die Wilhelma derzeit ein einziges Verlustgeschäft. „Die Betriebskosten belaufen sich auf rund 70.000 Euro pro Tag, für die aktuell eine Gegenfinanzierung fehlt“, legt Knitter dar. Und das will erst mal gedeckt werden, wenn der überwiegende Anteil der Einnahmen aus Eintrittsgeldern besteht. „Strom-, Heiz- und Wasserkosten können nicht reduziert werden, damit die Tiere nicht krank werden und die Pflanzen nicht eingehen. Da viele der Arten aus tropischen und subtropischen Regionen stammen, müssen die Temperaturen hochgehalten werden. Und das Wasser in Tierbecken und Aquarien muss aus Hygienegründen regelmäßig erneuert werden.“

Keine Existenznöte

Existenznöte habe man als Landesbetrieb mit Baden-Württemberg im Rücken zwar nicht, ausruhen auf dieser Situation möchte man sich aber eben auch nicht. Deswegen freut sich die Wilhelma natürlich auf Unterstützer*innen, die den historischen Park mit Spenden oder Patenschaften unterstützen. „Die Übernahme einer Patenschaft für ein Tier oder eine Pflanze ist ein spezielle Art der Spende, um die Verbundenheit mit der Wilhelma zu zeigen“, so Knitter. Kann der Autor bestätigen: Verschenkte Patenschaften, beispielsweise eines Erdmännchens oder einer Brillenblattnase, sind immer der Knaller. Und während die Wilhelma weiterhin für Besucher*innen geschlossen ist, tut sich hinter den Kulissen wie immer eine ganze Menge: In Kürze soll eine Gepardendame aus Salzburg nach Stuttgart ziehen, zudem werden sich im Frühjahr zwei Brillenbären in der Wilhelma niederlassen. Es bleibt also auch ohne Gäste spannend. Nur die Gorillas und die Bonobos, die freuen sich so langsam wirklich wieder auf uns seltsame Menschen.